08.05.2013

Von Dirk Biermann

Foto: Blanco

Erik Spelt vertritt Quooker, den Pionier bei Heißwassersystemen, auf dem deutschen Markt. Seit der LivingKichten zählt die All-in-One-Armatur Fusion (Foto) zum Angebot.

Es tut sich was im Armaturenmarkt: Nach bescheidenen Verkaufszahlen in den letzten Jahren, erwarten die Anbieter von Heißwasserarmaturen für 2013 einen deutlichen Schub. Systeme mit und ohne Druck stehen zur Auswahl. Gestalterisch gilt: Die Deutschen mögen am liebsten alles aus einem Hahn.

Eine Liebesbeziehung ist das noch nicht, was sich in den letzten Jahren zwischen dem deutschen Küchenkäufer und den sogenannten Kochendwasser- bzw. Heißwasser-Armaturen entwickelt hat. Während bei den holländischen Nachbarn eine gut ausgestattete Küche ohne ein solches System gar nicht vorstellbar ist und auch die Skandinavier und die Briten sich in ansprechender Zahl an Heißwasserspendern erfreuen, dümpelte der Markt in Deutschland eher beschaulich vor sich hin – mancher Anstrengung zum Trotz.
Gründe für die Zurückhaltung der Kunden gibt es einige: Landestypische Ess- und Kochgewohnheiten zählen dazu. Die Holländer zum Beispiel lieben den schnellen, lediglich mit heißem Wasser anzurührenden Snack zwischendurch, und der Engländer versteht was von der fachlich fundierten Tee-Zubereitung, greift dafür bei Kaffee aber oft auf die gekörnte Instant-Variante zurück. Stets Voraussetzung: möglichst unkompliziert und fix auf hohe Temperatur gebrachtes Wasser.
Doch inzwischen füllen auch in deutschen Supermärkten immer mehr heiße Tassen und andere gefriergetrocknete Fertiggerichte die Regale. Der Trend zum Convenience-Food ist mindestens genau so ausgeprägt wie die Lust am zelebrierten Kochhappening. Während die kulinarische Großveranstaltung oft gar nicht genug kriegen kann vom ausgefeilten Küchenequipment, reicht der Ein-Happen-im-Stehen-Fraktion oft eine Mikrowelle mit Pizza-Funktion. Und wenn es nach Quooker, Clage, ­Grohe, ­Blanco, Dornbracht und Naber geht, eben ein Armaturensystem, das auf Knopfdruck sehr heißes bis kochendes Wasser liefert. Denn damit sind Fertiggerichte oder die Tasse Tee im Handumdrehen verzehrbereit.

Heiß bis kochend
Die Formulierung „sehr heißes bis kochendes Wasser“ ist von Vorsicht geprägt. Und das hat Sinn. Denn wer sich diesem Nischensegment des Armaturenmarkts allzu sorglos nähert, läuft Gefahr, zwischen die Fronten zu geraten. Die Grenze ist klar gezogen und trägt den Namen 100°. Es gibt Anbieter wie Quooker, Naber und Grohe, die sehr darauf pochen, dass in ihren Druckbehältern Wasser vorrätig gehalten wird, welches die 100°-Marke überschritten hat. Und es gibt Anbieter wie Dornbracht, Clage und Blanco, die sich mit etwas weniger Hitze begnügen, weil sie der Meinung sind, dass einige Grad weniger als 100° immer noch völlig ausreichten. Und wie lehrte doch gleich der Physikunterricht? Ab einer Temperatur von 100°C wechselt Wasser den Zustand: von flüssig in dampfend. Wer also mehr als 100°C heißes Wasser flüssig vorrätig halten will, benötigt dafür einen Druckbehälter. Diese Technik ist naturgemäß aufwendiger als die drucklose Variante. Und damit meist etwas teurer.
Allein der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber belassen wir es für alle Varianten bei der Bezeichnung Heißwasserarmatur. Wohl wissend, dass es einen Unterschied gibt zwischen kochendem und nicht kochendem Wasser.

Quooker, der Pionier
Pionier auf dem Gebiet der Heißwasserarmaturen ist auch hierzulande das Unternehmen Quooker. Am Heimatmarkt Holland beträgt der Marktanteil annährend 100%, wie Erik Spelt, Leiter Marketing und Vertrieb von ­Quooker Deutschland berichtet. Dies sei historisch gewachsen, schließlich blickt das Unternehmen bereits auf 40 Jahre Erfahrung zurück. Ein Traum für jeden Marketingstrategen: Ähnlich wie bei Tesa und Tempo für Klebestreifen und Papiertaschentücher, spricht man in den Niederlanden von einem ­Quooker, wenn man eine Heißwasserarmatur meint. Seit fast fünf Jahren arbeitet das Unternehmen daran, diese mentale Kopplung auch in Deutschland in den Köpfen der Kunden zu verankern. Doch was bei den westlichen Nachbarn seit den 1970er-Jahren beständig an Fahrt gewinnt und sich längst auf dem Überholstreifen befindet, traut sich in Deutschland bislang nicht recht runter von der Einfädelspur. Weltweit hat Quooker nach eigenen Angaben rund 250.000 Heißwasserarmaturen verkauft. Das Unternehmen ist in zehn europäischen Ländern aktiv. In Deutschland dürfte sich die Zahl der jährlich installierten Systeme herstellerübergreifend auf 2000 bis 3000 beschränken. Selbst Optimisten zweifeln, dass es mehr als 5000 im Jahr sind. „Und davon 1500 entlang der holländischen Grenze“, vermutet Naber-Marketingleiter Manfred Staaks. Das Nordhorner Unternehmen Naber ist seit gut zwei Jahren mit einem eigenen Heißwassersystem namens Hotspur am Markt, gefertigt vom holländischen Unternehmen Itho Daalderop.

Durchbruch in 2013
Für dieses Jahr erwarten alle befragten Anbieter einen deutlichen Schub nach vorn. „2013 wird der Durchbruch auf dem deutschen Markt sein“, ist auch Erik Spelt überzeugt. Seine Einschätzung basiert weniger auf Hoffnung als auf Fakten. In seinem Fazit zur LivingKitchen sagte er: „Die Menge der bestellten Armaturen hat unsere schon optimis­tische Planung bei Weitem übertroffen und im Vergleich zur Living Kitchen 2011 hat sich die Anzahl der Bestellungen sogar verdreifacht.” Ähnlich optimistisch zeigt sich Blanco. Das Unternehmen aus Oberderdingen, seit mehreren Jahren nationaler Marktführer im Vertrieb von Küchenarmaturen, erweitert das Angebot an Heißwassersystemen seit vergangenen September um Blanco Hot. Lars Kreutz, Geschäftsleitung Vertrieb Deutschland, sieht das mittelfristige Potenzial von Heißwassersystemen bei etwa 20.000 bis 25.000 Stück. „Im ersten Schwung“, wie er betont. Grundsätzlich könne er sich vorstellen, dass der Markt sogar deutlich mehr Dynamik gewinnen kann.
Mit dem Markteinstieg von ­Blanco hat sich ein förderlicher Wettbewerb entwickelt, der allen Anbietern nutzt. Schließlich werde mehr über das System an sich gesprochen, bestätigt Manfred Staaks. Und Vertriebsexperte Lars Kreutz ergänzt: „Einen Markt allein machen zu wollen, ist sehr schwierig.“ Eine Aussage, die seine Kollegen bei Quooker, ­Naber, Grohe, Dornbracht und Clage sicher bereitwillig unterschreiben werden.

Streit der Systeme
Trotz dieser Eintracht herrscht seit der Präsentation von Blanco Hot eine bislang ungewohnte Diskussionsfreudigkeit im Markt. Denn Blanco hat sich im Gegensatz zu den holländischen Drucksystemen bewusst gegen eine Kochendwasser-Variante entschieden und zusammen mit Partner Stiebel Eltron eine drucklose Lösung präsentiert. Die System-Vorteile liegen für Lars Kreutz auf der Hand: Weniger hohe technische Voraussetzungen, einfachere Montage, geringerer Preis. Dafür nimmt Blanco es gern in Kauf, dass das Wasser nicht über ca. 97°C erhitzt wird. An dieser Marke regelt die Heiztechnik die Erwärmung automatisch ab. Für Lars Kreutz ist der Unterschied zur Kochendwasser-Variante ohnehin gering. „Auf dem Weg in die Tasse verliert jedes Wasser einige Grad Temperatur.“ Das Resultat sei also fast identisch.
Das wiederum wollen die Anbieter der Kochendwasser-Armaturen ganz und gar nicht gelten lassen und pochen auf die besonderen Vorteile von Wasser, das über die magische Grenze von 100°, dem Siedepunkt, erhitzt wurde. „Hygiene“, sagt zum Beispiel Erik Spelt. „Tee- und Essenszubereitung“, ergänzt Martin Staaks. Um nur zwei bewusst reduzierte Stichworte zu nennen.

Keine alleinige Wahrheit
Rein objektiv betrachtet haben beide Parteien recht, aber keiner die alleinige Wahrheit. Beispiel Hygiene: Es gibt Keime und Bakterien, die pusten bereits ab 72°C Wassertemperatur die Lebenslichter aus, während andere erst jenseits der 100° C in die Knie gehen. Die ganz Hartgesottenen sind sogar bis 120°C gegen Hitze resistent und halten selbst diese Temperatur bis zu 20 Minuten aus. Und damit an Individualtät nicht genug: Manche Bakterien sondern widerstandsfähige Sporen ab, die sich auch nach dem Tod des Mutterkeims noch immer im Wasser befinden. Die 100°-Marke ist sicherlich eine ganz besondere Trennlinie und für manche Anwendung von besonderem Wert, manchmal auch ein Muss. Allerdings: Trinkwasser hat in Deutschland Lebensmittelqualität. Ob der „Streit der Systeme“ hierzulande also vorrangig über die mögliche oder tatsächliche Keimbelastung geführt werden sollte, scheint aus Beobachtersicht fraglich. Zumal alle Beteiligten das identische Ziel haben: Überhaupt erst mal Kunden von Heißwassersystemen begeistern.

Typische Zielgruppen
Eine fest installierte Heißwasserarmatur spricht Lifestyle-Kunden an, die sich für alles Neue begeistern können und solche Innovationen aktiv suchen. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind all jene Nutzer, für die das fix angerührte Fertiggericht daheim oder im Büro zum täglichen Brot gehört. Oder auch passionierte Teetrinker, die nicht länger der inzwischen als überholt geltenden Idee nachhängen, dass fast jeder Tee eine andere Aufbrühtemperatur verlangt (Details zu dieser fast schon dogmatisch geführten Diskussion gibt es Im Internet auf ungezählten Seiten, unter anderem auf www.tee-magazin.de).

Sicherer als ein Wasserkocher
Sicherheit, Komfort und Platz­ersparnis auf der Arbeitsfläche sind weitere wichtige Argumente. Beim Thema Sicherheit können alle hier vorgestellten Heißwassersys­teme punkten. Im Gegensatz zum lose auf der Arbeitsplatte stehenden Wasserkocher bzw. dem vor sich hin köchelnden Topf auf dem Kochfeld, verfügen Heißwasserarmaturen über spezielle Bedienelemente wie Druck-Drehknöpfe, die neugierige Kinderhände vor kaum lösbare Aufgaben stellen. Ebenfalls großer Wert wird auf die Isolierung von Boiler und wasserführenden Teilen gelegt. So bleibt alles ungefährlich kühl.

Magische Kostengrenze
Bei teils vierstelligen Anschaffungskosten werden Heißwasserarmaturen wohl auf absehbare Zeit keine Mainstream-Produkte.  Doch ab obere Mitte kann sich das verkäuferische Engagement bereits heute lohnen. Welches System in welcher Preiskategorie angeboten
wird, verrät unsere mit vielen technischen Daten gespickte Vergleichs­tabelle auf den folgenden Seiten.
Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass die von den Anbietern genannten Preise teils erheblich von der Internetrecherche abweichen. Manche Systeme werden in Web-Shops bereits für 500 bis 600 Euro angeboten. Aus welchen Quellen diese Ware stammt, bleibt wie so häufig bei diesem Vertriebsweg nebulös. Und ganz ausdrücklich: Richtwerte für den Fachhandel sind diese servicefreien Angebote  natürlich nicht.

Bewegung im Markt
Mit dem Markteinstieg von Blanco ist deutlich Bewegung in den Markt gekommen. Denn erklärtes Ziel Blancos sei es gewesen, das Angebot um eine „konsumige Variante“ zu ergänzen, wie Lars Kreutz betont. Also um eine massenkompatible Heißwasserarmatur. Auch deshalb sei die Entscheidung für eine vergleichsweise günstige weil technisch weniger aufwendige Drucklos-Technik gefallen. Der Blanco-Vertriebsexperte ist davon überzeugt, dass eine magische Kostengrenze nicht überschritten werden darf. Wo diese Marke genau liegt, wollte er partout nicht sagen, aber vermutlich meint er einen Endverbraucherpreis, der deutlich wahrnehmbar unterhalb von 1000 Euro liegt. Inklusive Armatur. Wie gesagt: für die konsumige Variante. Premium- und Luxuskäufer dürften dieses Argument allenfalls mit dem kaum wahrnehmbaren Zucken einer Augenbraue kommentieren.

Maßvolle Stand-by-Kosten
Im Gegensatz zu den Verbrauchskosten. In Deutschland hat sich quer durch alle gesellschaftlichen Schichten eine besondere Sensibilität hinsichtlich der Energieeffizienz entwickelt. Vor diesem Hintergrund dürften Boiler, die permanent kochendes oder fast kochendes Wasser vorrätig halten, unter besonderer Beobachtung stehen. Erik Spelt gibt jedoch Entwarnung und betont, dass beispielsweise der Standby-Verbrauch eines Quookers mit seinen 10 Watt unter denen eines W-LAN-Routers läge. Auch über die exakten Standby-Kos­ten der Systeme gibt unsere Vergleichstabelle Auskunft.
Außerdem: Wer seinen Topf für Gemüse, Weißwurst oder Beilagen gleich mit kochendem Wasser befüllt, kann sich viele Minuten Aufheizzeit und manches Watt elektrischer Leistung auf dem Kochfeld sparen. Dass deutsche Verbraucher dennoch mit Skepsis auf den Effizienzaspekt reagieren, ist eine der grundsätzlichen Marketingaufgaben, die alle Anbieter zu bewältigen haben dürften, wenn das Segment wirklich an Fahrt gewinnen soll.

Verschiedene Designs
Unterstützung erhalten die genannten Argumente für ein Heißwassersystem von einer breiten Auswahl verschiedener Designs und technischen Ausführungen. Es gibt sie wahlweise mit rundem oder eckigem Auslauf, auf Wunsch als All-in-One-Lösung oder in Kombination mit einer herkömmlichen Mischbatterie, wenn z.B. nicht auf die praktische Schlauchbrause verzichtet werden soll. Eine solche lässt sich mit einem Heißwassersys­tem nämlich nicht realisieren. Grundsätzlich gibt es jedoch eine klare Tendenz auf dem deutschen Markt, wie Erik Spelt inzwischen weiß: Die meis­ten Kunden mögen gern „alles aus einem Hahn“.

www.kuechenplaner-magazin.de