Altholz tut der Seele gut
Es ist diese Beziehung zu dem Holz, die eine Küche zu einem ganz besonderen Raum werden lässt. Das hat Uwe Pfister von der gleichnamigen Möbelwerkstatt jetzt schon mehrmals erlebt. Da gab es beispielsweise die Kundin, die die Möbelwerkstatt bat, ihr aus dem Holz ihres entkernten Elternhauses eine Küche zu bauen. „Ein angekohltes Holzstück mit vielen aneinandergereihten Löchern erinnerte sie an einen Brand, bei dem eine Kuh starb. Den hatte sie als kleines Mädchen erlebt“, erzählt Uwe Pfister. Die Möbelwerkstatt stellte aus dem Brett schließlich Griffe her, die Löcher wurden zu den Eingriffen. Diese Geschichten bleiben am Leben – auch wenn das Holz nun einen anderen Zweck erfüllt.
Pfister hat auch schon alte Weinfässer zu einer Küche verarbeitet. Eine andere entstand aus den Balken einer Scheune, die wegen eines Hausumbaus weichen musste. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Alle Pfister-Küchen sind extrem unterschiedlich und haben doch eines gemein. Sie alle tragen das wertvolle Prädikat „Unikat“. Die Nachfrage nach diesen Einzelstücken mit der besonderen Nuance hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Das spürt die Möbelwerkstatt immer wieder. So auch auf der Messe Offerta in Karlsruhe im vergangenen Herbst. Dort stellte der Betrieb die Altholzküche „Wild Horses“ vor. Uwe Pfister: „Sie war ein absoluter Publikumsmagnet.“ Zu sehen sein wird das Modell auch auf der imm 2015 in Köln.
Küchen mit Spuren
Uwe Pfister, der Holztechniker, und sein Bruder Jürgen, Schreinermeister, haben zusammen die Möbelwerkstatt in Angelbachtal bei Heidelberg gegründet. Das war 1986. Zunächst beschränkte sich der Betrieb auf Restauration und Montage. Nach zwei Jahren richtete das Unternehmen eine Schreinerei ein und spezialisierte sich auf die Herstellung von Möbeln aus Massivholz. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Planung und Fertigung exklusiver Küchen. Es ist das Besondere, das das Brüderpaar beim „Möbelmachen“ immer wieder sucht.
Die Geschichten, die das Altholz transportiert, liegen ihnen am Herzen. Auch wenn natürlich nicht jeder Kunde, der eine Altholz-Küche bestellt, dieses auch mitliefern kann. „Wir erzählen den Kunden dann, woher das Holz stammt, was es einmal war“, sagt Uwe Pfister. So bleibt das nicht länger ein lebloser Gegenstand sondern erwacht zum Leben.
Eine einheitliche Definition, welche Kriterien Holz aufweisen muss, damit es als Altholz bezeichnet werden kann, gibt es bisher allerdings nicht. Für die Möbelwerkstatt sind dafür zwei Eigenschaften aber unerlässlich: Zum einen muss das Holz schon einmal verbaut worden sein, zum anderen muss es mehr als 100 Jahre alt sein. Oft ist es sogar deutlich älter. Merkmale wie Wurmfraß, Löcher, Risse oder Brandstempel, wie sie auf den alten Fässern zu finden seien, sind dabei das Salz in der Suppe. Pfister verwendet ausschließlich Altholz aus Abrissen aus deren Umgebung. So beugt die Möbelwerkstatt konsequent dagegen vor, kontaminiertes Holz aus günstigen aber zweifelhaften Quellen zu verarbeiten.
Jenseits kurzfristiger Moden
Das Interesse an gebrauchten Materialien wie Altholz wächst. Die Oberfläche und Struktur ist nicht sofort zu fassen wie bei lackierten Flächen. Das macht es attraktiv. Inzwischen haben auch große Hersteller diese Nische für sich entdeckt. So stellte Ballerina zur Hausmesse 2013 die Front „Altholz-Eiche“ vor, und Schüller nahm die „Alteiche“ ins Programm auf.
Dabei siedelt Schüller das Thema Echtholz mit den charakteristischen Gebrauchsspuren in ihrem Premiumsegment an. „Besonders Kunden mit einem hohen Anspruch an Authentizität schätzen das Produkt und fragen es nach“, sagt Annette Schuhmacher, Marketingleiterin bei Schüller. Dennoch plant der Küchenmöbelhersteller derzeit keine weiteren Fronten dieser Art. „Die Altholz-Front bei next125 steht für sich“, so Schumacher.
Auch Ballerina ist mit der Nachfrage sehr zufrieden. „Wir haben schon wesentlich mehr echtes Altholz verkauft als ursprünglich geplant“ sagt Heidrun Brinkmeyer, Geschäftsführerin Marketing und Vertrieb. Bei der Ballerina-Front handelt es sich um ein Furnier in besonderer Qualität. Es sei doppelt so dick wie normales Furnier. Heidrun Brinkmeyer: „In der Herstellung ist dieses sehr aufwendig. Das Altholzfurnier wird von mehr als 100 Jahre alten Bohlen gemessert und kommt dann zur Farbegalisierung in eine Lauge.“ Aufgrund der gewünschten Patina, z.B. Risse, Dellen und Kerben, sei die weitere Verarbeitung ebenfalls sehr aufwendig.
Die Ballerina-Geschäftsführerin ist ebenfalls der Meinung, dass sich der Trend verstärken wird. Als Nischenprodukt im hochwertigen Bereich. „Altholz kauft der Kunde, der einen hohen Designanspruch hat und der es liebt, sich mit echten Materialien auszustatten“, so Brinkmeyer: „Denn er weiß genau, dass er etwas wertvolles, langlebiges und modeübergreifendes kauft.“ Eine Ausweitung des Programms plant jedoch auch der Rödinghauser Hersteller vorerst nicht.
Vom Kunden geliefert
Obwohl nun auch die Großen der Branche das Nischenthema Altholz beleben, bleibt es wohl in erster Linie die Paradedisziplin spezialisierter Schreinereien und Manufakturen. So sehen auch die Gebrüder Pfister mit ihrer Möbelwerkstatt noch einen großen Vorteil bei sich liegen. „Wir kleineren Hersteller können das Holz verarbeiten, das uns der Kunde liefert. Diese alten Balken oder Dielen, zu denen sie eine Beziehung haben. Das macht doch den ganz besonderen Reiz aus“, sagt Uwe Pfister und ergänzt: „Altholz tut den Augen und der Seele gut. Denn wenn wir genau hinhören, erzählt es uns von den alten Zeiten.“
Astrid Plaßhenrich
www.pfister-moebelwerkstatt.de
www.ballerina.de
www.schueller.de