21.04.2016

Außergewöhnliche Ideen für die Hausgeräte der Zukunft

Die Sieger stehen fest: Tiziano La Cascia, Patrick Palau und Benedikt Walther von der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd gewinnen den ersten „Siemens Home Appliances Design Award“. Ihre Idee: eine Symbiose aus Arbeitsplatte und kabellosen Zubereitungswerkzeugen, die recyclebar sind. Der Name: Instruments.

Die Gewinner des „Siemens Home Appliances Design Award“ (Foto von links): Tiziano La Cascia, Benedikt Walther und Patrick Palau. Foto: Siemens

Das Trio aus Baden-Württemberg überzeugte die Jury mit einer eher unscheinbaren weißen Platte, die einem traditionellen Kochfeld ähnelt und auch diesen Nutzen transportiert. Der Plan war, ein ressourcenschonendes und aufs Wesentliche reduziertes und ästhetisches Konzept für das Kochen von Morgen zu schaffen. Das vorab definierte Ziel der Studierenden: Durch eine einzige Plattform Profiköche, Werkzeugangebot und Anwender miteinander vernetzen, „um ein neues Kocherlebnis zu schaffen“.
Genau das gelang nach Meinung der Jury. „Das Benutzerverhalten wurde maximiert, die Ästhetik ist herausragend, dazu ist ‚Instruments’ komplex und doch einfach zu bedienen“, sagte ­Angelika ­Nollert, Direktorin der „Neuen Sammlung – The International ­Design Museum“, während ihrer Laudatio. Zusammen mit ­Gerhard Nüssler (Head of Global Design Siemens Hausgeräte), Ronald Wassenaar (CEO BSH Niederlande) und Carola Zwick (Professorin an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin) bildete ­Nollert die Jury. ­Wassenaar ergänzte die Entscheidung pro „­Instruments“: „Die ers­ten drei Lösungen haben sich im Vergleich zu den weiteren neun Finalisten abgesetzt. Am Ende hatten wir dann auch einen klaren Gewinner.“

Nahrung in der Wohnung züchten
Den zweiten Platz belegte das Team EVA mit ­Tobias Albrecht, Beatrice Busch, Julian Dorn und Philipp Ries, die ebenfalls an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd studieren. EVA steht dabei für „evolution of agriculture“ und ermöglicht den Anbau gesunder Lebensmittel in den eigenen vier Wänden. Konkret heißt das: In einem dreiteiligen Modul können Microgreens (kleines Gemüse), Insekten (als künftiger Fleischersatz) oder Aquakulturen (Fische, Muscheln, Krebse oder Algen) gezüchtet werden.
Die Module schaffen optimale Bedingungen für eine schnelle Erntezeit und arbeiten nach dem Einlegen der Keime oder Eier vollkommen automatisch. „In Zeiten steigender Bevölkerungszahlen ist das Produktkonzept fantastisch. Es ist bis ins letzte Detail geplant und entspricht der Siemens-Designsprache“, erklärte ­Ronald Wassenaar.

Topf und Herd verschmelzen
Tilo Julian Krüger und Pelle Luca Dwertmann von der Fachhochschule Potsdam entwickelten mit dem „Ambient Hob“ eine induktive Arbeitsoberfläche, bei der Topf und Herd verschmelzen. So bestimmt eine Drehbewegung des Topfes die Hitzestufe des Herdes, wodurch mechanische und uni-direktionale Steuerelemente entfallen.
Dabei ist „Ambient Hob“ nahezu grenzenlos variabel. Die induktive Fläche passt sich dem Bedarf an, dient zur Vorbereitung der Zutaten, als Esstisch oder Arbeitsplatz. Gekochte Gerichte können hier warm gehalten, elektrische Geräte geladen werden. Für ihre Idee erhielten die Potsdamer Studenten den dritten Preis. Carola Zwick lobte: „Das Team Ambient Hob hat den Mut zur Einfachheit. Das Produkt ist ohne Touchscreen oder App zu bedienen. Dazu überzeugte uns der funktionsfähige Prototyp.“

Preisgeld und Mentoringprogramm
Die drei Gewinnerteams erhalten Preisgelder von insgesamt 30.000 Euro. Dazu dürfen die Studierenden an einem Mentoringprogramm von Siemens Home ­Appliances teilnehmen. „Wir sind immer auf der Suche nach gutem Designernachwuchs“, erklärte Gerhard ­Nüssler.
Auch deshalb berief Siemens den Award ins Leben. Dabei stellte das Unternehmen an die Studenten komplexe Aufgaben: Sie sollten Konzepte für die Hausgeräte der Zukunft entwickeln. Im Fokus standen dabei nicht nur Fragen der Verbindung von Form, Technologie und Bedienung, sondern auch die Einbettung der Ideen in eine Zukunftsvision: Wie verändert sich unser Alltag? Welche Geräte und Funktionen werden wir (noch) brauchen? Und wie werden sie in das zukünftige Zuhause eingebunden sein? „Ziel des Awards ist es, mit frischen Ideen neue Standards zu setzen – und zu zeigen, wie die Marke Siemens den Weg von der Vision bis zur Umsetzung begleiten und ermöglichen kann,“ sagt Roland Hagenbucher, Geschäftsführer von ­Siemens Hausgeräte Deutschland.

Mehr als 40 Vorschläge
Bereits während der Entwicklungsphase gab die Design-Abteilung von Siemens Hausgeräte Feedbacks und unterstützte die Weiterentwicklung der Ideen. Für den Wettbewerb konnten sich interdisziplinäre Studententeams von der Fachhochschule Potsdam, der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd, der Hochschule Darmstadt und der Bauhaus-Universität Weimar bewerben. Die Entwicklungszeit betrug dabei lediglich drei Monate. Mehr als 40 Vorschläge gingen ein. In einer Vorauswahl im Januar wurden zwölf Finalisten ausgewählt. Die stellten vier Wochen später ihre Entwürfe während einer Award-Verleihung im Haus der Kunst in München aus. Beim Auswahlverfahren wurden beispielsweise Innovationsgrad, Produktdesign und Bedienbarkeit, Nachhaltigkeit, ökologische Qualität oder gesellschaftliche Relevanz bewertet.

Fortsetzung folgt
Christoph Kilian, Chief Brand Officer Siemens Hausgeräte, war genauso wie Gerhard Nüssler von den Entwicklungen fasziniert. „Wir werden den Award wiederholen. Das steht bereits fest. Vielleicht werden wir dann auch Award an Unis im europäischen Ausland ausschreiben“, so Kilian. „Wir haben hier eine ideale Bühne für die Ideen der Zukunft“, ergänzt ­Nüssler. Fest steht: Die Welt darf sich auf weitere Produktentwicklungen im Zukunftsszenario freuen.

www.siemens-home.de

Astrid Plaßhenrich


Meine Meinung
Kritisch hinterfragen

Kleiderschränke, die uns in Modefragen beraten und T-Shirt und Hose sofort ausdrucken. Drohnen, die für uns einkaufen. Module, die unsere gesamte Nahrung in der Wohnung züchten. Wollen wir das wirklich? Wollen wir künftig in einer Welt leben, in der die Technik und nicht der Mensch im Mittelpunkt steht? Sicherlich: Die Ideen der Studenten sind beeindruckend. Dennoch müssen sie auch kritisch hinterfragt werden.
Astrid Plaßhenrich
meinemeinung@kuechenplaner-magazin.de


Die weiteren neun Finalisten
Universal Kitchen:
Laura Heußlein und Frieder Urban von der Hochschule Darmstadt entwickelten mit der Universal Kitchen eine Systemküche, die sich variabel auf die jeweiligen Lebenssituationen einstellt. Getragen von einem Infrastruktur-System aus Fertigbauteilen, setzt sie sich modular aus Geräten – wie ein mobiles Kochfeld oder Arbeitsplatte – zusammen.
Dresser: Der Dresser ist ein digitaler Kleiderschrank, der zugleich Waschmaschine und Trockner ersetzt. Der Entwurf basiert auf der Idee, dass es zukünftig möglich sein wird, beliebige maßgeschneiderte Kleidung per 3-D-Druck anzufertigen. Robyn Günther und ­Pascal Löhl von der Hochschule Darmstadt würden durch dieses Gerät einen kompletten Kleidungskreislauf ermöglichen. Getragene Kleidung wird eingeworfen und in Textilgranulat zersetzt, anschließend gereinigt und sortiert.
Kitchen on demand: Jonathan Lanz und Dennis Wardzala (Hochschule Darmstadt) entwarfen eine reduzierte Küche für den urbanen Raum der Zukunft. Zentrale Schnittstelle ist dabei eine in die Wand eingelassene Lieferbox, die als Bindeglied zwischen innen und außen fungiert. Zudem deckt Kitchen on demand einfache Aktivitäten wie Anrichten, Mixen und Erwärmen ab. Dabei spielen leistungsfähige Kompakteinbaugeräte eine Rolle sowie kabellose Kleingeräte in Kombination mit frei beweglichen Induktionsplatten.
Pai: Pai ist ein persönlicher Assistent, der die Küche mit ihren smarten Geräten zum Leben erweckt. Als zentrales Terminal bündelt er deren Schnittstellen und Informationen zu einer Übersicht und vereinfacht die Steuerung durch intuitive Bedienung. Zusätzlich liefert Pai Rezepte und Anleitungen. Felix Thiel, Elias Suske und Ivo Erichsen von der Fachhochschule Potsdam entwickelten das kugelförmige Gerät.
Cut it: Diana Cota (Bauhaus-Universität Weimar) konstruierte ein superschnelles universelles Schneidwerkzeug, das fortschrittliche Laser-Technologie einsetzt, um ein breites Spektrum an verschiedensten Lebensmitteln zu schneiden.
Bluevide: Julian Haberstock, Tilman Herth und Leon Schlechtriem (Hochschule für Gestaltung, Schwäbisch Gmünd) entwarfen einen modularen Lagerschrank, der Vorratshaltung und Zubereitung kombiniert. Er setzt energieeffiziente Blaulicht-Technologie zur Verlängerung der Haltbarkeit ein und baut beim Kochen auf die Sous-vide-Garmethode. Wird eine warme Mahlzeit gewünscht, gibt das Gerät hochdruckvakuumierte Fertiggerichte von der Lager- in die Zubereitungszone weiter.
Green Kitchen: Is̛il Onursal und Maria Estel (Bauhaus-Universität Weimar) entwickelten einen Garten für Innenräume, der an den Kühlschrank angegliedert ist. Im Sinne eines ressourceneffizienten Gerätedesigns nutzt das Anbausystem die Wärme und Luftfeuchte, die das Kühlgerät nach außen abgibt. Ausgangsbausteine für die Zucht sind fertige Kapseln, die Samen und Nährboden enthalten.
Intelligent Wall System: Das System von Di Yang und Jing Zhao (Bauhaus-Universität Weimar) verbirgt die gesamten Abläufe und Funktionen einer Küche hinter einer LCD-Wand. Über diese Wand lassen sich sämtliche Geräte steuern, die dahinter variabel angeordnet werden können. Die Wand bietet zudem Anleitung und Hilfe, kann aber auch als dekoratives oder kommunikatives Element dienen.
Hive: Hive ist eine in die Außenwand integrierte Schnittstelle für Lebensmittellieferungen. Das System ermöglicht Lieferdrohnen das Andocken und Abladen, ohne dass persönliche Anwesenheit nötig wäre. Dank der zeitlosen sechseckigen Form lassen sich je nach Haushaltsgröße beliebig viele Waben kombinieren. Philipp Geuder, Sandra Henseler, Stefan Hintz (Team Future Appliances, Fachhochschule Potsdam) haben Hive entwickelt.



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