24.04.2017

Die Küchenbranche feiert sich mit Zuwachsraten, die der Markt seit der Wende nicht gesehen hat. Doch während es bei einigen Unternehmen Goldtaler regnet, fegt andernorts der Insolvenzverwalter die letzten Späne zusammen. Der Markt driftet auseinander wie nie.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER. Foto: Ostermann

Die jüngste AMK-Mitgliederversammlung hätte auch live im Ersten übertragen werden können: als Frühjahresfest der guten Laune. Doch Vorstandssprecher Dr. Oliver Streit ist nicht Florian Silbereisen und so blieb alles im Rahmen. Dennoch frohlockt die Branche, denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spielen ihr in die Karten. Von Konsumneigung über Einkommenserwartung bis Wohnungsbau – alles top. Die Durchschnittspreise der Durchschnittsküchen steigen unentwegt, und der Export brummt. Selbst Holland kommt wieder in Tritt. Doch was als Ganzes brilliert, entpuppt sich im Detail als kompliziert. Während die Großen der Branche immer schneller wachsen und auch mit dem Ertrag ganz gut dazustehen scheinen (was die Investitionen vermuten lassen), ringen mittlere und kleinere Marktteilnehmer zunehmend um Atem. Vor allem im Kreis der Küchenmöbelhersteller. Ende März musste Nieburg Küchen den Geschäftsbetrieb einstellen. 113 Mitarbeiter standen fast über Nacht vor der Tür. Bei den Edelmarken der La Cour-Gruppe hat zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe immer noch der Insolvenzverwalter das Sagen. Obwohl es, wie man hört, „ganz gut“ aussehen soll und die Verantwortlichen zuversichtlich seien, dass es mit einem Investor weitergehen kann. Auf jeden Fall läuft der Betrieb bei zeyko, allmilmö und Nolff zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe trotz des Insolvenzverfahrens weiter.
„Wie konnte es nur soweit kommen?“, fragt sich mancher. Betroffenheit wogt durch den Markt, denn Hersteller wie die genannten, sind einem über die Jahre ans Herz gewachsen. Was auch für Alno gilt, wo aber kaum noch jemand durchblickt. Doch emotionale Bindung allein genügt nicht, wenn andere Marktteilnehmer ihre Abläufe immer weiter perfektionieren, ihre Kosten minimieren und Eigenmarken wie die Pilze aus dem Boden schießen. „Konzentriert euch“, hallt es schließlich seit Jahren wie ein Mantra durchs Land, und wer mit dem Küchenverkauf Geld verdienen will, kommt an der Beschäftigung mit diesen Konzepten nicht vorbei. Für Hersteller, die mehr auf historisch gewachsenen Charme setzen als auf ausgefeilte Prozesse in Technik, IT, Betriebswirtschaft, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, wird die Luft dünn.
Mit dem Hinweis auf die Auswirkungen der Konzentration soll selbstverständlich nicht den Einkaufsverbänden der Schwarze Peter zugeschustert werden, denn eine Küchenwelt ohne Kooperationen hätte Tücken ganz anderer Art. Eine Industrie außer Rand und Band mag sich niemand im Handel vorstellen. Dennoch ist es Realität, dass von der Eigenmarkenpolitik der Verbände bevorzugt die Marktführer der jeweiligen Branchensegmente profitieren und auch dadurch die Großen immer größer werden. Ausnahmen bestätigen wie stets die Regel. Dass Gerätehersteller, Arbeitsplattenspezialisten und Zubehöranbieter immer umfangreichere Happen vom Küchenbudget für sich beanspruchen und diese auch bekommen, erhöht den Druck aufs Holz zusätzlich.
Und was hört man aus dem Kreis der so in die Bredouille geratenen Zunft der Küchenmöbelhersteller? Verallgemeinernd gesagt: meist wenig, manchmal nichts. Die Kommunikation mit dem Fachhandel und den Endkunden wird von vielen Unternehmen nicht zeitgemäß gestaltet. Oft sind gar keine Strukturen vorhanden, mit der Öffentlichkeit professionell in Kontakt zu treten. Dabei wäre es angesichts der Dominanz mancher Kollegen und der Handelsverbände so wichtig, die eigenen Stärken und Ideen in die Welt zu tragen, um zu zeigen, was einen so besonders macht – um eben nicht einfach mal so ausgetauscht zu werden. Die verhaltene Beteiligung am Messe- und Mediengroßereignis LivingKitchen ist ein Kriterium für diese Beobachtung. Weitere sind die Web- und Social Media-Aktivitäten und der überaus eingeschränkte Dialog mit und über die Fachmedien. Fast schon an Ignoranz grenzen die Reaktionen auf die branchenübergreifende Marketingaktion „Tag der Küche“. Dass AMK-Vorstandssprecher Roland Hagen­bucher auf der Mitgliederversammlung des Industrieverbandes kritisch anmerkte, dass es sich um den „Tag der Küche“ handele und nicht um den „Tag des Geräts“ oder den „Tag des Zubehörs“, spricht Bände.
An der „Konzentration“ im Markt kommt niemand vorbei. „Kommunikation“ hingegen lässt sich gestalten, meint

 
Dirk Biermann, Chefredakteur

 

PS: „Wie Küchenspezialisten von Social Media profitieren können.“ So lautet das Thema des 1. KÜCHENPLANER-Webinars, das am 1. Juni mit dem Experten Bernd Pitz stattfindet. Melden Sie sich kostenfrei an. Details dazu auf Seite 15.



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