27.09.2017

Aufmerksamkeit: Das Gold des 21. Jahrhunderts

„Nur wer seinen Kunden ehrlich zuhört und aufmerksam postet, liked und kommentiert, wird online gewinnen.“ Das sagt Jon Christoph Berndt, Autor des bemerkenswerten Buches „Aufmerksamkeit – Warum wir sie so oft vermissen und wie wir kriegen was wir wollen.“ Für den KÜCHENPLANER erläutert Berndt, was er damit meint.

Anhand scharfsinniger Beobachtungen sensibilisiert Jon Christoph Berndt uns für diesen Faktor, der im gesellschaftlichen Miteinander immer entscheidender wird. Und zeigt auf, wie wir alle vom neuen Umgang mit der Aufmerksamkeit profitieren – privat, geschäftlich und gesellschaftlich. Er beschreibt sie als unterschätzten und vernachlässigten, dabei aber ganz entscheidenden Erfolgstreiber. „Aufmerksamkeit: Warum wir sie so oft vermissen und wie wir kriegen was wir wollen“, 2017, Econ Verlag, 224 Seiten, € 16.99.

Autor, Berater, Redner: Jon Christoph Berndt (Foto) ist Spezialist für Profilierung und Vermarktungserfolg. Mit der brandamazing Managementberatung verschafft er Unternehmen und Menschen mehr Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist er Vortragsredner, Gesprächspartner für TV, Presse und Radio, Autor zahlreicher Bücher und Dozent an der Universität St. Gallen. www.brandamazing.com / www.jonchristophberndt.com

Nur wer seine Kunden wirklich versteht, bekommt die Likes – das heutzutage wichtigste Bindungsinstrument für Unternehmen und Privatpersonen. Dass Menschen Posts liken, teilen und kommentieren, ist wichtiger denn je. Für den besten Eindruck ist es dabei immer wesentlich, wertvoll zu kommunizieren statt sinnlos zu senden. Der Schlüssel liegt darin zu wissen, welche Inhalte Online-Freunde wirklich interessieren. Aufmerksames Beobachten und Analysieren entscheidet über den Erfolg von Social Media: Nicht Marken mit dem meisten Content sondern diejenigen mit dem treffenden Content gewinnen das Rennen um die Aufmerksamkeit ihrer Follower. Sie ist in der heutigen Multi-Optionengesellschaft, die überladen ist mit Werbebotschaften und Angeboten, die härteste Währung der Welt.

Zuhören und Teilen
Im sogenannten kollaborativen Zeitalter angekommen, steht die Gemeinschaft im Fokus. Wahre Gemeinschaft lebt vom Zuhören und Teilen. Der zeitgenössische Community-Gedanke beeinflusst nicht nur die Art und Weise, wie Unternehmen geführt werden – zusehends „bottom-up“ (von der Basis nach oben) statt wie früher fast ausschließlich „top-down“ (streng hierarchisch von oben nach unten); er bestimmt auch immer mehr die Kommunikation: Das Internet ermöglichte es einst, dass Sharing-Portale wie couchsurfing.com und airbnb.com das Teilen beflügelten. Inzwischen werden auf diesem Weg Wohnungen, Büros, Kleider und Werkzeuge ganz selbstverständlich geteilt und getauscht.

Auf Augenhöhe mit den Kunden
Um online nicht bloß Kunden, sondern vielmehr echte Fans zu haben, teilen besonders erfolgreiche Unternehmen jetzt auch ihre Ansichten und Informationen – und zwar auf die beste Art und Weise, gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit der Crowd. Sie schaffen das, indem sie ihre Angebote mit relevantem und unterhaltsamem Content verknüpfen und diesen mit einfühlsamen berührenden Geschichten erzählen. Auf diese Weise binden sie mit der Zeit ihre Follower über die so profanen Vorgänge des Habenwollens und Kaufens weit hinaus an sich. Im Zusammenspiel mit neuen Instrumenten wie hoch fragmentierten Communities für Gleichgesinnte, die sich offline wie online vernetzen und über unterschiedlichste Kanäle miteinander kommunizieren, entstehen so ganz neue, ganzheitliche Online-Erlebniswelten.

Nur echtes Zuhören zählt
Damit Botschaften in den Social Media so interessant wie glaubwürdig sind (und dadurch Angebote begehrlich machen), braucht es vor allem eines: echtes Zuhören. Nur wer seinen Kunden das Gefühl gibt, mit all ihren Bedürfnissen wirklich gehört zu werden, darf damit rechnen, dass ihm das wichtigste entgegengebracht wird, das der Konsument zu bieten hat: seine Aufmerksamkeit. Bei ihr handelt es sich um eine begrenzt vorhandene Ressource. Sie wird angesichts der immer zahlreicher werdenden „Beachte mich!“- und „Kauf mich!“-Botschaften immer noch kostbarer. Da genügt es beispielsweise lange nicht, die Crowd einfach online über ein neues Produkt abstimmen zulassen. Es ist sogar kontraproduktiv, wenn das Verfahren nicht vollkommen transparent und nachvollziehbar ist: Henkel passierte das mit dem Geschirrspülmittel Pril. Den Designwettbewerb für die neue Flasche gewann der Entwurf mit dem Slogan „Schmeckt lecker nach Hähnchen!“. Henkel veränderte daraufhin die Bedingungen, um diese Flasche im Regal zu verhindern. Aus dem gut gemeinten und schlecht umgesetzten Zuhörprojekt wurde schließlich ein Shitstorm-Desaster. Dabei ist es nicht allzu schwer, online mit wertschätzend entgegengebrachter Aufmerksamkeit zu punkten. Was es dafür braucht, sind vor allem

  • der Wille, sich wirklich mit den Befindlichkeiten und den Anliegen der potenziellen Kunden zu beschäftigen,
  • die Zeit und die Muße dafür, es tatsächlich auch zu tun,
  • die entsprechende mediengerechte Markenbildung und Kommunikation.


SSP schlägt USP
Der online formulierte Alleinstellungsanspruch für ein Produkt oder eine Dienstleistung mittels eines klassischen USP (Alleinstellungsmerkmal) hat sich überlebt. Nicht nur wird es immer schwieriger, einzigartige Eigenschaften überhaupt festzustellen; vor allem geht es nur noch nachrangig um bloßes Verkaufen, wie wir es bisher kennen. Es ist zwar immer noch Ziel und Zweck des Handels, aber bei Weitem nicht länger der einzige. Zusehends sind Prozesse und Aktivitäten vorgeschaltet, die das spätere Verkaufen erst ermöglichen. Diese sind im gesellschaftlich-sozialen Bereich angesiedelt: Schnödes Anbieten mag noch dafür ausreichen, den einen oder anderen Käufer zu finden; Fans gewinnt man damit jedoch sicher nicht.
Unternehmen, die das erkennen und sich darauf einstellen, formulieren statt eines USP den SSP – den Social Selling Point: Was tun wir so aktiv wie nachvollziehbar wie glaubwürdig dafür, dass es der Gemeinschaft ein bisschen besser geht? Der starke SSP ist Teil einer Marken-Positionierung, die sie zukunftsfest macht. Mit ihm machen sie deutlich, dass auch aus ihrer Sicht der „­Tipping Point“ näher kommt. Er bezeichnet den Moment, in dem die lange Zeit geradlinig verlaufene Entwicklung – immer mehr Ware für mehr Umsatz und Gewinn verkaufen – kippt. Je mehr Unternehmen dieser Ansicht sind, desto mehr sind sie bereit dazu, entsprechend zu denken und zu handeln. Daraus wird eine Bewegung, die die Käufer als neue Hinwendung zum „König Kunde“ goutieren und honorieren werden. Darin steckt enormes Potenzial gerade für das Verkaufen im Internet. Hier werden die sich verändernden Einstellungen und Verhaltensweisen bei denjenigen Unternehmen spürbar, die bewusst vorausgehen und sich vor allem auch dadurch als aufmerksame Zuhörer profilieren.

Emotional verpackte Infos

Wer auf dieser Basis online um die Ecke denkt und handelt und damit anders ist als alle anderen, hebt sich ab. Er lässt der allgemeinen Forderung nach „disruptivem Handeln“ bemerkenswerte Taten folgen. Das macht ihn auch interessant für die Berichterstattung in den Medien. Auf dem Informationsmarkt geht es immer und überall um mitteilungswürdige Inhalte, Inhalte und nochmals Inhalte. Die Kunst liegt darin, hier den Nerv der Zeit zu treffen und emotional verpackte Informationen anzubieten, die spannend und echt daherkommen und den Absender nebenbei positiv darstellen. Wer das schafft, kriegt im Web die Likes, wird geteilt und kommentiert. Und bekommt damit geplant und zurecht etwas ab von der Aufmerksamkeit – der inzwischen härtesten Währung der Welt. Jon Christoph Berndt


7 Regeln für Aufmerksamkeit in Social Media
1. Höre aufmerksam zu
Jedes soziale Medium hat seine eigenen Regeln. Am besten befolgt sie derjenige, der sich zunächst bloß anmeldet – und dann erstmal zurückhält: schauen, was andere machen und lernen, was hier in welchem Tonfall angebracht ist.

2. Beweise, dass du etwas zu sagen hast
Beginne, dich zu beteiligen. Achte darauf, nicht in Beliebigkeit zu verfallen, wenn du deine Marken-Botschaft verkündest. Deine Informationen müssen immer korrekt sein, ganz ohne marketingübliche Übertreibungen.

3. Gehe strategisch vor
Mache einen Social-Media-Marketingplan. Das sorgt für Kontinuität und verhindert impulsives Posten „mal so und mal so“.

4. Schaffe Mehrwerte
Gib deinen (potenziellen) Kunden Informationen, die es ihnen leicht machen, dir zu folgen und deine Botschaften weiter zu verbreiten.

5. Fördere den Dialog
User stellen Fragen und wollen echte Antworten hören. Das schafft Verbundenheit. Aber nur, wenn Du auf jeden Post wirklich eingehst.

6. Kommuniziere schnell und regelmäßig
In einigen sozialen Medien werden schon Stunden wie ganze Jahre wahrgenommen. Auf Twitter erwartet man von dir mehrere Lebenszeichen pro Tag, auf Facebook eines am Tag, auf Xing eines alle paar Tage. Hier gilt: durchhalten!

7. Überprüfe die Wirksamkeit
„Fire and forget“ ist keine gute Strategie. Optimiere laufend deine Botschaften und sonstige Parameter wie Tonalität und Frequenz.



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