„Wir sind die Küchenbauer“
Steffen Widmer ist Küchenspezialist mit Leib und Seele. Dabei ist er Querdenker, Hinterfrager und kreativer Taktgeber. Und oft sprudelt er nur so vor Ideen für sein Lieblingsfachgebiet. Das kann inspirierend sein, manchmal aber auch fordernd und unbequem. Wenn er zum Beispiel sagt, dass die Küchenspezialisten mehr Rückgrat haben sollten sich selbst und ihren Industrielieferanten gegenüber, dann dürfte das mancherorts für verwundert zuckende Augenbrauen sorgen. Vom Querulantentum ist der 47-Jährige dennoch weit entfernt. Seine Vision ist positiv und vor allem konstruktiv: Nämlich das Berufsbild des Küchenspezialisten neu zu definieren. „Wir sollten gerade stehen und stolz sein auf das, was wir machen“, erläutert er und verdeutlicht seine These mit einem Beispiel aus der Musik: Der Küchenspezialist als Dirigent eines Orchesters aus Industrielieferanten, Handwerkern und Innenarchitekten.
„Die Küche? Die kommt vonGrambow & Widmer!“
Der Küchenmöbelhersteller im Orchestergraben? Diese Vorstellung mutet tatsächlich etwas gewöhnungsbedürftig an, denn im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Möbelproduzent oft mit dem Kücheneinrichter gleichgesetzt. In der Fachwelt und bei privaten Küchenkäufern. „Die Küche“ kommt dann von SieMatic, Leicht, nobilia, Häcker, Nolte, Schüller oder wem auch immer. Doch genau an dieser Stelle greift Steffen Widmer ein und wirbt für eine veränderte Sichtweise. „Die Möbel kommen von einem oder mehreren Produzenten, doch die allein machen längst keinen eingerichteten Küchenraum aus. Genauso wenig wie ein Hausgerätehersteller allein die Szenerie bestimmen kann. „Als Küchenspezialist bin ich Händler, Handwerker und Innenarchitekt und bediene mich dabei unterschiedlicher Systemlieferanten“, erläutert Widmer. Im Mittelpunkt stehe nicht „die Küche“, sondern „das Einrichtungsprojekt“ inklusive Wand, Boden und Beleuchtung. Und über all dem schwebt das, was sich der Kunde von der Neugestaltung seines Küchenraums verspricht. Steffen Widmer: „Um diese Bedürfnisse geht es, die wollen erforscht und hinterfragt werden.“ Einzelne Produkte sind dabei eher Nebensache. „Die Kunden wollen keinen Geschirrspüler, sondern schnell Ordnung auf der Arbeitsfläche“, sagt er, „und keine Dunstabzugshaube, sondern frische Luft.“
Und fast immer gehe es für die Kunden darum, Applaus für die neue Kücheneinrichtung zu erhalten. Von Freunden und der Familie. Diesen Wunsch erfüllt kein Möbelhersteller und kein Geräteproduzent, sondern allein der Küchenspezialist, der alles zusammenbringt. „Wir sind die Küchenbauer“, bringt Steffen Widmer sein Selbstverständnis selbstbewusst auf den Punkt. Oder anders ausgedrückt: Die Küche? Die kommt von Grambow & Widmer!
„Wir verstehen das Projekt als Produkt.“
Um das Zusammenspiel aller Komponenten im Sinne des Kunden optimal zum Leben zu erwecken, bedient er sich unterschiedlicher Quellen und hat dabei wenig Scheu, die Möbel und Geräte verschiedener Lieferanten zu mixen. Was er von seinen Stammpartnern nicht bekommt, lässt er selber fertigen. In diesem Punkt folgt Widmer einer klaren Linie. „Die Begeisterung des Kunden für seine neue Einrichtung ist das A&O, alles andere muss sich unterordnen.“ Dass er den Austausch mit den Industrielieferanten dabei als „eminent wichtig“ bezeichnet, macht auch deutlich, dass er sich nicht als Einzelkämpfer versteht, sondern als Teamplayer.
Das sieht sein Geschäftspartner Detlef Grambow, zweiter Inhaber des Küchenstudios „Grambow & Widmer“, auch so. Gegründet wurde das Schweriner Unternehmen 1992 von den Vätern Siegfried Widmer und Werner Grambow. Alno und Eschebach zählten zu den frühen Möbellieferanten, heute arbeiten die Söhne bevorzugt mit LEICHT, Sachsenküchen und künftig mit nobilia zusammen. Weitere wichtige Partner sind die Arbeitsflächenspezialisten Schwanekamp (Recklinghausen) sowie Wagner & Schönherr aus Salzwedel. Bei der Geräteauswahl kommen meist Miele, Gaggenau und Bora zum Zuge, allerdings sehr flexibel und im Mix. „Wenn ein Kunde eine bestimmte Marke favorisiert und ihn das glücklich macht, dann bekommt er die.“ Und wenn es der Qualität des Projektes nützt, werden gern auch „Exoten“ wie La Cornue oder Fisher & Paykel verplant.
„Eingeengtes Zielgruppendenken macht mich irre. Es kommt immer auf das konkrete Projekt an und nicht auf einen Kundentyp.“
Bei der Auswahl der Möbellieferanten folgt das Küchenstudio einer bewussteren Strategie: „LEICHT hat eine enorme Fertigungstiefe, bei Sachsenküchen ist mit guten Leuten viel in Bewegung und mit dem sehr kompakten nobilia-Baukasten können wir auch die Mitte des Marktes gut abdecken. Denn: „Jeder Kunde ist mit seinem Projekt einzigartig“, sagt Steffen Widmer, „und wenn es darum geht, mit einem begrenzten Budget eine solide Küche zu liefern, dann machen wir das selbstverständlich auch.“ Die Botschaft, die mit dieser Lieferantenstruktur verbunden ist, lautet: „Wir können anspruchsvoll und auch schon mal elitär, aber auch ‚gut und günstig’.“
Und doch führt ein Einrichtungsprojekt von Grambow & Widmer in der Regel zu einem deutlich höheren Umsatzvolumen, als es die deutsche Durchschnittsküche mit ihren statistisch ermittelten 6700 Euro erwirtschaften kann. Laut Steffen Widmer sind es durchschnittlich 20.000 Euro pro Projekt, wobei der Außenumsatz aller Nebengewerke im Mittel bei 7000 Euro liege. Der Anteil der Geräte am Gesamtumsatz schrumpft entgegen des Branchentrends hingegen zusehends. „Bis Ende des Jahres wollen wir den Geräteanteil auf unter 30 % bekommen“, berichtet Steffen Widmer. Denn die Margen sind beim Gerät geringer als beim Holz und dazu sind die Produkte mit Stecker zeitaufwendig weil erklärungsbedürftig sowie im Vergleich zum Möbel häufiger Quelle für kostenintensive Serviceeinsätze. Und weniger Budget fürs Gerät lässt eben mehr Spielraum fürs Gesamtprojekt.
Aktuell realisiert das Schweriner Küchenstudio rund 120 Projekte im Jahr und erwirtschaftet damit einen Bruttoumsatz von 3 Mio. Euro. Weiteres Wachstum sei willkommen, aber nur in Maßen: „150 Projekte“, nennt Steffen Widmer als oberste Marke. Mehr wolle und könne man nicht. „Warum auch?“, fragt er rhetorisch: „Die Qualität würde unweigerlich sinken und wir würden im Mittelmaß stecken bleiben oder uns an den Mainstream verkaufen.“
Gerade diese weit verbreitete Mainstream-Orientierung sieht er als ein großes Wagnis für Küchenspezialisten. „Wenn ich mich als Einrichtungsplaner auf die Rolle eines Konfigurators von Handelswaren reduziere, werden andere Vertriebsformen zu einer immer größeren Gefahr – vor allem der Online-Vertrieb.“ Denn, so fährt er fort: „Die Leute wollen eingerichtet sein, wer das am besten kann, kommt zum Zuge.“
„Unseren Kunden ist das einzelne Produkt zunehmend egal. Die wollen ein Ergebnis, das ihrem Lebensgefühl entspricht.“
Entsprechend werden im Küchenstudio Grambow & Widmer elementare Dinge auf eine eigene Weise gehandhabt. „Wir haben zum Beispiel keine klassischen Verkäufer“, nennt Steffen Widmer ein prägnantes Beispiel der Studioorganisation. Detlef Grambow und er führen die Kundengespräche und fertigen die Entwürfe. Die weitere Projektabwicklung und die Koordination der unterschiedlichen Gewerke vom Fliesenleger über den Tischler bis zum Maler übernehmen in Teamarbeit mit den Geschäftsführern die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Sachbearbeitung. Der gesamte Trockenbau wird in Eigenregie realisiert. Zehn Angestellte hat das Unternehmen, davon vier feste Monteure. Und auch Seniorchef Siegfried Widmer ist immer noch täglich für mehrere Stunden im Geschäft. Einen möglichen Projektverlauf skizziert Steffen Widmer so: „90 Prozent der Kunden kommen ins Studio und wollen erst mal nur das Mobiliar. Unser Job ist es dann herauszufinden, was ihn begeistert und was ihm wichtig ist. Wenn wir dann fragen, ob wir einen Entwurf mit unseren Ideen machen dürfen, sagen fast alle: „Ja, gerne.“ Budgets fragen wir dafür bewusst nicht ab, damit begrenzen wir uns nur selbst. Viele Kunden sind gedanklich und auch finanziell viel variabler als man denkt. Im Kern geht es darum, eine Idee zu entwickeln und diese im Kopf des Kunden einzupflanzen. Das Preisthema bleibt natürlich vorhanden, doch ist es nicht mehr so zentral. Und ist die Idee abgesegnet, setzen wir es mit den passenden Lieferanten und den geeigneten Materialien und Produkten um. Dann beginnen wir zu spielen und picken uns die Rosinen heraus, die besonders gut zu diesem konkreten Projekt passen. Wand, Decke und Boden beziehen wir immer häufiger mit ein. Ebenso die Elektroinstallationen.“
Steffen Widmer ist überzeugt: „Unser Selbstverständnis als Küchenspezialisten prägt jede Phase der Projektabwicklung.“ In diesem Punkt spricht er auch für seinen Geschäftspartner Detlef Grambow. Bedürfnisse zu erfragen, zu hinterfragen und umsetzen, seien die Kernkompetenzen dafür. Und ob dann die Geräte eher unsichtbar integriert oder als Design-Highlight inszeniert werden, ist weniger Ausdruck einer persönlichen Vorliebe der Planer, sondern orientiert sich an dem, was sich in diesem Fall und für dieses Projekt anbietet und sinnvoll ist. Querdenken halt. Dirk Biermann
www.ihrekueche.de