Konzepte und Design: Küchentrends 2018
Jetzt mal alle herzhaft gähnen: „Die Küche öffnet sich dem Wohnen.“ Diese Aussage wähnt der Fachkundige schon so häufig gelesen, gehört und selber gesagt zu haben, dass sie selbst in der zentralen Tiefschlafphase nachts um drei flüssig über die Lippen geht. Und doch ist es in diesem Jahr anders. Zwar sind manche Premiumanbieter unter den Küchenmöbelherstellern schon sehr weit in Sachen Wohnlichkeit, doch insgesamt scheint es, als habe die Branche das Thema bislang eher als Idee vor sich hergetragen, als es wirklich in sich stimmig in die Praxis zu bringen. Aber jetzt machen die Hersteller ernst und erkennen immer häufiger, dass es nicht genügt, drei Oberschränke auf Brusthöhe an die Wand zu schrauben und dieses Ensemble als schwebendes Highboard zu verkaufen. In den Programmen tauchen zusätzlich immer mehr Typen und Gestaltungslösungen auf, die eigens dafür gemacht sind, die wohnliche Eleganz des Mobiliars zu unterstreichen. In der Oberflächenbeschaffenheit sind die Möbel für die Küche von Möbeln fürs Essen und Wohnen ohnehin kaum noch voneinander zu unterscheiden. In der Optik und in der Haptik – aber auch in der Funktionalität und im Innenleben. Lichtkonzepte, hochwertige Arbeitsflächen, Regale und Nischengestaltungen, die sich als Wandvertäfelungen an anderen Stellen wiederfinden und so Verbindung schaffen, runden die Konzepte gekonnt ab.
In welchem Stil das umgesetzt wird, ist erst einmal zweitrangig, wenngleich natürlich wichtig. Viel zentraler ist aber, dass der offene Wohngrundriss in der Gesamtheit endlich auch optisch überzeugen kann, weil die Einrichtung innen wie außen im System aufeinander abgestimmt ist, ohne dabei langweilig zu wirken. Immer mehr Küchenmöbelhersteller sind in der Lage, Küche und Umfeld mit so einer leichten Selbstverständlichkeit harmonisch und doch spannungsreich zu inszenieren, dass den Wohnmöblern bange werden und sich der Handel fragen muss, ob es jetzt nicht doch Zeit wird, der Küchenmöbelmonokultur in Weiß entschiedener die Stirn zu bieten.
Hellgrau ist nicht die Lösung
Neue Wohnungen und Häuser werden heutzutage überwiegend „offen“ geplant, und wenn alles warm und wohnlich wirken soll, macht der Küchenblock in Meister-Propper-Manier immer weniger Sinn. Hellgrau ist dann auch keine Lösung. Außer natürlich im herkömmlichen separaten Küchenraum, den es immer noch zuhauf gibt. Dort, da muss man ehrlich bleiben, wirkt ein allzu hoher Anspruch an Wohnlichkeit schnell suspekt.
Doch zurück zum grenzüberschreitenden Wohnen: Die Idee, eine komplette Wohnung mit Küchenmöbeln aus dem Standardprogramm einzurichten, ist nicht neu. „Aber jetzt ist die Zeit dafür reif“, sagt zum Beispiel Sachsenküchen-Geschäftsführer Elko Beeg. Im Ausstellungszentrum KCL zeigte Sachsenküchen zur Küchenmeile ein 90 qm großes Single-Apartment als ganzheitliches und offen konzipiertes Wohnkonzept mit Wohnküche, benachbarter Esszimmer-Tafel, Wohnbereich, Schlafzimmer, Flur und Hauwirtschaftsraum. Und all das mit „Katalogware“ aus dem Standardsortiment umgesetzt. Mit viel Holz und schwarzen und weißen matten Oberflächen. Händler, die sich für die Idee der zusammenwachsenden Lebensbereiche begeistern können, fanden hier konkrete Anregungen für die eigene Studiogestaltung. Was für manche andere Ausstellung auf der Küchenmeile aber auch galt.
Anders als die Musterküchenkolonnen
Etwas auf einer Messe zu bewundern, ist eine Sache. Daraufhin in die eigene Ausstellung zu investieren, eine andere. Und doch scheint die Darstellung von möglichst kompletten Wohnszenarien gerade für Küchenspezialisten ein gangbarer Weg, um sich eindrücklich von den Musterküchenkolonnen in den Ausstellungen anderer Vertriebsformen abzuheben.
Stil? Egal! Hauptsache matt.
Der Anspruch an eine durchgängige Wohnlichkeit lässt sich sehr verschieden umsetzen. Drei Stilrichtungen sind derzeit besonders prägend: 1. „Industrial Style“, 2. „Skandinavian Look“ und 3. „Schwarz oder anders Dunkel“. Und das alles bevorzugt in matt und mit natürlichem Charme im Umfeld.
- Der „Industrial Style“ zeigt sich mit metallischen Oberflächen, Beton und Stein sowie Regalen mit mattschwarz eloxiertem Metall. Die Holzdekore sind munter und markant, ohne grob zu wirken. Es fällt auf, dass dieser Industrie-Look für die anspruchsvolleren Marktgefilde deutlich eleganter umgesetzt wird. Mit feineren Rahmenfronten und noch vornehmeren Regalen. Beton und Metalloptiken sind aber auch im Premium wichtig. Fronten mit gestaltetem Glas ebenso.
- Hell und entspannt wie ein lauschiger Mittsommer-Sonntagnachmittag aus dem Werbebilderbuch wirkt der „Scandi Look“. Umgesetzt mit natürlichen Materialien, pastelligen Farben und ruhigen Hölzern, die vertikal oder horizontal eingesetzt werden können – oder miteinander gemischt in einer Küche.
- Zu neuen Ehren kommt Schwarz in diesen Tagen. In den großen Räumen der offenen Grundrisse lassen sich ganze Küchenareale so gestalten, ohne dass es zu bedrohlich wird. Ganz im Gegenteil: mattes Schwarz wirkt außerordentlich elegant. Dunkelblau und Dunkelgrün auch. Mit einem warmen Holzfurnier als Partner passt es auch wieder mit der Wohnlichkeit.
Schwarz erlebt aber nicht nur auf der Front eine modische Wiedergeburt. Griffe und andere metallische Teile zeigen sich fast durchgängig „schwarz eloxiert matt“. Was auch für das Zubehör und die Gestaltung rund um die Spüle gilt. Herkömmliches Edelstahl ist deutlich auf dem Rückzug in der aktuellen Küchengestaltung oder wird ganz bewusst in höchster Qualität eingesetzt, zum Beispiel als markante Armatur oder edles Arbeitsplattendesign. Das Plattendesign selbst macht sich in vielen Messeplanungen zunehmen dünn oder zeigt sich individuell und kreativ im Materialmix.
Aufregende Materialien
Die Oberflächenspezialisten im Markt können also aufatmen: Endlich werden ihre Leistungen ganz offen gewürdigt. All die Arbeit, die nötig war, bis die Eiche-Nachbildung so aussieht und sich vor allem anfühlt wie die Schnitzerei aus dem ursprünglichen Stamm, bekommt jetzt einen Sinn. Ebenso die langwierige und teure Entwicklung von Fronten, die Fingertapsern die kalte Schulter zeigen. Und Farbe erhält auch jenseits der quietschigen Einstiegsküchen eine tragende Rolle als stilprägender Kombinationspartner.
Das Gerät hört zu
Schwarz ist auch im Gerätedesign allgegenwärtig. Meist natürlich als Schwarzglas oder in der matt schimmernden Edelstahlqualität „Black Steel“. Das ist zwar eine Entwicklung, die schon seit einigen Jahren zu beobachten ist, gegenwärtig wird sie aber immer feiner und oft auch grifflos verwirklicht. Dass derart anspruchsvoll in Form gebrachte Produkte hinter großflächigen Möbeltüren (Pocket doors) versteckt werden, mag man bedauern, ist aber dem Megatrend der Wohnlichkeit geschuldet.
Darüber hinaus feilen die Gerätehersteller an ihrem Selbstverständnis und gehen mit Aspekten wie Vernetzbarkeit und Sprachsteuerung neue Wege in der Marktbearbeitung. Auf der IFA und zur Küchenmeile wurde deutlich, dass sich die Anbieter hier auf breiter Front warmgelaufen haben.
Welcher Nutzen für den Nutzer im Einzelfall daraus erwächst, wird sich aber weiterhin erst noch zeigen müssen. Auch, ob ein einheitlicher technischer Standard Chance auf Verwirklichung hat, oder sich der interessierte Küchenspezialist weiterhin mit Insellösungen abmühen muss.
Besteckschublade oder nicht
Einen vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben, scheint der Hype um den Muldenlüfter. Es gibt wohl keinen Hersteller, der nicht eine oder mehrere Lösungen für eine integrierte Kochfeld-Abluft-Lösung im Programm hat. Selbst berbel will sich nicht mehr allein auf Tochter homeier verlassen und hat eine eigene Version präsentiert. Natürlich fettfilterfrei. Derweil pocht Bora auf den Status „Wir sind das Original“. Was Gaggenau wiederum auch für sich in Anspruch nimmt.
Angesichts des kaum noch zu überblickenden Angebots an Muldenlüftern, wird der Blick unter die Glaskeramik immer interessanter, denn die Einbautiefe entscheidet, was vom Schrankinnenleben genutzt werden kann. Reicht die Bandbreite doch von 8 bis rund 20 cm. Die bedeutungsvoll anmutende Hamlet-Frage „Sein oder Nichtsein?“ könnte abgewandelt für den Küchenalltag also lauten: „Besteckschublade oder nicht?“. Und diese Information ist für das Kundengespräch alles andere als zum Gähnen. (Dirk Biermann)
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