25.09.2019

Bis zu 100 Kilo auf einer Fußmatte

Es gibt Ausstattungselemente, über die mag manch ein Küchenbauer kaum noch sprechen. Weil sie so gewöhnlich scheinen und vielleicht sogar etwas in Vergessenheit geraten sind. Was eine Fehl­ein­schätzung sein kann, wie das Beispiel Apotheker­aus­zug zeigt. Denn viele Kunden lieben den Apotheker. Und von der Praktikabilität ist der Klassiker unter den Schrankausstattungen aktueller denn je.

Foto: Kesseböhmer

Aus den Anfangstagen. TÜV-Prüfung inklusive. Foto: Kesseböhmer

Mit „Arena style“ hält das Flachband Einzug und die Optik gewinnt an Eleganz. Foto: Kesseböhmer

Einfach montieren und justieren – mit „ClickFixx“ und „3D“-Frontjustage. Foto: Kesseböhmer

„Dispensa“ mit „Arena classic“-Ausstattung. Foto: Kesseböhmer

Rundum geschlossene Tablare („ArenaPure“) und durchgehende Rückwand („Dispensa Edition“) – so setzt sich der wohnliche Anspruch der Küche hinter der Front fort. Foto: Kesseböhmer

„Dispensa junior III“ heißt der Apotheker für den Unterschrank. Hier mit dem flexiblen Organisationssystem „YouBoXx“. Foto: Kesseböhmer

2019 auf der ­interzum: In der „Smart ­Urban ­Kitchen“ veranschaulicht ­Kesseböhmer die effiziente Nutzung des Stauraums auf kleinstem Raum – und welchen Anteil Apotheker­auszüge daran haben können. Foto: Kesseböhmer

Bei Kräuterbonbons wissen wir reiferen TV-Zuschauer genau, wer sie erfunden hat. „Die Schweizer waren’s“. Doch woher stammt eigentlich der Apothekerauszug? Wer hat den erfunden? Klar, das Ordnungssystem wird in der Apotheke seinen Ursprung gehabt haben, das legt die Bezeichnung nahe. Doch wer hat ihn in die Küche gebracht? Und wann? Und wie haben sich Technik und Design im Lauf der Jahre gewandelt? Die Spurensuche zur Evolution des Apothekerauszugs führt zu ­Kesseböhmer. Dort ist seit vielen Jahren der „Dispensa“ beheimatet. Und mit ihm leidenschaftliche Vertreter dieser Art der Schrankausstattung. ­Kesseböhmer und der Apothekerauszug – das ist, so der Eindruck von außen, eine vertraute und über die Jahre gewachsene Liebesbeziehung, die noch einige Jahre gedeihen dürfte.

Premiere auf der Interzum 1977
Schon seit den 1970er-Jahren ist der Apothekerauszug ein Thema in Dahlinghausen. Zur Interzum 1977 feierten „Moderne Drahteinbau-Systeme“ Premiere und wurden im damaligen Messekatalog als „variable Hochschrankauszüge für alle Schrankbreiten von 300 bis 600 mm“ beworben. Mit diesem Engagement zählt das Unternehmen zu den Pionieren beim Einsatz des Apothekerauszugs in der Küche. „Aber wir waren nicht die einzigen, die sich damals damit beschäftigten“, räumt Klaus ­Mittelkrämer ein und verweist auf seinerzeit parallel vorangetriebene Entwicklungen bei Unternehmen wie Hettich, Vauth-Sagel, Krause und Pelly.
Klaus Mittelkrämer, heute Exportmanager im Unternehmen mit Verantwortung für die Regionen Benelux, Italien, Österreich, Schweiz und Osteuropa / Russland, arbeitet seit 1978 bei ­Kesseböhmer und kann sich an den Karrierestart des „­Dispensas“ (der damals aber noch nicht so hieß) und viele Meilensteine der Entwicklung erinnern als sei es gestern gewesen. Allerdings kennt auch er die ganz frühen Anekdoten nur vom Hörensagen. So soll bereits Ende der 1960er-Jahre Hubert van Helvert, damals Außendienstler beim belgischen Unternehmen van Opstal, auf Kesseböhmer-Exportleiter Klaus Lemke zugegangen sein. Mit der Idee: „So ein Apothekerauszug gehört in die Küche – ist das nicht was für euch?“ In Dahlinghausen wurden das Prinzip und dessen mögliche technische Umsetzung im Küchenumfeld genau geprüft. Und natürlich wurden die Marktchancen sorgfältig abgewogen. Mit positivem Ergebnis. Es konnte also losgehen mit den „Modernen Drahteinbau-Systemen“.

Immer weiter modernisiert
Angesichts der diversen Aktivitäten weiterer Unternehmen zum Thema nimmt ­Kesseböhmer keineswegs für sich in Anspruch, der Erfinder des Apotheker­auszugs in der Küche zu sein, sieht sich aus heutiger Perspektive aber selbstbewusst als Marktführer bei Aspekten wie Innovation und Volumen. „Wir haben wie kein anderes Unternehmen die Bedeutung des Apothekerauszugs vorangetrieben und die Technik in Zusammenarbeit mit unseren Kunden ständig modernisiert“, sagt auch Thomas Herden, Vertriebsleiter Deutschland bei Kesseböhmer. Bei der Frage nach den prägenden Vorteilen des Apothekers zögert er keinen Wimpernschlag: „Viel Stauraummöglichkeit auf minimaler Grundfläche, sofortiger Zugriff und gute Übersicht.“ Lediglich 0,15 Quadratmeter Fläche nehme der Apothekerauszug in Anspruch. „Das entspricht dem Platzbedarf einer Fußmatte“, erläutert Thomas ­Herden. Apotheker und Fußmatte – das wirkt. In Verbindung mit einer weiteren Information verdichten sich diese beiden Begriffe zu einem stabilen inneren Bild. Denn die durchgehende System-Traglast des Hochschrank-Auszugs beträgt 100 Kilogramm. Egal für welche Schrankbreite. Den „Dispensa“ gibt es in unterschiedlichen Maßen, am gängigsten sind die für 30er-, 40er- und 45er-Hochschränke, in manchen Exportmärkten auch in der 60-cm-Variante. Hinzu kommt seit 2010 für Schrankbreiten ab 45 cm die „Convoy“-Familie, mit der Kesseböhmer das Apothekerprinzip maßgeblich weiterentwickelte. Und das besonders design­affin mit noch mehr Komfort. Beim „Convoy“ lassen sich die ­Tablare stufenlos verstellen, auch im beladenen Zustand. Beim klassischen Apothekerauszug gibt es hingegen fixe Ansatzpositionen für Tablar oder Korb. Die Spitzenmodelle „Convoy Premio und Lavido“ erlauben sogar den Zugriff aufs Staugut von drei Seiten.

„Absolutes Zukunftsthema“
Die Entwicklung der „Convoy“-Beschläge aus dem bewährten Apotheker-Prinzip heraus ist nur einer der prägenden Meilensteine in der Evolution des Apotheker-Auszugs bei Kesseböhmer (siehe auch folgende Doppelseite). Weitere wichtige Stichwörter dieses Prozesses sind unter anderem die verschiedenen „Arena-Tablare“, „ClickFixx-Montage, „3D-Frontjus­tage“, „Synchromatic“, „Ein- und Auszugdämpfung“ oder „Dispensa junior III“, der Apotheker für den Unterschrank. Aber auch das flexibel positionierbare Organisations-System „YouBoXx“. In der Summe hat der aktuelle „­Dispensa“ kaum noch etwas mit dem Premierenmodell gemeinsam – außer dem Grundprinzip. Auf der interzum 2019 vor wenigen Wochen zeigte Kesseböhmer in der „Smart Urban Kitchen“, was der Klassiker unter den Schrankausstattungen heute alles zu leisten vermag. „Alles drin auf 6 m2“ lautete die Messe-Botschaft. Denn die Komprimierung von Stauraum ist angesichts des globalen Trends zur Verstädterung menschlicher Lebensbedingungen ein großes Zukunftsthema. Da kommt die Geschichte mit der Fußmatte und den 100 Kilos gerade recht.

In den Ausstellungen zeigen
Das sollten nach Ansicht von Thomas Herden auch die Küchenmöbelhersteller in ihren Ausstellungen weiter aktiv nutzen. „Unsere Marktbeobachtungen zeigen, wie beliebt der Apotheker-Auszug bei Endverbrauchern ist und dass er immer wieder gerne als Standard­ausstattung in der neuen Küche geplant wird. Wenn der Hochschrankauszug weiter in den Ausstellungen der Hersteller integriert wird, behält auch der Handel das Thema in der Aufmerksamkeit.“ Was den Bedürfnissen vieler Kunden entsprechen dürfte.
Um die Leistungsfähigkeit und Attraktivität der Apotheker-Auszugtechnik ganz praktisch zu veranschaulichen, unterstützt Kesseböhmer Industrie und Handel schon seit geraumer Zeit mit speziellen Deko-Paketen. Diese „Clever Storage“-Ausstattungen sind echte Blickfänger und machen deutlich: Der Apotheker mag mehr als 40 Jahre alt sein, in Vergessenheit geraten ist er deshalb noch lange nicht. Ganz im Gegen­teil. So bleibt schlussendlich die Frage nach der Urheberschaft. Recherchiert wird diese natürlich zeitgemäß online... „Apothekerauszug + Erfinder“... doch selbst das scheinbar allwissende Netz hüllt sich dazu in Schweigen. Vielleicht waren es auch einfach wieder die Schweizer.

Dirk Biermann


1977 bis 2019 Meilensteine der Entwicklung

1977. Auf der interzum präsentiert Kesse­böhmer erstmals Hochschrankauszüge mit herausnehmbaren Drahtkörben.

1981. Die Teilauszüge werden durch Vollauszüge ersetzt.

1987. Ein besonderer technischer Fortschritt: Der mittig geführte Tragrahmen erlaubt die beidseitige Entnahme des Stau­guts. Das fördert auch die Optik. Bis dahin war der Tragrahmen immer im Blickfeld.

1993. Vorstellung von „Dispensa ­diagonal“.

1995. Kesseböhmer investiert in die Tablarfertigung und bringt zusätzlich zu den herkömmlichen Drahtkörben den „­Arena Classic“, ein geschlossener Holzboden mit Runddraht. Die Tragfähigkeit liegt bei 20 Kilo pro Tablar.

2001. Der TÜV Rheinland bescheinigt dem inzwischen als „Dispensa“ bekannten Apothekerauszug in einem Anwendertest die Einschätzung „sehr empfehlenswert“. In diesem Jahr wird auch die „Depot-Line“ eingeführt. Dabei handelt es sich um Kunststoffboxen zum Einhängen in den Apothekerauszug.

2002. Die „Arena“-Böden erhalten eine Antirutsch-Beschichtung. „Arena Plus“ heißt die Neuheit.

2003. Auf der interzum wird der schwenkbare Hochschrankauszug „­Dispensa swing“ als Konzeptstudie vorgestellt.

2007. Die „Arena“-Tablare bekommen eine Flachband-Umrandung. Erst aus Metall („Arena style“) und zwei Jahre später folgt eine Variante mit einsteckbaren Glas-Elementen („Arena vario“). Damit können Küchenmöbelhersteller ihre Produkte auf Wunsch nun noch variantenreicher individualisieren und ihre Sortimente preislich feiner differenzieren. Und das alles auf einer identischen Plattform.

2008. Bitte anklopfen: Die erste elektrische Öffnungsunterstützung („Touch­Control“) wird vorgestellt. Das System reagiert auf sanftes Klopfen an der Front.

2009. Weitere technische Entwicklungssprünge fließen in die Serienfertigung ein: die „ClickFixx“-Montage mit „3D-Frontjustage“ sowie Auszugführungen mit „Synchromatic“.

„ClickFixx“ und „3D-Frontjustage“ erleichtern die Montage vor Ort und vereinfachen die Produktion bei den Küchenmöbelherstellern, weil die Bauteile nun ohne zusätzlichen Produktions-Bypass im Bandtempo montiert werden können.
Dank „Synchromatic“ schließen die Apothekerauszüge nun dauerhaft zuverlässig. Die Entwicklung der Auszugführungen findet in eigener Verantwortung statt. Produzieren lässt Kesseböhmer bei Peka in der Schweiz. Beide Unternehmen verbindet eine langjährige freundschaftliche Geschäftsbeziehung.

2010. Mit der neuen „Convoy“-Familie bringt Kesseböhmer eine designorientierte Premium-Variante des klassischen Apothekerauszugs. Und das in drei Varianten: „Centro“, „Lavido“ und „Premio“.

2013. Einführung von „SoftStopp“: damit wird der Auszug nun sowohl in Auszugrichtung („SoftStoppPro“) als auch in Einzugrichtung („SoftStoppPlus“) gedämpft. Diese Komplettdämpfung ist in Deutschland mittlerweile Standard.

2013. „eTouch“ heißt die Nachfolgetechnik von „TouchControl“. Prädestiniert ist „eTouch“ für komplett grifflose Küchen in Push-to-open-Bauweise.

2015. „Dispensa edition“ fördert die wohnliche Optik des Schrank-Innenlebens. Kernelement ist eine geschlossene Rückwand, mit der sich Küchenmöbel und dessen Innenleben vielfältig individualisieren lassen. Auch im Dekor der Fronten.

2017. Mit „ArenaPure“ werden die Tablare noch geradliniger und rundum komplett geschlossen.

2017. Das flexibel positionierbare Organisations-System „YouBoXx“ ergänzt die seit vielen Jahren bewährte Depot-Line.

2017. Der Apotheker für den Unterschrank („Dispensa junior III“) feiert Premiere und wird gleich mehrfach mit Designpreisen bedacht.

2019. Auf der interzum 2019 zeigt ­Kesseböhmer in der „Smart Urban ­Kitchen“, wie gut der vorhandene Stauraum auf kleinstem Raum genutzt werden kann. Parallel werden „eTouch plus“ und der „­Dispensa ­junior slim“ vorgestellt.



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