29.10.2019

Im Herbst dreht sich die Küchenwelt bekanntlich um sich selbst. Und um die Frage: Was ist Trend? Antworten darauf gibt es mehrere, die tragfähigste erschließt sich mit ein bisschen um die Ecke denken: Es kommt immer häufiger auf das Wie an statt auf das Was.

Dirk Biermann

Für Küchenmöbelhersteller war es schon immer gewagt, sich zu sehr über Funktion und Optik zugekaufter Teile zu definieren. Auch wenn das viele Jahre ganz gut funktionierte, weil die Entwicklungssprünge bei den Zulieferern enorm und der Glanz, den diese Innovationen verströmten, groß waren. Doch dieser Kredit ist weitgehend aufgebraucht. Heute findet sich der gedämpfte Selbsteinzug in jeder Studentenbude, die Anti-Finger-Print-Funktion der Möbelfront hat Preisgruppe 1 erreicht, und die Haptik einer dekorativen Oberfläche bietet kaum noch Anhaltspunkte für echt oder nicht. Dass alle Hersteller überwiegend aus dem identischen Pool zugelieferter Möglichkeiten schöpfen, verkompliziert die Lage weiter und öffnet die mentale Pforte zur Eingangsthese. Wobei deren Auflösung gar nicht so nebulös ist, wie es scheinen mag. Beim angesprochenen Wie geht es um Konzepte, die vorhanden sind – oder nicht. Und auch um das Image, das Unternehmen pflegen – oder nicht. Und immer häufiger um die definierte Haltung gegenüber Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und der Umwelt. Sie ahnen es: Auch die ist vorhanden oder auch nicht.

In dieser Hinsicht bot die Küchenmeile 2019 einige erfrischende Ansätze, die weit darüber hinausgingen, branchenübergreifende Entwicklungen auf ein neues Eiche-Dekor mit höherem Grau-Braun-Anteil zu reduzieren, oder auf die Frage, welcher Sinn im Schwarz liegt. Viele Unternehmen haben sich längst Gedanken gemacht, wie sie dem Diktat der Optik ein Schnippchen schlagen können. „Raumkonzepte vor Materialauswahl“ (Leicht) und „Geschmack ist keine Frage des Budgets“ (Nolte) sind zwei offensiv vorgetragene Beispiele für dieses Wie hinter dem Was. Die neu formulierte Strategie vom „Nutzen-Plus“ bei Blanco zielt in die ähnliche Richtung. Und auch das bislang von einer gewissen Schwammigkeit durchdrungene Thema „Nachhaltigkeit“ erhält durch ehrlich dokumentierte Umsetzungen endlich eine Tragkraft, über die sich Hersteller und Handelskunden unterhalten und Beziehungen pflegen können. Elko Beek, Geschäftsführer von Sachsenküchen, drückt den Sachverhalt so aus: „Anders zu sein heißt immer häufiger, Dinge anders zu machen.“ Dem mag man anfügen: Vielleicht mit den fast identischen Zutaten wie der Wettbewerber nebenan, aber doch in einem eigenen Stil. Auch die oft beschworene Individualität wird damit immer mehr zur Frage des Konzepts.

Die Unternehmen der Küchenindustrie stecken mittendrin in einem grundlegenden Wandel, der ihr Selbstverständnis auf die Probe stellt. Sie müssen nicht nur neue Produkte und Planungsideen vorstellen, sondern auch glaubhaft machen, wofür sie stehen und was sie als Lieferant und Arbeitgeber so besonders macht. Es mag vielleicht etwas Facebook-like wirken, doch die Herausforderung scheint darin zu liegen, Kunden mit Argumenten zu überzeugen und sie gleichzeitig emotional so anzusprechen, dass aus ihnen loyale Freunde des Hauses werden. Darum geht es wohl in einer Zeit, in der alles überall zu bekommen ist und dieses Alles im Zweifel immer eine Spur günstiger.

Wie das gelingen kann? Darüber gehen die Vorstellungen glücklicherweise auseinander – einander zuzuhören ist aber sicher von grundlegendem Wert. Veranstaltungen wie die Küchenmeile bieten dafür die allerbesten Bedingungen. Über Farb- und Dekortrends lässt sich dann immer noch plaudern.

Dirk Biermann

 

PS: Über die „Trends“ der Saison und darüber hinaus berichten wir auf den folgenden Seiten dieser Ausgabe und natürlich aktuell auf www.kuechenplaner-magazin.de sowie den gängigen Social-Media-Kanälen.



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