Viel Schönes
Denn schnelle Antworten können gefährlich sein. Wo soll ich beginnen? Wo enden? Was droht durchs Raster des subjektiven Geschmacks zu fallen? Doch irgendwann müssen Antworten gegeben werden. Wobei sich die Einschätzungen von Tag zu Tag verdichten. Aus Fragmenten zeichnet sich ein Bild und dies erhält eine Überschrift. In diesem Jahr lautet der Titel „Multifunktionalität“. Zugegeben: Es ist ein sperriger Begriff, der sich zudem spröde gibt und sein Wesen zu verbergen weiß. Dabei birgt er viel Lebendigkeit. Es geht ums Möbel und dessen Verwendung. Besser Verwendungen. Mehrzahl. Denn das Kastenmöbel herkömmlicher Machart bekommt zunehmend Konkurrenz. Ein Schrank, der darauf pocht, ausschließlich zur Beherbergung des guten Porzellans zur Verfügung zu stehen („das habe ich immer so gemacht“), setzt sich der Kritik aus und könnte schon bald der zusammenwachsenden Lebensräume verwiesen werden. Denn die monothematische Nutzung von Räumen verabschiedet sich aus der Lebens- und Wohnrealität vieler Menschen. Morgens werden sie so genutzt, abends so und nachts noch mal anders. Das liest sich in der Theorie flüssig, führt in der Praxis aber zu einer unübersichtlichen Ballung von Bedürfnissen, Wünschen und Anforderungen. Der in seinen Überzeugungen festgefahrene Porzellanschrank kommt dabei an seine Grenzen.
Das moderne Möbel zeigt sich zunehmend flexibel. Es bietet diversen Raum für Aufbewahrungen aller Art und nutzt, wenn möglich, jeden Kubikzentimeter seines Volumens. Das alles hat einen Sinn. Denn wie wir wissen, leben wir in Zeiten, in denen das Wohnen in städtischen Umgebungen finanziell bedenkliche Züge annimmt. Wohnraum ist teuer und wird deshalb in immer kleinere Einheiten geteilt. Multifunktionell nutzbares Mobiliar wird zum Gebot der Stunde.
In der umfassenden Trendbetrachtung rückt die Optik derzeit in die zweite Reihe. Hier stehen die Zeichen auf Kontinuität. Gedeckt, matt, Antifingerprint. So heißt es schon seit einigen Jahren. Farben wirken weiterhin natürlich, mit einem Faible für dunkle Nuancen. Im Premium auch gern reindunkel. Im Umfeld führt am matten Schwarz nichts vorbei. Allenfalls edelmetallischer Glanz. Doch auch hier schlägt die Funktionalität die bedeutsameren Pflöcke ein. Die Stufe in der Spüle wird zum Standard. Das hat einen Grund, denn diese kleine Kante schafft einen erheblichen Komfortgewinn. Das gilt für die so häufig zitierten kleinen Küchen, aber auch den großzügigen Planungen steht dieser Mehrwert gut zu Gesicht. Rund um den Wasserplatz kennt man den praktikablen Mehrfachnutzen ohnehin. Traditionell führt dieser bis in den Unterschrank, wo der Systemgedanke regiert. Eine aktuelle Entwicklung ist die gemeinsame Vermarktung von Spüle, Armatur und Abfalltrennung, teils auch der Wasserveredlung. Blanco hat das zur UNIT-Strategie erklärt, weitere Hersteller werden sicher folgen. Manche bereiten sich argumentativ bereits darauf vor. Eins steht fest: Das Thema birgt Potenzial. Die „Blockverrechnung“, so scheint es, ist nicht länger ein Exklusivthema der Küchenmöbelindustrie.
Viel Schwarz, viel Grau. Das dominiert im Umfeld und beim Gerätedesign. Die edle Wirkung, die so entsteht, ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Gesamtprodukt Einbauküche immer wertiger wirkt und auch so vermarktet werden kann. Ob die Vernetzung der Gerätetechnik zur weiteren Aufwertung beisteuern und ihren Status in der Konsumentengunst upgraden kann, steht gerade an einer interessanten Wegmarke. Vielleicht ist es sogar ein Wendepunkt. Denn mit Samsung und dem BSH-Konzern haben zwei Schwergewichte der Szene ihre Geräte und Apps gegenseitig kompatibel gemacht. Das könnte der Akzeptanz einen deutlichen Schub verleihen. Dass die Anbieter gemeinsame Schnittstellen schaffen, wird aber auch höchste Zeit. Weitere sollten folgen, wenn das Thema über die Gerätewelt hinaus groß rauskommen soll. Es bleibt spannend, wie Miele, AEG/Electrolux, Bauknecht/Whirlpool, Haier, Beko/Grundig und andere künftig agieren. Lieber weiter allein am eigenen Suppentopf oder doch in der kompatiblen Gemeinschaftsküche?
In dieser Ausgabe erwartet Sie Küchenmeile XXL. Es gibt viel Schönes zu entdecken. Versprochen. Das meiste davon ist sogar praktisch. Geradezu multifunktionell.
Dirk Biermann
Chefredakteur KÜCHENPLANER online/offline
PS: Und weil die gesamte Berichterstattung von der Küchenmeile 2021 nicht in ein Heft passt, berichten wir auch online auf www.kuechenplaner-magazin.desowie in der kommenden Ausgabe KÜCHENPLANER 12/2021.