Poggenpohl will zurück zum Aha!-Effekt
Am 24. April 2020 meldet der Küchenmöbelhersteller beim Amtsgericht Bielefeld den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, im Juni scheint es, als steige die britische Lux Group Holdings Ltd. in Partnerschaft mit der deutschen Unternehmerfamilie Wolf als Investor ein, im Juli folgt die Kehrtwende mit der Nachricht, dass aus der Lux/Wolf-Übernahme nichts wird und stattdessen Jomoo, ein Unternehmen aus China, den Traditionshersteller aus Herford erwirbt – und im August übernimmt Ralf Marohn die Leitung des Unternehmens als neuer Geschäftsführer und Nachfolger von Gernot Mang. Interessant dabei: Marohn ist Geschäftsführer der RWK & Kuhlmann Küchen GmbH in Löhne. Und wird dies weiterhin bleiben, wie er im Gespräch zur Küchenmeile erläuterte. Denn operativ sind bei kuhlmann die Verantwortlichkeiten schon seit einem Jahr klar definiert: Christian Reupke leitet den Vertrieb, Hilmar Fröhlich alle Belange rund um die Produktion. Beide verfügen über Prokura.
„Könnt ihr liefern? Ja, klar!“
So kann sich Ralf Marohn derzeit mit einem Großteil seiner Aufmerksamkeit auf die Situation bei Poggenpohl konzentrieren. Und auf die Kontakte zu den Handelskunden im In- und Ausland. Denn die trieb in den letzten Wochen oft eine ganz pragmatische Frage um: „Könnt ihr liefern oder nicht?“
„Ja, können wir, selbstverständlich“, lautet die Antwort. Und das sei auch nie anders gewesen. „Die Produktion lief trotz Insolvenz und Corona-Pandemie immer weiter“, zollte Marohn dem Insolvenzverwalter Manuel Sack von der Kanzlei Brinkmann & Partner allerhöchsten Respekt. Dass der neue Eigentümer Jomoo angesichts seiner chinesischen Herkunft in manchen Medien überaus kritisch betrachtet wurde, scheint ihn zu wurmen. „Wenn Jomoo nicht investiert hätte, würde es Poggenpohl nicht mehr geben“, stellt er klipp und klar fest. Dementsprechend sei der Erhalt von 280 Arbeitsplätzen in Deutschland – und 400 insgesamt – ein Riesenerfolg.
Kundenservice massiv ausbauen
Nun geht es für das Führungsteam in Herford also wieder mal um den Aufbau bzw. Erhalt des Vertrauens der Handelskunden. Und Ruhe ins Unternehmen zu bringen. Für Ralf Marohn ist Poggenpohl noch immer eine Marke mit Strahlkraft für die gesamte Küchenbranche. Und das soll selbstbewusst gelebt werden. „Wir wollen wieder den Aha!-Effekt schaffen“, kündigt der Geschäftsführer eine Offensive in der Produktentwicklung an. Das Prestige-Projekt „Porsche-Küche“ wird dabei wohl nicht weitergeführt. Oder wenn, mit einzelnen Stilelementen, aber nicht mehr als Lizenznehmer von Porsche Design. Die Verträge seien durch die Insolvenz hinfällig, erinnert Ralf Marohn.
Gleichzeitig kündigt er an, den Kundenservice massiv ausbauen zu wollen. Ein konkretes Bespiel nennt er aus dem Bereich Montage. So sollen eigene Montage-Teams aufgestellt werden, um die Handelskunden bei Spitzen und Engpässen ganz praktisch zu unterstützen. Aktuell werden in Herford mehrere neue Mitarbeiter gesucht, unter anderem um die Design- und Innovationsabteilung zusätzlich zu stärken.
Impulse aus dem Jomoo-Netzwerk
Dass der neue Poggenpohl-Eigentümer aus China kommt, hält Ralf Marohn vertrieblich betrachtet für zweitrangig. „Wir produzieren weiterhin am Standort Herford und betreiben von hier aus unsere Geschäftsbeziehungen – und das mit einem Führungsteam aus Deutschland“, sagt er. Diese Aussage lässt vermuten, dass er davon ausgeht, weitgehend selbstständig und ohne grundlegende Einflussnahme des Investors agieren zu können. Parallel dazu erhofft er sich vom Jomoo-Netzwerk zusätzliche Impulse. Denn das Unternehmen verfolge schon seit 30 Jahren eine strategische Markenpolitik und habe damit im Schwerpunktmarkt Bad große Erfolge erzielt. Da Kunden im Objektgeschäft Einrichtungen für Küche und Bad gern über einen einzigen Lieferanten abwickeln, lag es für Jomoo nahe, sich an einem renommierten Küchenmöbelhersteller mehrheitlich zu beteiligen. Beziehungsweise, wie jetzt geschehen, ihn komplett zu übernehmen. „Es ist immer gut, wenn ein Investor eigene Kunden mitbringt“, sagt Ralf Marohn und schweigt nach dieser Aussage einige Momente bedeutungsvoll. Was andeuten könnte, dass dies in der jüngeren Poggenpohl-Vergangenheit nicht immer so gewesen sein könnte. Abschließend stellt Marohn angesichts der Bad-Aktivitäten des Investors auch klar: „Poggenpohl bleibt eine Küchenmarke.“ Und abschließend: „Wir können Ziele nun strategisch in Angriff nehmen, weil die Budgets dafür da sind.“