Der Vorteil der „Swissness“
Frostige Stimmung bei V-Zug? Fehlanzeige: Der Schweizer Hersteller von Kücheneinbaugeräten hat zwar vor rund zwei Jahren in Sulgen das laut eigener Aussage „modernste Kühlschrankwerk Europas“ in Betrieb genommen und dafür rund 70 Millionen Schweizer Franken in den Standort Thurgau investiert. Langfristig scheint sich dieses kostspielige Engagement – genau wie der millionenschwere Bau des „Tech Clusters“ am Standort Zug – aber zu lohnen: „Swiss Made“ ist das Schlagwort der Stunde. Es ist ein Siegel, das V-Zug niemand streitig machen kann; nicht mal jene großen deutschen Hausgerätehersteller, mit denen sich das deutlich kleinere Schweizer Unternehmen seit geraumer Zeit messen und vergleichen lassen muss. In der Schweiz ist V-Zug, eigenen Angaben zufolge, führender Produzent von Kücheneinbaugeräten. In Deutschland möchte die Marke über kurz oder lang zumindest im Luxusgeräte-Segment an der Spitze stehen. Die „Swissness“ soll dabei zum Unikum werden.
„Swissness“ als USP
V-Zug nutzt das Schweizer Attribut nicht allein als Versprechen an ein Luxusgeräte-Segment, in dem Präzision, Funktionalität und eine ästhetische Definition von Design gefragt sind. Es sei zugleich ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, sagt Andreas Albrecht, Mitglied der Geschäftsführung und Leiter der V-ZUG Kühltechnik AG in Sulgen, im Gespräch mit dem Schweizer Unternehmermagazin „Leader“. Würde das Unternehmen seine Kühlgeräte in Osteuropa oder China produzieren, „dann [würden] wir ein vergleichbares Produkt machen und verlieren den USP, unsere Einzigartigkeit. Wir hätten den Vorteil der ‚Swissness‘ nicht mehr.“
Die Entscheidung für den Standort Schweiz dürfte zugleich im Angesicht der erheblichen Lieferschwierigkeiten zahlreicher Mitbewerber 2020 und 2021 auf dem europäischen Küchenmarkt beschleunigt worden sein. Ein Zeitraum, der zwar auch an V-Zug nicht spurlos vorübergegangen ist, der das Unternehmen jedoch vor allem in Deutschland dank hoher Nachfrage überdurchschnittlich hat wachsen lassen – immerhin war die Marke bei Backöfen, Kochfeldern und Kühlgeräten im Premiumsegment größtenteils lieferfähig. Dauerhaft muss V-Zug jedoch über sein Image und Produktportfolio punkten, denn zahlenmäßig ist der Schweizer Hausgerätehersteller den Schwergewichten von BSH oder Miele natürlich unterlegen. Zum Vergleich: Während Bosch am Standort Giengen rund 1,6 Millionen Kühl- und Gefriergeräte jährlich produziert, ist die neue Fertigungsanlage von V-Zug in Sulgen auf rund 145.000 Kühlschränke pro Jahr ausgelegt. V-Zug schafft dem in typischer Schweizer Manier Abhilfe: Man setzt auf Selbstbewusstsein in der Unternehmenskommunikation.
Von Arbon nach Sulgen
Auf „größtmögliche Nachhaltigkeit“ habe man das neue Kühlschrankwerk in Sulgen ausgerichtet, sowohl, was die Produkte als auch die Prozesse angehe. Tatsächlich hatte V-Zug 10 Jahre Zeit, um seine Kühlschrankproduktion grundlegend neu anzugehen: 2013 wurde die damalige Forster-Kühltechnik in Arbon, bei der V-Zug seit den 1970er-Jahren produzieren ließ, durch die V-Zug Kühltechnik AG übernommen. Das Schweizer Unternehmen war nun erstmalig selbst Hersteller von Kühl- und Gefriergeräten und hatte damit die Möglichkeit, sich entscheidend in die Produktentwicklung einzubringen. Das bisherige Gelände stand den neuen Möglichkeiten jedoch im Wege: Es war an langfristige Mietverträge gebunden und wurde seitens der ursprünglichen Arbonia-Gruppe nicht zum Verkauf angeboten. Um sein Unternehmenswachstum davon unabhängig zu machen und das Kühlschrankwerk auch technologisch aufzurüsten, entschied sich V-ZUG gegen eine Modernisierung des Werks und begab sich auf die Suche nach einem geeigneten neuen Standort. Dass die finale Entscheidung nicht zugunsten des Firmensitzes in Zug fiel, sei vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zuzuschreiben, die man 2013 in Arbon übernommen oder eingestellt hatte, sagt Andreas Albrecht im „Leader“-Gespräch. Zu diesem Zeitpunkt investierte V-ZUG bereits intensiv in den Aufbau einer personellen Expertise am bisherigen Standort. „Diese wertvollen Leute wollten wir behalten“, sagt Albrecht. In Sulgen wurde man schließlich fündig mit einer Produktionsfläche von 21.000 Quadratmetern Geschossfläche, die von den rund 150 Angestellten nach wie vor gut zu erreichen ist: Sulgen liegt nur rund 25 Autominuten von Arbon entfernt.
Dynamische Kühltechnologie
Größer ist nunmehr die Distanz zwischen alter und neuer Produktionswelt: Die Forster-Kühltechnik ließ noch bis 2013 statische Kühlschränke bauen, die mit einem direkten Kühlsystem aus Gas die erzeugte Kälte in den Innenraum des Geräts leiten. Während hierbei auf die richtige Lagerung von Lebensmitteln geachtet werden muss, weil kalte Luft nach unten sinkt und warme nach oben steigt, setzen dynamische Kühlgeräte heute auf Ventilatoren, die die Luft im Innenraum effizient umwälzen. Damit können Geräte besser auf Umgebungstemperatur und Beladung reagieren. V-ZUG setzt seit rund 10 Jahren auf dieses Prinzip und hat seit 2019 mit „PureCool“ ein Kühlsystem der neuen Generation in Betrieb genommen. Gleich mehrere kleine Ventilatoren lassen die Luft im gesamten Kühlraum aktiv zirkulieren. Weil dabei immer etwas Feuchtigkeit verloren geht, etwa Lebensmitteln im Kühlkreislauf entzogen wird – und sie dadurch schneller austrocknen lässt –, sammelt die „PureCool“-Technologie die Feuchtigkeit und führt sie in den Kühlraum zurück. „Die Frische der Lebensmittel wird damit sogar optimiert“, lässt V-Zug auf dem eigenen Unternehmensblog wissen.
Sicher: Die unterste Schublade für Obst, Gemüse oder empfindliche Fisch- und Fleischwaren ist immer noch der beste Aufbewahrungsort für kühl zu lagernde Lebensmittel. Im neu konzipierten Gerät des „CombiCoolers V4000“ bedarf es innerhalb der sogenannten „FreshControl“-Zone aber keiner manuellen Feuchtigkeitsregulierung mehr; stattdessen bietet das Kühlkonzept statische Luftzonen mit stabilen Temperaturen. Drei „ColdFresh“-Boxen bieten rund 0°C und eine Luftfeuchtigkeit, bei der „das Kühlgut bis zu dreimal länger frisch bleibt“, sagt V-Zug. Die verbesserte Haltbarkeit von Lebensmitteln und der damit verbundene – oder zumindest erhoffte – Rückgang von Lebensmittelabfällen sei einer der wichtigsten Punkte auf der Agenda gewesen in der Erforschung neuer Kühltechnologien.
Agenda „Nachhaltigkeit“
Mit dieser Einstellung bedient das Unternehmen einen seiner effizientesten Hebel in der derzeitigen Markenkommunikation: V-Zug setzt sich mit dem Thema Nachhaltigkeit aufmerksamkeitsstark und authentisch in Szene. Der Schulterschluss zur Schweiz dürfte da bei Kunden wie beim Handel unweigerlich helfen und Assoziationen zu unverbauter Natur, frischer Bergluft oder grünen Energiequellen auslösen. „Closing the Circle“ titelte das Unternehmen jeweils 2022 und 2023 auf seinem Stand auf dem Salone del Mobile in Mailand – und meint damit nicht nur die seit 2020 klimaneutrale Produktion, in die das Unternehmen kräftig investiert hat, sondern auch das Zurückführen einzelner Produktkomponenten in einen recyclingfähigen Kreislauf. „Bis 2025 wollen wir bei allen neu entwickelten Geräten eine Recyclingfähigkeit von 90 Prozent erreichen“, konstatiert V-Zug in seinem Nachhaltigkeitsbericht 2022. Ein hehres Ziel, und doch womöglich ein entscheidender USP, um sich im Kopf-an-Kopf-Rennen um nachhaltige Visionen auf dem europäischen Küchenmarkt abzusetzen. Die deutlich kleineren Produktionskapazitäten dürften da sogar von Vorteil sein. Es ist eine innovative Form der „Swissness“, die deutsche Marktbegleiter nicht unterschätzen sollten.
Wiederum: Ein recyclingfähiger Kreislauf ist das eine, eine gute Energieeffizienz das andere Kriterium in Sachen Nachhaltigkeit. Hier tut sich eine gesamte Branche noch schwer, obschon die ersten Modelle mit guter Energieeffizienz bereits auf dem Markt erhältlich sind. Bislang können Konsumentinnen und Konsumenten aber nur anteilig „grüne Produkte“ erwerben. Sogenannter „Green Steel“ oder Perlit als Isoliermaterial vulkanischen Ursprungs sind ein Fingerzeig in Richtung einer nachhaltigen Produktion, kommen aber noch nicht in überzeugender Menge zum Einsatz. Auch V-Zug dürfte über kurz oder lang ein Interesse daran haben, bei der Energieeffizienz von Kühl- und Gefriergeräten nachzubessern. So ist das eben mit der Nachhaltigkeit: Ein Kreislauf kennt keinen Anfang und kein Ende. Es gibt immer etwas zu tun.
Ästhetisches Stil-Statement
Immerhin: Ein „Stil-Statement für die moderne Küche“, wie es das Unternehmen nennt, setzen die neuen Kühl- und Gefrierschränke tatsächlich eindrucksvoll. Verchromte Tablar-Zierleisten, eine schwarze Bedienblende und Behälter in Rauchglas-Optik erzeugen eine elegante Ästhetik im Inneren des Kühlgeräts, das durch eine großzügige LED-Beleuchtung links und rechts der Türfront effektvoll ausgeleuchtet wird. In der Luxusausführung der „Supreme Line“ fügen sich zusätzlich massive Chromstahl-Elemente ins Design ein.
Auch funktional hat V-Zug mit seiner neuen Kühlgeräte-Generation aufgerüstet: Anpassbare Tablare, Trenn-Elemente und Flex-Boxen erlauben eine individuelle Bestückung des Innenraums. Durch eine neue Kompressor-Generation, die nun im Sockel statt an der Rückwand des Geräts verbaut und mit aktiver Belüftung betrieben wird, bleibt mehr Platz zum Lagern von Lebensmitteln. Die „NoFrost“-Technologie scheint da schon ein alter Hut, ist aber natürlich trotzdem vom Kunden gefragt. Eine „MonoFridge“-Funktion, bei der sich das Gefrierfach auf Knopfdruck zum erweiterten Kühlgerät umfunktionieren lässt, dürfte eine verlockende Funktion für Gastgeberinnen und Gastgeber sein. V-Zug spricht vom „High End-Gefühl in der Küche – im Alltag wie bei besonderen Anlässen“.
Luxus im Kleinen und Großen
Das ergänzt die Marke mit ihren Weinklimaschränken und führt mit dem „WineCooler V4000 45“ erstmals eine Kompaktvariante ein, die im Zusammenspiel mit anderen Geräten der 45er-Nische „Luxus im kleinen Format“ erzeugen soll. Dem gegenüber steht die „Supreme Line“ mit einem Nischenmaß von über zwei Metern im Kühlgerätebereich, die die anspruchsvolle „Swissness“ optisch wie funktional weltweit in die Haushalte tragen soll. Von der Marke, die sich nach „ganz oben“ streckt, können sich deutsche Konsumentinnen und Konsumenten bald nicht nur in München und Löhne, sondern zeitnah auch an neuen Standorten in Hamburg und Berlin überzeugen. Dort eröffnet V-Zug in den kommenden Monaten luxuriöse Dependancen, die sich im Stil an den bisherigen Showrooms rund um den Globus orientieren dürften: Entworfen mit eloquenter Designhandschrift und in naturbelassenen Materialien aus Holz, Stein und Glas, die den technologisch ausgereiften Geräten schmeicheln. Lediglich ein winziges Detail steht der überzeugenden „Swiss Made“-Philosophie dann schlussendlich noch entgegen: Die Geräte der „Supreme Line“ werden von Fhiaba in Italien gefertigt. V-Zug hat sich bereits Anteile gesichert.
Susanne Maerzke