25.04.2024

Keine Angst vor der Wärmepumpe

Die Konjunkturforscher haben gute Nachrichten: Ab Herbst zieht der Binnenkonsum an. Ob die Küchenbranche daran teilhaben wird, hängt wohl von zwei Dingen ab: von der Offenheit für den Wandel beim Wohnungsbau und dem Respekt vor der Wärmepumpe.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER online/offline

So viel Einmütigkeit ist selten. Allenthalben heißt es in den aktuellen Situationsanalysen, dass es neben den gestiegenen Hypothekenzinsen an der Politik liegt, dass die Menschen in Deutschland weniger Küchen kaufen als gewohnt. Denn die Politiker in Berlin richten die Baukonjunktur zugrunde oder helfen ihr nicht wieder auf die Beine. Zu hoch Steuern, zu gering die staatlichen Anreize. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr waren versprochen, beantragt und genehmigt wurden im vergangenen Jahr magere 260.000. Bei den Fertigstellungen sieht es noch dürftiger aus. Und der Trend für die ersten Monate 2024? Sagen wir es so: Wer derzeit seine Stimmung vom Blick auf die Baugenehmigungen abhängig macht, wird ohne mentale Unterstützung nicht froh.

Wer weiß, was noch kommt
400.000 Wohnungen pro Jahr sollten es also werden. Aber wie das so ist mit Plänen: Nicht immer läuft es, wie man es sich wünscht. In diesem Fall kamen gleich mehrere, hinlänglich bekannte Umstände und deren Auswirkungen dazwischen. Eine Pandemie ohne Blaupause, unterbrochene Lieferketten, verknappte Rohstoffe, extreme Preissprünge bei den Baumaterialien, ein Angriffskrieg Russlands, massive Investitionen in die militärische Verteidigungsfähigkeit, rasant steigende Preise für Energie und Grundnahrungsmittel, zweistellige Inflationsraten, steigende Hypothekenzinsen, nimmersatte Immobilienbesitzer, ein weiterer Krieg in Israel und Gaza.

Die Statistik lässt sich nicht drängen
Viele Menschen schlitterten vom Zustand latenter Sorge in Zukunftsangst, teilweise begleitet von Liquiditätsengpässen, und verloren den Sinn für Küchen und Möbel. Für Konsum überhaupt. Wer konnte, sparte. Wer weiß, was noch kommt. Zudem hatten viele ihren Bedarf an schönem Wohnen bereits während des Corona-Cocoonings gedeckt. Vorgezogene Investitionen heißt das unter Marktforschern. Ein sperriger Begriff mit praktischer Wirkung: Wer vor der Zeit gekauft hat, hält sich zurück, wenn er aller Voraussicht nach an der Reihe ist. Und bis die nächsten Investitionswilligen nachkommen, dauert es. Die Statistik lässt sich nicht drängen.

Gesellschaftlich und volkswirtschaftlich gut investiert
Es ist unbestritten, dass eine stabile Wohnungsbaukonjunktur dem Vertrieb von Küchen und Wohnmöbeln nützt und dass jede Förderung dieser Aktivitäten gesellschaftlich und volkswirtschaftlich gut investiert ist. Statistisch gesehen zieht jeder Erstbezug 2,6 weitere Umzüge nach sich, gefühlt sind es sogar drei bis vier. Die daraus resultierende Rechnung geht fast immer auf: neue Wohnung = neue Möbel = (oft) neue Küche.

Alles hängt voneinander ab
Doch zuletzt mehrten sich die Stimmen, die Zweifel anmeldeten, ob sich die Politik allein für die Misere verantwortlich machen lässt. In der Tat greift das zu kurz, wenn wir das Zusammenspiel der oben geschilderten Umstände betrachten. Jeder dieser Gegebenheiten wirkt für sich, zusammen sind sie unübersichtlich ineinander verstrickt. Mit konkreten Auswirkungen auf das Thema Baukonjunktur und Küchenkauf.

Weniger Neubau, mehr Sanierung im Bestand
Die Zeiten, wie sie die Küchenbranche kennt und liebt, sind vorbei. Dieses nüchterne Fazit zog Martin Langen, Geschäftsführer der B+L Marktdaten GmbH. Auf der AMK-Mitgliederversammlung Mitte März in Weinheim referierte Langen über die Marktperspektiven 2025 für die Küchenbranche und was die Immobilienwirtschaft damit zu tun hat. Sein Fazit: Weniger Neubau, mehr Sanierung im Bestand. Die Zeit des Einfamilienhauses sei vorbei, stattdessen werden künftig verstärkt Zwei- und Mehrfamilienhäuser geplant und der soziale Wohnungsbau gefördert. Daran müsse die Küchenbranche ihr Geschäftsmodell ausrichten.
Martin Langen sagte aber auch: Da viele Menschen durch höhere Löhne, normalisierte Preise, sinkende Zinsen und (zum Teil) hohe Ersparnisse über das nötige Kapital verfügen, werden die eigenen vier Wände enorm profitieren.

Den Wandel aktiv gestalten
Natürlich wird dieses Geld in energetische Maßnahmen investiert, in Fenster, Dämmung, Photovoltaik und die Wärmepumpe. Der Zustand vieler Wohnungen und Häuser erfordert das, andere Sichtweisen verzerren die Realität. „Ob dann noch etwas für die Küche übrigbleibt?“, fragen manche besorgt. Es kommt darauf an, ob dieser Wandel mitgegangen und aktiv gestaltet wird. Wer auf die bekannten Strukturen pocht und weiter allein auf die Neubaukarte setzt, könnte es schwer haben. Die Branche als Ganzes, Industrie, Handel und Verbände, sollte selbstbewusst genug sein, sich in den Investitionswettbewerb einzumischen und sich kreativ und werbewirksam zu präsentieren. Vor den Vermarktungsinitiativen der Wärmepumpenhersteller vorauseilend zu katapultieren, ist keine Alternative. Dafür ist das Produkt Küche einfach zu gut.

Dirk Biermann

 

Dieser Beitrag erscheint als Editorial in der Ausgabe KÜCHENPLANER 3 / 4 2024. Versendet wird die Printausgabe am 26. April 2024. Das E-Paper steht Newsletter-Abonnenten bereits zur Verfügung. Hier geht es zum kostenfreien Newsletter: https://www.kuechenplaner-magazin.de/newsletter/anmeldung/anmeldeformular/

 

 



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