25.04.2024

Die Flaute am Bau macht der Branche Sorgen. Denn weniger Fertigstellungen verhageln das Küchengeschäft. Da kam der Gastvortrag von Martin Langen auf der AMK-Mitgliederversammlung gerade recht. Der Geschäftsführer der B+L Marktdaten GmbH kannte die aktuellen Marktzahlen und weitete den Blick.

Die Zahl der Einfamilien-Neubauten sinkt und wird voraussichtlich nicht wieder das viele Jahre bekannte Niveau erreichen. Foto: Biermann

Martin Langen, Geschäftsführer der B+L Marktdaten GmbH. Foto: Biermann

„Natürlich kann man auf die deutsche Politik schimpfen, aber es ist ein allgemeines europäisches Problem“, sagte Langen mit Blick auf die eingebrochenen Zahlen. So sank die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 29,4 Prozent (-91.500 Einheiten), in Frankreich um 23,7 Prozent (-115.800), in Polen um 19,1 Prozent (-56.900) und in den Niederlanden um 17,1 Prozent (-11.000). Die Gründe hierfür sind vielfältig (siehe auch Editorial in der Ausgabe KÜCHENPLANER 3/4 2024).

Letztlich waren alle gängigen Parameter, die den Kauf von Möbeln und Küchen beeinflussen, zuletzt ungünstig. Vom allgemeinen Konsumklima über die Einkommenserwartung bis hin zur Anschaffungsneigung. Die verunsicherten Verbraucher hatten weniger Geld zur Verfügung, wer genug hatte, sparte, die Inflation war hoch und die Zinsen höher als in den vergangenen Jahren gewohnt. Viele Investoren zogen sich aus Projekten zurück, weil die Baupreise kaum noch kalkulierbar waren. Hinzu kam für private Bauherren die Unsicherheit über die Sanierungsanforderungen im Wohnungsbestand. Fast 100.000 Wohneinheiten weniger pro Jahr bedeuten statistisch 250.000 Küchen, die nicht geplant und produziert werden. Und diese Rechnung gilt nur für Deutschland. Im Export sieht es ähnlich aus, wie Langen eingangs anhand der Zahlen skizzierte.

Die Schockstarre ist vorbei
„Aber die Talsohle ist durchschritten“, fuhr der Experte für die globale Bauwirtschaft fort und sorgte damit für ein unterschwelliges Aufatmen unter den rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der AMK-Sitzung. Denn die Inflationswerte nähern sich wieder dem gewünschten Ziel von 2 % (Prognose 2024: 2,1 bis 2,6 %), was zu einer Leitzinssenkung im Frühsommer (Prognose: Juni) führen wird. Die aktuellen Hypothekenzinsen nehmen dies vorweg und liegen heute (März 2024) bereits einen Prozentpunkt unter dem Höchststand vom November 2023. Zudem werden sich die inflationsbedingt hohen Lohnabschlüsse positiv auf den privaten Konsum auswirken. „Im zweiten Halbjahr 2024 ist mit einem kräftigen Konsumanstieg zu rechnen, weil die Menschen wieder mehr Geld in der Tasche haben und es auch ausgeben.“ Ist das sicher? „Wenn nichts dazwischen kommt, ja.“ Die Stimmung, so Langen, helle sich von Monat zu Monat auf.

„Das ist für Sie in der Küche besonders wichtig“
Und es gibt weitere Lichtblicke. „Die Sparquote bricht ein, das ist für Sie in der Küche besonders wichtig“, fügte Langen hinzu. So seien in den vergangenen Jahren, besonders während Corona, viele Milliarden Euro auf die hohe Kante gelegt worden. „Die Menschen waren in Schockstarre, aber sie haben das Geld noch.“ Ein weiterer Indikator für mehr Konsum: „Die Bevölkerung wächst.“ Durch Zuzug von heute 84,3 Millionen auf 86 Millionen im Jahr 2030, so die Prognose.
Also zurücklehnen und geduldig abwarten, bis sich alles wieder in gewohnten Bahnen bewegt, mit intakten Umzugsketten, die der Küchenbranche statistisch bis zu drei Küchen pro Wohnungsneubau mit relativ geringem Eigenaufwand bescheren? Martin Langen dämpft die Erwartungen. „Die Zeit des Einfamilienhauses ist vorbei“, sagte er und prognostizierte eine bauliche Zukunft mit Mehrfamilienhäusern und dem staatlich geförderten sozialen Wohnungsbau.

Renovierung rückt in den Fokus
Für den Küchenhandel und die Industrie sind diese möglichen Entwicklungen von großer Bedeutung und wirken sich unmittelbar auf langjährige Geschäftsmodelle aus. Zum einen werden im Neubau andere, meist kleinere Küchen benötigt als im klassischen Einfamilienhaus, zum anderen rückt das Renovierungsgeschäft wieder stärker in den Fokus. Und damit steht die Branche künftig noch stärker im direkten Wettbewerb mit Investitionen und anderen Renovierungsaktivitäten vom Bad bis zum Bodenbelag und insbesondere der energetischen Sanierung von Wohngebäuden. Eines scheint nach dem Vortrag von Martin Lange auf der AMK-Tagung wahrscheinlich: Die Küchenindustrie wird nicht länger von der Neubauwelle zu immer neuen Umsatzrekorden getragen. Gefragt sind frische und zeitgemäße Ideen in Vertrieb, Marketing und Kundenansprache mit Blick auf die Küchenrenovierung im Bestand und darüber hinaus. „Mehr als Küche“ sollte mehr als ein theoretisches Gedankenspiel sein.

Dirk Biermann


Die B+L Marktdaten GmbH hat sich auf die Branchen rund um das Bauen, Wohnen und Immobilien spezialisiert. Das Team in Bonn erstellt seit mehr als 25 Jahren weltweite Marktprognosen für alle Produkte in diesem Bereich. Dafür werden fortwährend das Bauvolumen für alle Länder weltweit beobachtet und die Bautätigkeit von 73 Ländern, die zusammen mehr als 90 Prozent des globalen Bauvolumens abdecken, erfasst. Diese Daten werden viermal im Jahr aktualisiert und fließen in eine 3-Jahres Bauprognose ein. Neben Quartalsdaten sind für die großen Flächenstaaten auch regionale Baukaufkraft- und Absatzpotenzialdaten verfügbar. Als weitere Analyse bietet B+L regionale Marktpotenziale auf PLZ- und Kreisebene an und führt auftragsbezogene Produkt-, Länder und Zielgruppenuntersuchungen durch. Dabei steht die Untersuchung von Markt- und Absatzchancen im Vordergrund. Zudem veranstaltet das Unternehmen regelmäßig das B+L Zukunftsforum, wo die weltweiten Märkte und andere aktuelle Themen analysiert und unter den Fachteilnehmern diskutiert werden. (Quelle: www.bl2020.com)

Dieser Beitrag erscheint in der Ausgabe KÜCHENPLANER 3 / 4 2024. Versendet wird die Printausgabe am 26. April 2024. Das E-Paper steht Newsletter-Abonnenten bereits zur Verfügung. Hier geht es zum kostenfreien Newsletter: https://www.kuechenplaner-magazin.de/newsletter/anmeldung/anmeldeformular/

 



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