12.12.2024

Das ganze Jahr fühlt sich an wie eine einzige Krise. Doch was davon kam ungefragt? Was ist hausgemacht und was der normale Lauf der Dinge? Und wird das wieder anders?

 

Dirk Biermann.

Wir müssen gar nicht tief in die Kiste der Lebensweisheiten greifen, um zu erkennen, dass sich die Dinge früher oder später ändern. Auch wenn wir uns oft wünschen, dass alles so bleibt, wie es ist. Weil es zu unseren Gewohnheiten passt und wir uns damit so schön eingerichtet haben. Doch das Wohlbefinden fremdelt mit dem von permanenter Unzufriedenheit getriebenen Tun und Unterlassen unserer Zeit. All das geht auf Kosten der Stimmung. Und die ist im Ergebnis schon das ganze Jahr im Keller. „Wohin soll das alles führen?“, fragen viele, und es sind nicht nur die Älteren, die kaum noch mitkommen. Die Antwort auf das Wohin ist so simpel wie provokant: in die Zukunft.

Kein Trend läuft linear und störungsfrei
Diese handhabbar zu machen, ist die Mission von Matthias Horx, einem der bekanntesten und renommiertesten Trend- und Zukunftsforscher Deutschlands. Ihm zuzuhören ist Genuss und Inspiration. Wie jüngst bei den Möbelvisionen 2024 im Furniture Future Forum in Bünde. Horx sprach über Trends und Megatrends, ihre Merkmale und Unterschiede und erinnerte das Publikum daran, dass kein Trend ungestört linear verläuft, sondern sich immer mit dem Gegentrend auseinanderzusetzen hat. Wenn alle in die Stadt wollen (Megatrend Urbanisierung), wird es dort eng und teuer und das Leben auf dem Land gewinnt an Attraktivität. Wenn alles immer internationaler wird (Megatrend Globalisierung), entsteht Nationalismus. Dieses Pendeln zwischen den Polen gilt auch für andere Megatrends wie Individualisierung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. „Trends müssen sich ausbalancieren“, sagt Horx und plädiert für Geduld und gedankliche Weite im Umgang mit ihnen. Sowohl-als-auch statt Entweder-oder. „Fortschritt entsteht, wenn es uns gelingt, Gegensätze zu integrieren.“

Chaotischer Übergang
„Wir leben in einer turbulenten Welt“, sagt der Zukunftsforscher. Er nennt es das Zeitalter der Omnikrise. Demnach haben wir es nicht wie von früher gewohnt mit einzelnen, isolierten Ereignissen oder Phänomenen zu tun, sondern mit einem vernetzten Dauergeschehen. Was zu konkreten Herausforderungen führt, mit denen wir uns oft schwertun: Das Alte Normal ist in Frage gestellt, ein Neues Normal hat sich noch nicht etabliert. Laut Horx befinden wir uns in einer Krise des chaotischen Übergangs, was aber völlig normal sei und viel alltäglicher als der Irrglaube an eine lineare Entwicklung. Oder noch verrückter, dass die Dinge immer gleich bleiben, wie in Granit gemeißelt. Die Zukunftsforschung beobachtet all das und zieht ihre Schlüsse. Welche Moden und Trends sind erkennbar? Können daraus neue Muster für veränderte Lebenswirklichkeiten entstehen? Gibt es Zeichen aus dieser Zukunft, die darauf hindeuten, dass es „hier auch schön sein kann?“

Sowohl-als-auch
Nach Matthias Horx gibt es zwei Arten des Wandels: kleine Schritte im Alten Normal und der Sprung in eine neue Logik. Die Strategie der kleinen Schritte, die in erster Linie am Bekannten festhalten will, funktioniert irgendwann nicht mehr, weil die Welt rechts und links vorbeizieht. Der VW-Konzern weiß, wie sich das anfühlt. Der Sprung in eine neue Logik ist auch nicht ohne. Er offenbart die Unsicherheit, die allem innewohnt, erkennt aber an, dass sich die Dinge so oder so ändern, ob wir wollen oder nicht. Wenn wir uns auf den Wandel einlassen, können wir den Prozess gestalten, gehen wir in den Widerstand, verpassen wir den Anschluss. Etwas rückwärtsgewandt „great again“ machen zu wollen, muss scheitern, denn die Zukunft entsteht immer aus der Gegenwart und niemals aus nostalgischen Erinnerungen. Wie könnten wir in eine Welt vor der Erfindung des Smartphones und der KI zurückkehren? Diese Vorstellung ist grotesk. Der Blick in den mentalen Rückspiegel ist wichtig, um aus Fehlern zu lernen und diese bestenfalls nicht zu wiederholen, Innovationen entstehen so aber nicht. Die Frage ist nur: In welchem Tempo sollen wir mitmachen und in welcher Intensität? Der Zukunftsforscher glaubt an den Weg der Mitte und das erwähnte Sowohl-als-auch. „Horizonte und Wurzeln – Menschen brauchen beides“, sagt Matthias Horx.

Passende Mischung
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine für Sie passende Mischung aus Vision und Tradition. Dazu ausgeglichene Feiertage, einen gelingenden Jahreswechsel und einen schwungvollen Start in das, was kommen mag. Vielleicht verbunden mit der Ahnung, dass Zukunft nicht einfach über uns kommt, sondern von Menschen gemacht wird. Ein typischer Silvester-Glückskeks wird es auf persönlicher Ebene vielleicht so formulieren: Das Mindset von heute schafft Deine Realität von morgen.

Dirk Biermann
Chefredakteur KÜCHENPLANER print & digital

Dieser Text ist als Editorial der Ausgabe KÜCHENPLANER 12/2024 erschienen. Das Printexemplar wird heute versendet, das E-Paper steht Abonnenten unseres kostenfreien Newsletters bereits seit einigen Tagen zur Verfügung.