Möbler allein zu Haus
Neuheiten wurden in Köln wirklich kaum uraufgeführt. Von einigen Ergänzungen und beachtenswerten Ausnahmen abgesehen. Vielmehr inszenierten die angereisten Küchenmöbelhersteller jene Modelle und Ideen, die im Herbst gut ankamen. Was grundlegend sinnvoll ist, denn eine Hausmesse kann einen noch so emotional besetzten Wert für den jeweiligen Veranstalter haben, ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Wer neue Kunden gewinnen will und gute Argumente hat, um sich dem Vergleich mit den Nachbarn zu stellen, ist auf einer Messe wie der LivingKitchen gut aufgehoben. Allein schon wegen der Besucher von weither. Wenn eine solche Veranstaltung dann noch fast vor der eigenen Haustür stattfindet, an einem von der Infrastruktur bestens organisierten Standort und im Rahmen einer international renommierten Einrichtungsmesse, fragt sich der Beobachter: „Was will man mehr?“
Exakt diese Frage geisterte auf der LivingKitchen durch die Messegänge und durchwirkte viele Gespräche. Die Namen der nicht ausstellenden Unternehmen waren allgegenwärtig. In immer anderen Worten ging es um die Frage „Was halten Sie von der Messe?“ Natürlich habe ich mich das auch gefragt, eine Antwort darauf aber bewusst auf die Zeit nach Messeschluss vertagt. Aus Gründen größtmöglicher Objektivität.
Inzwischen hat sich auch bei mir ein Fazit zur LivingKitchen gebildet. Es ähnelt dem Wetter im April: heitere und wolkige Abschnitte wechseln sich ab, durchaus Schatten, aber auch viel Licht. Vor allem habe ich den Eindruck: Diese LivingKitchen dürfte jeden in seiner vorgefassten Meinung bestätigt haben. Wer angesichts der abstinenten Branchengrößen schon vorab den Verfall wähnte, fand dafür gute Gründe, wer von einer weitgehend munteren Lebendigkeit angetan war, fand auch das. Alles eine Sache der Perspektive.
Diese gehört dazu: Die Küchenbranche sieht sich aktuell einem grundlegenden Transformationsprozess gegenüber. Die Entwicklung geht weg vom separaten Arbeitsraum Küche hin zu ganzheitlichen Wohn- und Lebenskonzepten, bei denen das Areal für die Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln – im besten Fall für die Branche – eine zentrale Rolle erhält. Dieser elementare Wandel findet nicht von heute auf morgen statt, sondern will mit immer neuen Ideen und mutigen Vorstößen gestaltet werden. So sehr ich die Innovationskraft der Küchenbranche in ihrer Gesamtheit schätze: Diesen Strategiewechsel hin zur Küche als wandlungsfähigen Lebensmittelpunkt haben inhaltlich vorrangig die Küchenmöbelhersteller zu bewerkstelligen. Nicht die E-Geräteproduzenten, nicht die Anbieter von Spülen und Armaturen, nicht die Beschlägehersteller. So attraktiv deren Produkte unbestritten sind und so wertvoll sie für die Entwicklung neuer Ideen sein können: Die Küchenmöbelhersteller sind es, die alles zusammenfügen und ihre konzeptionellen Ideen für diesen Prozess in den Ring werfen müssen. Sie sind es, die sich in den Augen der Kunden im Wettbewerb messen – untereinander und zunehmend mit den klassischen Wohneinrichtern. Erst diese Reibung wird Lösungen von internationaler Tragkraft entstehen lassen. Die Zeit der eigenbrötlerischen Süppchenkocherei scheint vorbei. Das ist die Herausforderung, die es zu bestehen gilt, wenn der geflügelte Begriff vom „Küchenweltmeister“ weiter Bedeutung haben soll. Marktteilnehmer in Übersee sind hellwach für diese Entwicklung.
Dieser Wettbewerb braucht eine Bühne wie die LivingKitchen. Und das im Rahmen einer Einrichtungsmesse wie die imm cologne. In diesem Jahr waren die Küchenmöbler zwar fast allein zu Haus, doch fast möchte man sagen: gut so. Denn die, die da waren, haben ihre Chance genutzt. Jenseits von Kochentertainment in Dauerschleife und weithin vernehmlichen TV-Köchen in Plauderlaune gab es viel Raum für „die Küche“ heute und morgen, für ganzheitliche Wohnkonzepte, für Innenraumgestaltungen und für Ideen über den Küchenraum hinaus. Diese LivingKitchen war eine inspirierende Veranstaltung jenseits kurzfristiger Oberflächenmoden. Angesichts der aktuellen Veränderungen, denen sich die Branche zu stellen hat, ist diese Art der Präsentation unbedingt nötig. Mehr davon!
Dirk Biermann
Dieser Beitrag erscheint als Editorial der Ausgabe KÜCHENPLANER 1/2 2019.