17.06.2014

Manchmal sind die Dinge nicht so eindeutig, wie sie sein sollten. Wie soll man sich entscheiden? So? Oder besser so? Oder vielleicht ganz anders? Auch die Literatur kennt Zwickmühlen dieser Art.

Eine der populärsten setzt die Mittelerde-Trilogie „Der Herr der Ringe“ in Szene. In Teil 3: Bei der Frage, welcher Weg fix und sicher ins Herz von Mordor zum feuerspeienden Schicksalsberg führt, kommen die Hobbits Sam und Frodo ins Grübeln. Besser die Harad-Straße queren und Seite an Seite mit einigen Horden Orks direkt nach Minas Morgul schlendern? Oder doch dem windigen Reiseführer Gollum vertrauen, links abbiegen und dem „garantiert sicheren Pass“ hinein ins Reich der Finsternis folgen? Die Experten unter uns kennen den empfohlenen Bergpfad als „Kankras Lauer“ – benannt nach einer betagten Riesenspinne mit unangenehmer Beinspannbreite und üblem Mundgeruch. Nach langem Hin und Her fällt eine Entscheidung. Wie so häufig in Büchern und Filmen erweist sich diese als ebenso anspruchsvoll wie fies – aber letztlich als machbar. Es geht alles gut und die Helden lassen sich erschöpft aber zufrieden die Wunden salben.
Soweit sind wir in der Küchenbranche noch nicht. Stattdessen ahnen immer mehr Händler, dass sie vertrieblich betrachtet ebenfalls an einer Art Scheideweg stehen und sich für eine Richtung entscheiden müssen. Denn DER Küchenhandel entpuppt sich zusehends als eine historisch liebgewonnene Bezeichnung für eine objektbezogene Handelsform, die im Alltag kaum noch alle Stilrichtungen unter einen Hut zu bringen vermag. DER Küchen­handel driftet immer weiter auseinander mit den Eckpunkten des planenden Küchenverkäufers und des verkaufenden Küchenplaners.
Dabei handelt es sich um mehr als eine Wortspielerei. Denn der „reine“ Küchenverkauf hat eine dominierende Kernkompetenz: möglichst billig. Daran haben sich Möbel, Geräte und Zubehör zu orientieren; koste es, was es wolle. Für hochwertige Materialien an der Front bleibt dabei ebenso wenig Raum wie für ausgefeilte Stil-Analysen im Beratungsgespräch. Das sieht man den Ergebnissen natürlich an. Was aber nicht weiter verwerflich ist, denn jeder Kunde muss mit seinem Budget ernstgenommen werden und nicht in jedem Haushalt steht der „Lebensraum ­Küche“ an Nr. 1 der Werteskala. So ehrlich sollten wir sein. Und doch steht fest: Der Küchenverkauf pro laufendem Meter muss auf Masse setzen, um auf seine Rendite zu kommen. Und das bei tickender Uhr. Konzepte und Angebote für diese Spielart des Küchenhandels bietet der Markt im Dutzend – mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten.
Nun haben wir gelernt, dass sich immer mehr Kunden etwas leisten wollen beim Küchenkauf. Denn der einstige Arbeitsesel Küche hat die Stalltür aufgeschubst und tritt als Vollblüter ins Rampenlicht. Die stetig zunehmende Zahl ambitionierter Kunden akzeptiert keine Allerweltsküchenzeilen mit Kunststofffronten, die wie Kunststofffronten aussehen, oder einfache Auflagespülen und Geräte unbestimmter Herkunft. Stattdessen wollen sie mit dem Gesamtensemble Küche ihrer Persönlichkeit Ausdruck geben und das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie für ihr Geld das Bestmöglichste und Einzigartigste bekommen. Solchen Kunden adäquat zu begegnen, benötigt eine ausgefeilte Beratungsqualität. Und ebenso wichtig: umfangreiche Produktkenntnisse. Gut aufbereitete Informationen über das, was der Markt in seiner wachsenden Vielfalt zu bieten hat, sind dafür unabdingbar. Ebenfalls die Bereitschaft, sich Zeit zu nehmen, um sich in diese Materie einzuarbeiten.
Womit der Scheideweg sein Wesen offenbart: Im preisdominierten Küchenverkauf kann das Beratungsgespräch – überspitzt gesagt – vielleicht noch als lästige Pflicht zur Vorbereitung der finalen Unterschrift abgetan werden. Die baulichen Eigenarten des Küchenraums bestimmen die Auswahl – nicht die Spleens der Bewohner. In der persönlichen Küchenplanung jedoch erhalten der mehrfache Kontakt und die damit verbundene Beziehungspflege einen eigenen Wert. Und der will angesichts des Zeit- und Kompetenzeinsatzes honoriert werden. Im besten Fall als eigene Rechnungsposition unter „Küchenplanung“. Dumm nur, dass zwar immer mehr Kunden ein individualisiertes Produkt wünschen, aber die meisten nur den laufenden Meter bezahlen wollen. Und der planende Kollege von nebenan zieht auch nicht gerade am selben Strang.
Sich als Küchenplaner mit seiner Planungskompetenz selbstbewusst zu präsentieren, ist eine Sache der Positionierung und damit machbar. Die Planungsleistung als eigene Kostenstelle zu etablieren, ist hingegen schon sehr viel sensibler. Die Diskussion über die Honorierung einer zeitintensiven und fachlich kompetenten Küchenplanung muss als Branchenthema jedoch dringend neu in Gang gesetzt werden. Damit DER Küchenhandel nicht an seinen unrealistischen Ansprüchen erstickt. Der Markt splittet sich deutlicher denn je in billig und in Premium. Billig umgesetztes Premium wird auf Dauer nicht funktionieren, meint

 
Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de