25.09.2024

In seiner Tätigkeit als Unternehmensberater für den Küchenfachhandel erlebt Ralph Steffens landauf, landab, was die Branche bewegt – und welche Fehler sich im Küchenbusiness häufig wiederholen, obwohl sie seiner Ansicht nach vermeidbar wären.

Ralph Steffens ist als Unternehmensberater für den Küchenfachhandel tätig. Der Blick von außen soll Potenziale im Handel aufzeigen – und mögliche Fehlerquellen. (Foto: Dietmar Pohlmann)

Der Blick über den Tellerrand ist manchmal auch von außen ganz nützlich. Dann nämlich, wenn sich ein Küchengeschäft festzufahren droht: In seinen Bilanzen, Anzahlungen, Provisionen – oder ganz allgemein in seiner Rentabilität. Optimieren lässt sich immer etwas, klar, das gilt in guten wie in schlechten Zeiten. In letzter Zeit, erzählt Ralph Steffens, haben sich die Themen für ihn als Unternehmensberater der Küchenbranche allerdings deutlich geändert.
Noch vor rund zwei Jahren, zur konjunkturellen Hochphase der Pandemie, sei eine zentrale Sorge im Handel gewesen, wie man zweistellige Preiserhöhungen seitens der Industrie an die Kundschaft kommuniziere – oder schlichtweg der Masse an Anfragen gerecht werde, trotz fehlender Montage-Kräfte und Lieferengpässen. Mittlerweile steht der stark rückläufige Umsatz im Fokus. Viele Küchenstudios seien noch dabei, sich „gesundzuschrumpfen aus den überhitzten Corona-Jahren“. Ralph Steffens hilft ihnen dabei.

Neutraler Blick von außen
Der 47-jährige Berater hat sich den Status als Küchenexperte auf verschiedenen Stationen innerhalb der Branche erarbeitet. Parallel zu seiner betriebswirtschaftlichen Ausbildung arbeitete Steffens bereits früh im Handel und leitete verschiedene Küchenstudios, bevor er auf die Seite einer Verbundgruppe wechselte und die dortigen Einkaufs- und Finanzierungsgeschäfte übernahm. Mit der Industrie hat Ralph Steffens oft verhandelt: Er weiß um Stellschrauben, die es dort zu drehen gilt, aber auch, wann es ernst wird für den Handel. Schon damals stand Steffens den knapp 400 Händlern der Gruppierung in betriebswirtschaftlichen Fragen zur Seite, beispielsweise, wenn sich ein neu gegründetes Geschäft nicht so entwickelte, wie der Businessplan es vorsah. Mittlerweile sitzt er wieder mit ihnen am Tisch.
Seit 2015 ist Ralph Steffens als selbstständiger Unternehmensberater innerhalb der Küchenbranche tätig; seit 2022 fokussiert er sich hauptberuflich auf sein Kerngeschäft. Er sieht sich als unabhängigen Dritten, der Studioprozesse von außen betrachtet, optimiert, verschlankt, prognostiziert und Hilfestellung bei Entscheidungen gibt. Das betrifft vor allem eine verbesserte und vereinfachte Unternehmensführung hinsichtlich wichtiger Themen wie Ertrag, Personal oder Handelsspannen. Nicht immer bleibt es bei einer nüchternen Betrachtung des Status quo: In manchen Fällen hilft nur noch der Krisenmodus.
Die neutrale Position von Ralph Steffens zwischen Handel, Verbänden und Industrie ist bislang nahezu einzigartig auf dem Markt und erhält viel Zuspruch aus dem B2B-Segment – auch, weil der Berater, wie er selbst sagt, „den Stallgeruch mitbringt“.

Individuelle Lösungen
Knapp drei Jahrzehnte in der Branche sprechen für sich. Die Augenhöhe zu seinen Klientinnen und Klienten stellt der Unternehmensberater aber nicht nur über eigene Erfahrungen her, sondern auch durch eiserne Beratungsregeln. Dazu gehört ein Zitat von Johannes Rau, dem ehemaligen Präsidenten der Bundesrepublik, der einst sagte: „Ratschläge sind immer auch Schläge.“ Ralph Steffens will es anders machen – und besser. Seine Einschätzungen zu wiederkehrenden Fehlern innerhalb der Küchenbranche und unternehmerischen Stolperfallen teilt er daher regelmäßig auf seinem Businessaccount bei LinkedIn. Seine größte Erkenntnis nach zweieinhalb Jahren als Unternehmensberater für den Küchenfachhandel? Individuelle Probleme lassen sich nicht allein mit einem BWL-Studium lösen – sondern vor allem mit Erfahrung.

Susanne Maerzke

www.unternehmensberatung-kueche.de

 



„Viele Händler verkaufen sich zu günstig“
Die Rolle des Unternehmensberaters wird in der Küchenbranche bisweilen noch skeptisch beäugt. Dabei, sagt der selbstständige Consultant Ralph Steffens, lassen sich mit einem Blick von außen klassische Fehler im Handel vermeiden und zahlreiche Prozesse optimieren. Im Interview erzählt er von wiederkehrenden Stellschrauben im Tagesgeschäft, dem „Wohlfühlgewicht“ eines Studios und seiner Art, mit Fehlentscheidungen der Vergangenheit umzugehen.

KÜCHENPLANER: Sie bezeichnen sich als „Unternehmensberater für die Küchenbranche“. Wem gilt das Beratungsangebot denn konkret: Händlern, Verbänden oder der Industrie?
Ralph Steffens:
Ich habe mich auf den Küchenhandel spezialisiert. Und zwar auf alle Formen: Das können markenunabhängige Studios, aber auch Monobrand-Stores und Franchisenehmer sein. Genauso wie der Möbelhandel oder Tischler- und Schreinerbetriebe mit dem Schwerpunkt Küche.

Wozu braucht es einen Unternehmensberater in diesem Business?
Meine Rolle ist der unabhängige Blick von außen. Ich verfolge keine eigene Agenda, wenn ich Inhaber und Unternehmen berate – das ist bei Lieferanten oder Verbänden mitunter anders. Meine Dienstleistung besteht vor allem darin, dass Lösungen individuell zum Händler passen und umgesetzt werden können. Da funktionieren Konzepte aus der Retorte nicht, wenn Probleme auftauchen.

Wie nähern Sie sich einem Klienten, der Sie erstmals kontaktiert?
Ich lege großen Wert darauf, dass ich das Unternehmen verstehe, das ich beraten soll. Dazu gehört der Blick in die betriebswirtschaftlichen Unterlagen, Bilanzen und Liquiditätsangaben. Aus diesem Zahlenwerk heraus muss ich das ganze Unternehmen verstehen. Wie laufen die Prozesse, wie sind die Übergabeschnittpunkte beim Personal, was sind die Ziele im laufenden Geschäftsjahr und darüber hinaus? Wenn ich das alles gestellt bekomme, kann ich im persönlichen Termin vor Ort direkt loslegen und Lösungen entwickeln.

Wo fängt man an, wenn gleich mehrere Sachen im Argen liegen?
Ich bin ein großer Freund von Reihenfolgen: Die wichtigen Themen, die mit wenig Aufwand viel Ergebnis bringen, kommen zuerst dran. So sind Erfolge rasch sichtbar. Das ist wichtig für die Motivation aller Beteiligten. Denn umsetzen muss es schlussendlich ja der Unternehmer selbst, bestenfalls gemeinsam mit seinem Team.

Sind Sie auch selbst an der Umsetzung beteiligt?
Ja, wenn das gewünscht ist. Ich beschäftige mich viel mit Preiserhöhungen und Kalkulationen. Da muss auch das Verkaufspersonal einbezogen werden. Die haben natürlich die Sorge, dass höhere Preise automatisch dazu führen, dass weniger Küchen verkauft werden. Ich zeige ihnen Mechaniken auf, wie so etwas nicht passiert – und wie sich höhere Handelsspannen auch in schwierigen Zeiten durchsetzen lassen.

Wer sich mit den Problemen und Herausforderungen anderer auseinandersetzt, stößt möglicherweise auf Emotionen: Scham, Wut, Verzweiflung. Wie gehen Sie damit um?
Es ist wichtig, zunächst das Vertrauen meines Gegenübers zu gewinnen. Da hilft, dass ich gewissermaßen den „Stallgeruch“ mitbringe: Ich mache mein ganzes Leben lang schon Möbel und Küche. Dadurch agiere ich mit meinem Klientel auf Augenhöhe. Natürlich begegnen mir auch immer wieder Menschen, die sich scheuen, über Fehlentscheidungen zu sprechen. Diese Angst möchte ich ihnen nehmen. Jede Entscheidung, die zur jetzigen Situation geführt hat, war zum Zeitpunkt, als sie getroffen wurde, wahrscheinlich richtig. Sie funktioniert möglicherweise nur nicht mehr im aktuellen Kontext. Wer sich Unterstützung sucht, ist in jedem Fall problembewusst und lösungsorientiert. Das ist schon mal eine gute Grundvoraussetzung.

Gibt es denn klassische „Stellschrauben“, bei denen es im Küchenhandel fast immer Verbesserungspotenzial gibt?
Ja. Einige Klassiker kehren leider immer wieder. Die sind teilweise auch „branchenüblich“. Das macht sie aber nicht besser. Ein Beispiel ist der Umgang mit Anzahlungen. Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber. Viele Unternehmen finanzieren sich ausschließlich über Anzahlungen und Kontokorrentkredite. Deren Liquidität leidet sofort, sobald die Auftragseingänge weniger werden. Wenn ich frische Anzahlungen brauche, um alte Rechnungen zu begleichen, ist das ein riesiges Problem. Idealerweise ließe sich mit Eigenkapital dagegensteuern. Oder mit langfristigem Fremdkapital.

Welche weiteren Probleme der Branche stellen Sie fest?
Ein zweiter Klassiker sind Montagekosten. Die sind häufig höher, als sie sein müssten. Auch der Umgang mit kurzfristig abgesagten Montage-Terminen durch die Kundschaft ist ein Thema. Der Kunde muss vorher informiert werden über die Folgen seines Handelns, sonst zahlt der Händler am Ende drauf.

Auf Ihrer LinkedIn-Seite sprechen Sie außerdem über die Wichtigkeit vom richtigen Preisschild, das an der Küche hängt.
Preisbildung ist ein ganz zentrales Thema. Viele Händler verkaufen sich zu günstig. Ein großes Problem ist die Mischkalkulation. Innerhalb einer Planung werden verschiedene Lieferanten einbezogen, bei denen teilweise die Handelsspanne so gering ist, dass der Händler nicht kostendeckend arbeiten kann. Das muss wiederum durch andere Lieferanten aufgefangen werden. In den letzten Jahren wird aber immer weniger Holz und mehr Elektro und Zubehör verkauft. Die margenstarken Produkte werden also durch die margenschwachen ersetzt. Über einen längeren Zeitraum schrumpft somit die Handelsspanne.

Ist die Nachfrage nach einem Unternehmensberater in diesen krisenbehafteten Zeiten besonders hoch?
Die Nachfrage ist stabil geblieben, aber die Themen haben sich geändert. Während der Pandemie haben sich viele Händler gefragt, wie sie die hohe Anzahl an Kunden bedienen sollen, obwohl einige Produzenten nicht liefern konnten. Das waren eher prozessuale Herausforderungen. Oder: Wie gehe ich mit zweistelligen Preiserhöhungen seitens der Hersteller um – auf Küchen, die ich schon zu einem fixen Preis verkauft habe? In den letzten zwei Jahren hat sich das geändert. Jetzt umtreibt Inhaber eher das Anpassen ihres Unternehmens auf die rückläufigen Anfragen. Das geht bei einigen gerade noch gut. Da ist eher das „Gesundschrumpfen“ ein Thema aus der überhitzten Zeit der Pandemie. Viele Händler haben eine Infrastruktur aufgebaut – auch personell. Das muss auf ein Maß zurück, das gut zu stemmen ist.

Was wäre denn ein gutes Normalmaß?
Ich nenne es das „Wohlfühlgewicht“. Das sieht bei jedem Studio anders aus. Viele Händler haben in der Hochphase mehr Umsatz gemacht, als gut für sie ist. Dabei wäre es besser, bei einer kleineren Anzahl an Küchen mehr Ertrag zu erwirtschaften. Selbst, wenn jeder Auftrag verlockend klingt, gilt: Man kann eine Maschine nicht ständig auf 120 Prozent laufen lassen. Irgendwann ist sie nicht mehr effizient.

Auf Ihrer Website sprechen Sie davon, dass „Ratschläge auch Schläge seien“. Erteilen Sie solche als Unternehmensberater nicht auch?
Der Ton macht die Musik. Es ist nicht meine Aufgabe, Entscheidungen der Vergangenheit zu bewerten. Wenn ich etwas im jetzigen Kontext für einen Händler einordne, bediene ich mich einer klaren und möglichst neutralen Sprache – es sei denn, meine Meinung wird konkret nachgefragt. Das nehmen viele positiv auf.

„Größere Handelsspannen statt unnötiger Marketingkosten“ ist ein Satz aus Ihren Unterlagen. Raten Sie zu Unternehmen zu höheren Preisen und weniger Investitionen?
Ja, das tue ich. Was ich damit meine, sind überflüssige Investitionen. Wir befinden uns in einem Markt, der aktuell schrumpft. Wenn ich nun viel Geld in die Hand nehme für kurzfristige Marketingaktionen, kann ich meine Umsätze im besten Fall noch stabilisieren, aber eben nicht dazugewinnen. Dauerhaft ist das sowieso ein schwieriger Ansatz. Der Fokus sollte eher auf realistischen Handelsspannen statt auf ständig wiederholten Leadkampagnen liegen.

Wie viele Tage müssen Händler i.d.R. veranschlagen, um mit Ihrer Arbeit sichtbare Ergebnisse zu erzielen oder Veränderungen anzustoßen?
Die meisten Mandate dauern zwei Tage. In diesem Zeitraum lässt sich das komplette Unternehmen einmal bewerten und im Beratungsprotokoll festhalten. Mein Klient kennt dann wichtige Verbesserungspotenziale und auch Mittel und Wege, sie umzusetzen. Viele Händler äußern den Wunsch nach einem Folgetermin, der dann nach sechs oder zwölf Monaten erfolgt.

Ein Tag bedeutet acht Stunden?
Nein. Ich spreche hier wirklich von einem Tag. Ich führe mit dem Händler vorab ein oder zwei Gespräche, bereite mich vor, analysiere die Unterlagen und schreibe einen Beratungsbericht im Anschluss. Weitere Telefonate und E-Mails werden natürlich nicht separat verrechnet – das fließt in meine Beratungsgebühr mit ein. Die eigentliche Beratungsleistung sehe ich aber im Verknüpfen von Problemen und individuellen Lösungen. Das lernt man nicht allein im BWL-Studium. Sondern vor allem durch Erfahrung.

Mischkalkulation, Anzahlung, Rabatte, Provisionierung: Teilen Sie Ihr Wissen nur in Einzelterminen oder wird es auch größere Seminare hierzu geben?
Ich biete auch Workshops an, beispielsweise auf ERFA- oder Händlertagungen. Das wird dann aber meistens über eine Gruppierung oder einen Verband ausgesteuert. Möglich sind auch Seminare für Neugründer, Quereinsteigerinnen oder die nächst Generation innerhalb einer Familie.

Gibt es ein Einzugsgebiet für Ihre Beratungstätigkeiten? Oder lassen sich diese auch digital durchführen?
Ich bin primär in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv. Mir ist es wichtig, das Unternehmen wenigstens einmal im Zuge des Prozesses persönlich kennenzulernen. Die erste Kontaktaufnahme erfolgt ohnehin zunächst über Telefon, E-Mail oder LinkedIn.  Natürlich gibt es auch Dinge, die remote funktionieren: Folgetermine, zum Beispiel. Aber vor Ort lassen sich Dinge schneller und persönlicher klären.

Herr Steffens, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Susanne Maerzke