29.04.2014

Beifall für den Umsatzmilliardär

Geplant waren 6% Umsatzplus für das Jahr 2013, geworden sind es 2,8%. Den ungetrübten Blick in die Glaskugel beherrscht also auch nobilia nicht. Dennoch ist die Stimmung im westfälischen Verl gut. Schließlich hat die Unter­nehmens­gruppe erstmalig mehr als eine Milliarde Euro Umsatz erwirtschaftet.

Dr. Günter Scheipermeier, Vorsitzender der nobilia-Geschäftsführung: „Wir sind sehr stolz.“ Fotos: Biermann

„Wo bleibt der Beifall?“, fragte Dr. Günter Scheipermeier, Vorsitzender der Geschäftsführung, bei der Bekanntgabe der Bilanzzahlen gut gelaunt in die Runde der Lokal-, Wirtschafts- und Fachpresse. Rein rhetorisch, versteht sich. Denn ­nobilia ist vom Beifall von außen alles andere als angewiesen. Das Unternehmen strotzt vor Kraft und scheint sich dessen bewusst. Auch im abgelaufenen Jahr setzte das Unternehmen Maßstäbe – trotz der nicht ganz erreichten Ziele. Denn während die deutsche Küchenmöbelbranche im statistischen Durchschnitt etwa 1 bis 1,5% an Umsatz einbüßte, legte der Marktführer erneut zu. In den Worten Scheipermeiers klingt das so: „Auch im Jahre 2013 ist es nobilia gelungen, sich vom Geschäftsverlauf der Branche abzukoppeln und sich oberhalb der Durchschnittswerte der Branche zu positionieren.“ In konkreten Zahlen ausgedrückt: Nach einem Umsatz von 897,9 Mio. Euro in 2012 sind im Jahre 2013 Erlöse in Höhe von 923,4 Mio. Euro erzielt worden. Das Wachstum belief sich damit auf 25,5 Mio. Euro oder 2,8%. Bezogen auf die gesamte Unternehmensgruppe, also inklusive der Umsätze der eigenen Handelsaktivitäten im europäischen Ausland sowie der Beteiligungen, wurde sogar die Umsatzmilliarde (1,003 Mrd.) geknackt. „Darauf sind wir sehr stolz“, stellte ­Scheipermeier sachlich und zugleich sichtbar emotional fest. Mit dem Ertrag sind die Verantwortlichen „nicht unzufrieden“, wenngleich es selbstverständlich keinen Anlass zur Euphorie gäbe, wie es typisch ostwestfälisch lautet. „In Schulnoten ausgedrückt eine Zwei minus,“ kommentierte Beiratsvorsitzender Werner Stickling die obligatorisch nicht konkret beantwortete obligatorische Frage der Presse nach dem Gewinn. Dass das Unternehmen zusätzlich zum tariflichen Weihnachtsgeld jedem der 2550 Mitarbeiter eine Sondergratifikation in Höhe von 1700 Euro brutto auszahlte, legt nahe, dass es sich um eine sehr solide „Zwei minus“ handelt. Etwa 4,5 Mio. Euro hat sich nobilia diese Sonderzahlung zu Weihnachten kosten lassen.

Fast zwei Küchen pro Minute
Mit 5,7 Mio. Schränken und mehr als 1,4 Mio. Arbeitsplatten wurde ein neuer Volumenrekord aufgestellt. „In keiner Stadt in Europa werden mehr Küchenschränke hergestellt als in Verl“, betonte Scheipermeier mit durchaus wahrnehmbarer Genugtuung. Was ihm keineswegs krumm zu nehmen ist, denn auch unter objektiven Gesichtspunkten beeindrucken die Zahlen: Rund 580000 Kommissionen wurden 2013 gebaut. Arbeitstäglich werden an den beiden Standorten in Verl-Sürenheide und Verl-Kaunitz damit 2600 Küchen gefertigt. Das sind 108 Küchen in der Stunde bzw. 1,8 Küchen pro Minute. Etwa die Hälfte der Kommissionen wird komplett mit Elektrogeräten ausgeliefert. Wobei der Anteil der Komplettküchen im Inland nach wie vor deutlich höher liegt als im Ausland. Dabei mache das Geschäft mit den Eigenmarken Progress, Junker und Leonard besondere Freude. Progress wurde jüngst um eine höherwertige Produktpalette unter der Marke Progress Design-Line ergänzt und ­Junker durch die Linie Junker+. „Beide Ergänzungen haben die Marken Progress und Junker in dem mittleren bis höheren Marktsegment stabilisiert“, erläuterte Dr. Scheipermeier. Neben diesen Eigenmarken handelt nobilia nach wie vor mit Geräten von Siemens und Constructa aus dem Hause BSH sowie der Marke AEG aus dem Hause Electrolux. Hinzu kommt Beko von der Arcelik-Gruppe. Der Anteil von Zubehörartikeln wie Spülen, Armaturen und Licht beträgt aktuell 8% am Gesamt­umsatz.

Starkes Inland
Als ein Novum bezeichnet das Unternehmen die Quellen des Umsatzzuwachses. Denn war das Ausland in den letzten zehn Jahren stets für gut zwei Drittel der Zuwächse verantwortlich, hat 2013 der Inlandsmarkt stärker zugelegt als die Exportmärk­te. Der Inlandsumsatz belief sich demnach auf 561,9 Mio. und lag damit um 15,1 Mio. Euro über dem Umsatz des Vorjahres. Das sind + 2,8%. Damit hat das Inlandsgeschäft rund zwei Drittel zum absoluten Umsatzwachstum von 25,5 Mio. Euro beigetragen.
Im Export ist nobilia mit den gleichen Schwierigkeiten und Chancen konfrontiert wie die Branchenkollegen. Schwierig sei es nach wie vor in den Niederlanden, in Spanien und in Italien. Stabil dagegen waren die Märkte in der Schweiz und Öster­reich sowie in Skandinavien. Der größte Exportmarkt der deutschen Küchenmöbler, Frankreich, hat sich leicht rückläufig entwickelt. Auch für nobilia ist Frankreich der größte Exportmarkt. Deutlich mehr Glanz erscheint in Dr. Scheipermeiers Augen, wenn er über China und den mittleren Osten spricht. Im Januar 2014 habe es einen Großauftrag aus dem Reich der Mitte gegeben, und in Saudi-Arabien führe ein wahrer Bauboom zu immer neuen Aufträgen. Der gesamte Exportumsatz 2013 belief sich auf 361,5 Mio. Euro und lag damit um 10,4 Mio. Euro über dem Vorjahreswert (351,1 Mio. Euro). Daraus resultiert für das relative Wachstum im Auslandsgeschäft ein Wert von 3,0%. Die Exportquote beträgt unverändert 39,1%.

Marktposition ausgebaut
Mit dem „erfreulichen Ergebnis“ im Inland konnte nobilia seine Position als Marktführer in Deutschland bestätigen und erneut ausbauen. Laut GfK beträgt der Marktanteil des Unternehmens im Schnitt der ersten neun Monate des vergangenen Jahres 30,5% nach 29,9% im Jahr zuvor. Basis der Berechnungen sind rund 1,2 Mio. Küchen, die pro Jahr in Deutschland laut GfK verkauft werden. Stets ohne Ikea gerechnet, da sich der schwedische Möbelkonzern an keiner Statistik beteiligt.
Neben der Betrachtung des Gesamtmarktes differenziert die GfK nach den Vertriebsschienen Einrichtungshäuser, Mitnahme/SB und Küchenspezialisten. Grob betrachtet, wird etwa die Hälfte der in Deutschland verkauften Küchen über die Einrichtungshäuser verkauft, während die andere Hälfte zu etwa gleichen Teilen über Selbstbedienungs- und Mitnahmemärk­te sowie über Küchenspezialisten vertrieben wird. Die Vertriebswegestatistik zeigt, dass 40% aller in Einrichtungshäusern verkauften Küchen von nobilia kommen (2012: 38%). Bei den Küchenspezialisten beträgt dieser Anteil 25,7% (25,4%) und im Segment Discount/SB 18,3% nach 19% im Vorjahr. Da nobilia ausschließlich montierte Schränke verkauft und keine zerlegte Ware, ist für Dr. Günter Scheipermeier der moderate Rückgang im Preiseinstieg des Marktes nachvollziehbar.
Der statistische Endverbraucher-Durchschnittspreis auf dem deutschen Markt belief sich in 2013 auf etwa 5900 Euro pro Küche. Dieser Wert entspricht fast auf den Euro genau dem durchschnittlichen Endverbraucherpreis der 370.000 von nobilia gelieferten Küchen. Eine Differenzierung nach Endverbraucher-Preisgruppen zeige, dass knapp 70% aller Küchen in einer Preisspanne von 2000 bis unter 10000 Euro verkauft werden. In dieser breiten Mitte des Marktes fühlt nobilia sich traditionell pudelwohl. Was Dr. Scheipermeier dazu verleitet, der Presse ein druckreifes Zitat in die Blöcke zu notieren: „Wo die Masse tobt, sitzen wir breit und komfortabel.“

Blick nach vorn
Und wie wird 2014? „Geplant ist für das Gesamtunternehmen ein Umsatzwachstum, das zumindest dem Umfang des Jahres 2013 entsprechen sollte“, sagt Dr. Scheipermeier. Eine Glaskugel hat er dafür erneut nicht zurate gezogen. Er verlässt sich lieber auf mathematische Wahrscheinlichkeiten sowie auf prägende Marktindikatoren wie Neubauquote („weiter steigend“) und Anschaffungsneigung der Verbraucher („unverändert hoch“). Insoweit sei das „Stimmungsbild“ am Inlandsmarkt durchaus positiv, so der nobilia-Chef. Die Auslandsmärk­te zeigten sich dagegen unverändert differenziert: „Der Süden Europas hat die Folgen seiner Krise immer noch nicht überwunden. Der französische Markt ist als stabil bis leicht stagnierend einzuschätzen. Und die übrigen Kernmärkte in Europa werden sich voraussichtlich positiv entwickeln.“ Bei einem Auslandsanteil von etwa 40% werde daher die Verfassung der Auslandsmärkte den Geschäftsverlauf 2014 bei nobilia maßgeblich mitbestimmen, so die Prognose. Es muss also weiter hart fürs Geld gearbeitet werden. Auch in Verl. Aber Beifall bekommt man schließlich nicht umsonst.
Dirk Biermann

www.nobilia.de


Weitere Zahlen und Projekte

  • Investitionen
    57,5 Mio. Euro
  • Mitarbeiter
    2550 (2.446)
  • Auszubildende
    106
  • Zertifizierung des Energie-Managementsystems durch den TÜV Rheinland (DIN EN ISO 50001)
  • Umstellung der gesamten Lkw-Flotte auf die neuste Schadstoffklasse Euro 6 bis spätestens 2019 (36 Lkws sind bereits umgestellt)