11.12.2021

Das eigene Küchenstudio als unterschätzte Altersvorsorge

In der Regel sind Unternehmer und Selbstständige von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Das bedeutet: Sie müssen ihr Leben im Ruhestand in die eigene Hand nehmen. „Der eigene Betrieb kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten – das gilt auch für das Küchenstudio“, sagt Ingo Anneken von der SEB Steuerberatung.

Ingo Anneken ist seit 2009 Geschäftsführer der SEB Steuerberatung und unter anderem Fachberater für Unternehmensnachfolge. Foto: SEB

Wer den Sprung in die Selbstständigkeit wagt, ist meist vom Typ her ein Mensch, für den Eigenverantwortung kein Fremdwort ist. Entscheidungen zu treffen, niemanden über sich zu haben, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen – das sind die Impulse, die die meisten Menschen in die Selbstständigkeit treibt. Unternehmertum bedeutet auf der anderen Seite aber auch, dass man sich eigenverantwortlich Risiken stellen und die eigene Lebensführung absichern muss – und dazu gehört auch der Ruhestand. Die meisten Unternehmer setzen dabei auf bekannte Instrumente: auf vermögensbildende Lebensversicherungen oder Rentenversicherungen oder auch auf die freiwillige Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung. Nur jeder Dritte sieht den eigenen Betrieb als wichtigen Teil der Altersvorsorge. Nur jeder Zehnte verlässt sich ausschließlich auf das eigene Unternehmen. Letzteres kommt für die meisten Küchenstudio-Inhaber nicht in Frage, trotzdem kann das eigene Unternehmen durchaus in die Planung der Altersvorsorge einbezogen werden. Und zwar aus einem einleuchtenden Grund: Mit einem etablierten Küchenstudio hat der Inhaber wichtige Vorarbeit geleistet, die nach Jahrzehnten erfolgreichen Betriebs gerne mal in Vergessenheit gerät.

Aller Anfang ist mühsam
Wer als Existenzgründer ein Küchenstudio aufbauen will, hat eine Menge zu tun. Im ersten Schritt muss er sich einen Standort suchen, der verkehrsgünstig gelegen ist, und von dem er vermutet, dass er ausreichend Kunden anziehen wird. Ist dieser Ort gefunden, muss die Unternehmung finanziert werden. Nach dieser Hürde geht es dann an die Geschäftsausstattung: Der Küchenstudio-Inhaber muss die Außenansicht festlegen, Musterküchen aussuchen, Arbeitsplätze einrichten, für die technische Ausstattung sorgen, Personal suchen und einarbeiten, die Betriebsorganisation auf die Beine stellen, Werbung schalten – und wenn die lange Liste an Erfordernissen abgearbeitet ist, auf Kundschaft warten. Erfahrungswerte zeigen, dass es mindestens drei Monate dauert, bis die Deckungsbeiträge aus dem Küchenverkauf für die Fixkosten und den Lebensunterhalt einschließlich der Kranken- und Altersversorgung ausreichen. Im Einzelfall kann es auch durchaus vorkommen, dass der Zeitraum zwischen Eröffnung des Küchenstudios und einem zufriedenstellenden Geschäftsverlauf zwei Jahre beträgt.

Vorarbeit ist Geld wert
Warum über Existenzgründer reden, wenn es um Altersvorsorge geht? Ganz einfach: Das Gesagte verdeutlicht, wie viel Risikobereitschaft, Langmut und Engagement ein Existenzgründer aufbringen muss, bis er die Früchte seiner Arbeit ernten kann. Und hier kommt das Küchenstudio als Altersvorsorge ins Spiel. Dem Jungunternehmer könnte es nämlich durchaus etwas wert sein, sich die beschriebene Vorarbeit zu sparen und ein eingespieltes Unternehmen mit nachweislich guten Erträgen, einem ausreichend großen Kundenstamm, kompetenten Mitarbeitern und allem, was sonst noch zu einem Küchenstudio gehört, zu übernehmen. Die Frage ist: Worin liegt der Wert und wie hoch ist er? Der bisherige Inhaber muss sich zunächst davon verabschieden, dass sein „Lebenswerk“ als Gesamtheit in den Preis einfließt. Oftmals haben diejenigen, die an einer Übernahme interessiert sind, einen ganz anderen Geschmack, würden das Studio also komplett anders einrichten oder auf eine andere Organisation setzen. Trotzdem überwiegen für ihn die Vorteile einer Übernahme bei weitem – zumal sich Organisation und Einrichtung ändern lassen.

Wie berechnet sich der Wert?
Der Altunternehmer sollte sich des Wertes seines Küchenstudios bewusst sein. Dazu zählt vor allem die Aufbauleistung – und der Kundenstamm. Die Einrichtung an Musterküchen hingegen fließt allenfalls in den Wert mit ein, gehört aber ähnlich wie die Einrichtung zu den Dingen, die der Nachfolger oftmals als erstes ändern möchte. Ausschlaggebend für die Wertberechnung sind andere Faktoren. Entscheidend für den Verkaufswert des Studios ist in erster Linie der künftig zu erwartende Gewinn. Ein Käufer rechnet dabei gewöhnlich wie folgt: Vom erwartbaren Gewinn zieht er den Verbrauch für seinen Lebensunterhalt ab. Damit erhält er den Betrag, mit dem er den Kredit, den er aufgrund des Kaufpreises aufgenommen hat, abzahlen wird. Nächster Faktor ist die Kreditlaufzeit. Hier wird zumeist angepeilt, innerhalb von sieben bis acht Jahren wieder schuldenfrei zu sein. Die Formel lautet also: Zukünftiger monatlicher Gewinn abzüglich Lebenshaltungskosten mal zwölf mal sieben ist gleich der Kaufpreis.

Was beim Verkauf noch beachtet werden sollte
In die Kaufpreisfindung fließen noch weitere Komponenten ein: Musterküchen, EDV, Organisation, etc. können je nach Zustand als Zu- oder Abschlag betrachtet werden. Ist die Ausstattung in gutem Zustand und aktuell, steigt der Kaufpreis. Hat sie ihren Zenit überschritten, wird über einen Abschlag verhandelt. Sind die Verhandlungen abgeschlossen, kommt der schwierigste Moment der Transaktion: die Finanzierung des Kaufpreises. Hier wird es besonders kniffelig, wenn auch das Grundstück, auf dem sich das Küchenstudio befindet, verkauft werden soll. Es empfiehlt sich an dieser Stelle, die Vorgänge zu trennen. So ist es möglich, das Risiko der Banken aufzuteilen und ihnen damit die Finanzierungsentscheidung zu erleichtern. Da ein Verkaufsprozess in diesem Umfang nicht ohne Komplikationen ist und die beiden Parteien zum Teil gegenläufige Interessen haben, ist darüber hinaus anzuraten, den Verkauf durch einen Fachmann begleiten zu lassen – damit am Ende alle zufrieden sind. Und wenn der Verkauf unter Dach und Fach ist, wird der Altbesitzer eins merken: Seine Unternehmung hat ihn nicht nur durch das Berufsleben getragen – sie trägt auch einen beträchtlichen Teil zum Ruhestand bei. Wieviel das ist, ist von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich. Doch ein Kaufpreis von einem Jahresgewinn mal drei bis fünf kann der Verkäufer nach der obigen Formel durchaus erwarten.  

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