Die Durchreiche verändert alles
Was war die räumliche Ausgangssituation für diese Planung?
Wir hatten es mit einer Küchenmodernisierung im Bestand zu tun. Baujahr des Hauses: 1958. Die Küche: 8,5 qm. Die Bauherren sind auch die Eigentümer.
Also eine typische Situation für Küchen in Häusern aus dieser Zeit.
In der Tat. Dazu Vis-à-vis zur Zimmertür zwei vergleichsweise schmale, tiefgezogene Fenster mit einer Brüstungshöhe von lediglich 78 cm.
Optisch also reizvoll, aber die Wand fällt für die Möblierung aus.
Und darüber hinaus eine der beiden noch verbleibenden Zeilenwände beschränkt, weil die Möbel mit einer Arbeitshöhe von 95 natürlich nicht von Wand zu Wand geplant werden können. Außerdem ist der einzige Heizkörper im Raum auch noch unter dem rechten der beiden Fenster platziert und konnte ebenfalls nicht umbaut werden.
Was hat die Bauherren dazu bewogen, jetzt zu modernisieren?
Auf jeden Fall nicht der Zustand der vorhandenen Einrichtung. Die Möbel mit Melaminfronten und HPL-Arbeitsflächen waren nach 14 Jahren Küchenalltag noch überraschend gut in Schuss. Auch die E-Geräte von AEG funktionierten einwandfrei. Deshalb ging die Küche nach der Demontage auch nicht in die Verwertung, sondern wird als Spende in einem Begegnungszentrum der Stadt Bad Salzuflen weiter genutzt. Lediglich der Compositspüle und der tropfenden Armatur merkte man ihr Alter und die ständige Beanspruchung an. Ein echter Schwachpunkt war allerdings die Wandhaube im Umluftmodus aus dem Einstiegsbereich, die außer Krach nichts beizusteuern hatte. Außer Licht fürs Kochfeld zu spenden. Das war wohl ihre Kernkompetenz. Zum Abzug der Kochdünste wurde sie angesichts der nicht vorhandenen Leistung und der nervigen Lärmbelastung jedenfalls gar nicht erst genutzt.
Was ärgerlich ist, aber wohl nicht der ausschlaggebende Modernisierungsgrund war.
Es war schlicht zu wenig Arbeitsfläche vorhanden. Das war der Hauptgrund. Hauptarbeitsbereich war die 2,50 m lange Zeile mit Spüle samt Abtropffläche und 70 cm breitem Kochfeld. Zwischen Feuer- und Wasserstelle – beides aufgesetzt montiert – blieben nur 23 cm Platz. Rechts vom Kochfeld noch 20 cm und links von der Abtropffläche 40 cm. Dort stand auch noch der Thermomix. Die gesamte Essenszubereitung fand also praktisch auf einem Schneidebrett auf der Abtropffläche der Spüle statt.
Warum haben sich die Bauherren vor 14 Jahren auf eine solche Planung eingelassen?
Sie hatten das Haus erst vor vier Jahren gekauft. Die Küche war also schon da.
Und die Arbeitsfläche auf der linken Seite?
Sie wurde zur Hälfte von einem Einbaukühlschrank und einem hocheingebauten Einbaubackofen eingenommen, auf der anderen Seite der L-Zeile schmälerte ein Rollladenschrank die frei verfügbare Arbeitsfläche. Außerdem mussten auf dieser Seite der Kaffeevollautomat sowie Toaster und Wasserkocher untergebracht werden.
Wie haben Sie die Situation entschärft und die verfügbare Arbeitsfläche erweitert?
Indem wir Kochfeld und Wasserstelle getrennt und für beide den flächenbündigen Einbau gewählt haben.
Wie ließ sich das in den Gesamtkontext der Planung integrieren? Gab es konkrete Vorstellungen und Wünsche der Bauherren?
Die Bauherren wollten den Küchenraum durch einen Durchbruch zum Wohnbereich öffnen. Das bot sich an, weil auf der anderen Seite der große Eichen-Esstisch steht, an dem gerne Freunde und die Familie bewirtet werden, und außerdem der Blick über die überdachte Terrasse hinaus in den grünen, eingewachsenen Garten geht. Es sollte jedoch keine komplette Öffnung mit der Herausnahme der gesamten Wand sein, sondern ein großzügiger Durchbruch mit einer Breite von 150 cm auf Arbeitsflächenniveau. Die Arbeitsplatte sollte durch die Wandöffnung geführt werden, um die beiden Räume optisch und funktional zu verbinden. Kombiniert mit einer Reihe von 38 cm tiefen Geschirrschränken auf der Esszimmerseite.
Und es gab einen weiteren Wunsch: Die neue Küche sollte etwas wohnlicher wirken als bisher, aber dennoch klar als Küche erkennbar sein. Im modernen Landhausstil mit Industrial- und Vintage-Elementen. Und ohne Hänge- oder Oberschränke. Grifflose Möbel waren aus Geschmacksgründen ausgeschlossen.
Welche Ausstattung haben Sie dafür empfohlen?
Lackierte Kassettenfronten von Rotpunkt Küchen in „Just Grey“ mit markanten Knöpfen im Vintage-Design, das Nischensystem „Wall Solutions“, ebenfalls von Rotpunkt, mit integrierten Funktionsleisten für flexibel positionierbare Einhängeelemente im wohnlichen Holzton „Nature Split Oak“, eine schwarze Steinarbeitsplatte im Design „Nero Assoluto“, offene, beleuchtete Regale an der Spülenseite und eine umlaufende LED-Beleuchtung am oberen Rand der Wandelemente an der Kochfeldseite. Alle Umfeldteile in Mattschwarz.
Wie haben Sie das reduzierte Stauraumangebot in den Griff bekommen?
Die Bauherren haben gute Vorarbeit geleistet. Sie haben ihre alten Küchenschränke probeweise komplett ausgeräumt und wirklich nur das wieder in die Schränke und Auszüge gepackt, was sie wirklich wollten und brauchten. Alles andere wurde aussortiert. Und siehe da: Die alten Hängeschränke blieben fast leer. Da es in einem Nebenraum Stauraumreserven für Lebensmittelvorräte gibt und die vier zusätzlichen Geschirrschränke auf der Esszimmerseite Teil der Planung sind, war die Umsetzung kein Problem. Außerdem haben wir auf der Spülenseite eine etwas tiefere Arbeitsfläche von 65 cm geplant. Dies fördert die Bewegungsfreiheit. Auf der Kochfeldseite war durch die durchgehende Arbeitsfläche ohnehin eine großzügige Situation gegeben.
Und die weitere Ausstattung?
Auf der Wasserseite: die Einbeckenspüle „Bela 57 F“ von systemceram für den flächenbündigen Einbau kombiniert mit dem Einhebelmischer „Talis M54“ von Hansgrohe mit Schlauchauszug und „S-Box“ im Unterschrank. Die Spüle passend in Schiefer, die Armatur in Mattschwarz.
Und die Geräte?
Eine Vollausstattung von Neff. „Slide&Hide“-Backofen mit Dampffunktion, „NoFrost“-Kühl-Gefrierkombination mit zwei Frischeschubladen und ein XL-Geschirrspüler. Highlight ist die 90 cm breite „FlexInduction“ mit ausfahrbarem Dunstabzug und dahinter geschaltetem Plasma-Umluftmodul von Avitana in geführter Umluft. Den Dunstabzug als Umluftlösung wollten die Bauherren nicht verändern. Das breite Kochfeld war ihnen besonders wichtig, denn sie kochen gerne und viel. Wenn Freunde oder die Familie kommen, auch in größeren Mengen. Bis auf das Kühlgerät sind alle Geräte vernetzungsfähig.
Eine Küche ohne Hochschrank bedeutet aber auch, dass der Backofen traditionell in die Zeile integriert werden muss und nicht ergonomisch in Sicht- und Griffhöhe geplant werden kann.
Bekanntlich ist jede Küchenplanung ein Kompromiss. Die Bauherren waren bereit, diesen einzugehen. Die „Slide&Hide“-Funktion mit der komplett versenkbaren Backofentür reduziert die ergonomischen Nachteile jedoch teilweise.
Mussten neben dem Mauerdurchbruch weitere bauliche Veränderungen geplant werden?
Wir haben empfohlen, auf die Zimmertür und den Türrahmen ganz zu verzichten. Der Küchenraum ist jetzt ohnehin einseitig offen und benötigt keine abschließbare Tür. Außerdem öffnete sich die Tür in den Raum hinein und hätte in geöffnetem Zustand die neu gewonnene Bewegungsfreiheit zunichte gemacht. Die alten Jalousiekästen wurden von der Firma, die auch die Maurerarbeiten ausführte, ebenfalls entfernt und nach der Dämmung mit Trockenbau verkleidet. Jetzt wirkt alles weit, offen und frei. Die schlanken Fenster kommen noch besser zur Geltung und vermitteln einen leichten Altbaucharme. Was wiederum zum Stil der Einrichtung passt.
Sind die Bauherren mit dem Ergebnis zufrieden?
Ja, wir konnten den Stil treffen und die Arbeitsbedürfnisse erfüllen. Durch die Wandelemente der „Wall Solutions“ bekommt die Küche eine gemütliche Grundatmosphäre. Das Holz harmoniert sehr gut mit dem Grau der Küchenmöbel und dem Schwarz der Natursteinarbeitsplatte, der Regale, der Spüle und der Armatur. Die Einrichtung wirkt wie aus einem Guss – und durch die großzügige Durchreiche hat sich das Raumgefühl grundlegend verändert.
Was ist ihr persönlicher Favorit bei der Ausstattung? Die Möbel, die Arbeitsplatte, die Geräte oder die Keramikspüle?
Das 90 cm breite Vollflächeninduktionskochfeld mit dem ausfahrbaren Glasschirm des Dunstabzugs ist sicherlich ein Highlight dieser Küche.
Und was sagen die Bauherren?
Ja, das ist schon erstaunlich. Sie sind begeistert von der Planung an sich, von den Geräten, den hochwertigen Oberflächen und der Keramikspüle, aber das Tüpfelchen auf dem i sind für sie – und jetzt halten Sie sich fest: die Vintage-Knöpfe an den Möbeln. Denn die passen optisch zu den Fensterbänken aus dem Jahr 1958, die unbedingt erhalten bleiben sollten. Das Ergebnis ist ein authentischer Charme mit einer Mischung aus Country, Industrial, Vintage und modernem Küchenkomfort. Es ist eine echte Wohlfühlküche geworden, die sich dem Wohnen und der Geselligkeit öffnet.
Dirk Biermann