Einfach und flexibel bleiben
Die Stärken von artego sind geplante Küchen in modernem, oft grifflosem Design zu einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis im Marktsegment von 2.500 bis 15.000 Euro. Also genau dort, wo Hersteller wie nobilia, Häcker, Schüller, Nolte und Bauformat ihr Kerngeschäft sehen. „In diesem Umfeld fliegen wir etwas unter dem Radar“, sagt Jens Oliver Gläsker, seit März vergangenen Jahres Geschäftsführer Marketing und Vertrieb. Doch das ändert sich seit einiger Zeit. In den vergangenen zehn Jahren konnte das Unternehmen seinen Umsatz von 28 Millionen Euro auf aktuell 65,3 Millionen Euro steigern. Auch die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist in diesem Zeitraum gestiegen: von rund 100 auf 170. Das Produkt, die Vertriebswege und die Exportaktivitäten haben sich im Vergleich zu früher ebenfalls massiv verändert.
Denn seine Wurzeln hatte das Unternehmen ursprünglich als Spezialist für zerlegte Küchen. Unter dem Markennamen Hobby Küchen wurden unter dem Dach der ehemaligen Kruse & Meinert-Gruppe seit 1978 zerlegte Möbel für den Küchenmarkt produziert, berichtet Fred Stegkemper, seit März 2022 Geschäftsführer mit den Zuständigkeiten Technik, Einkauf, Materialwirtschaft, Logistik und IT. Den kaufmännischen Part der Geschäftsführung teilen sich Jens Oliver Gläsker und Fred Stegkemper.
Im Zuge der Insolvenz und der anschließenden Einstellung des Geschäftsbetriebs von Kruse & Meinert im Jahr 2003 wurde Hobby Küchen im Rahmen eines MBO (Management-Buy-out) verselbstständigt. Mit Gerhard Meinert als Hauptgesellschafter und den weiteren Gesellschaftern Oliver Gößling, Wilfried Kröger, Jürgen Drescher und Uwe Feistel. Mit der Verselbstständigung wurde ein zweiter Produktionsschwerpunkt aufgebaut: geplante und aufgebaute Küchen.
Abschied von der zerlegten Ware
Die Umbenennung in artego Küchen erfolgte im August 2011. Damals war schon Markus Hillebrand ins Unternehmen eingetreten. Er kam 2009 als Vertriebsleiter von Alno und übernahm im September 2016 die Geschäftsführung des Unternehmens. Das Geschäft mit zerlegten Küchen wurde bis auf einen kleinen Rest komplett aufgegeben und die Vertriebskanäle mit „100 Prozent Fokus“ auf den Möbelgroßhandel ausgerichtet. Statt Baumärkte und SB. „Das hat auch sehr gut funktioniert“, bestätigt Jens Oliver Gläsker, der im Juni 2015 als Vertriebsleiter ins Unternehmen kam. Die Kapazitäten am Standort „Zu den Meerwiesen“ in Bad Oeynhausen waren stets gut ausgelastet.
Inzwischen sind die ursprünglichen Gründer in den Ruhestand gegangen. Auch Markus Hillebrand verließ das Unternehmen im März 2022. Heute leiten Jens Oliver Gläsker und Fred Stegkemper als Geschäftsführer das Unternehmen. Sie sind auch Gesellschafter. Ebenso wie Oliver Gößling und die Familie Meinert. Die Mehrheit der Gesellschafteranteile liegen im operativen Geschäft.
Küchenfachhandel im Fokus
Mit dem kontinuierlichen Wachstum der letzten Jahre hat sich artego erneut gewandelt. Heute macht das Unternehmen 75 Prozent seines Umsatzes mit dem Küchenfachhandel. „Wir wachsen bei allen Küchenspezialverbänden“, erklärt Jens Oliver Gläsker.
Den Erfolg im Küchenfachhandel führen die beiden Geschäftsführer auf Aspekte wie Einfachheit und Flexibilität zurück. „Wir machen nicht alles, aber alles Wichtige“, sagt Fred Stegkemper. Dazu gehören auch Sonderanfertigungen. Auf die Materialien bezogen bedeutet diese Konzentration: Küchenfronten gibt es in Direktbeschichtung, Hochglanz- und Mattlack (jeweils mit PUR-verleimten Kanten oder mit Laserkanten oder umlaufend lackiert) sowie als Glaslaminat und Schichtstoff. Holzdekore sind häufig mit einer Strukturprägung (Synchronpore) versehen und stammen zum Teil aus Italien. Keramikfronten, Echtglas, Furnier oder Massivholz bietet artego dagegen nicht an. Dafür setzte der Hersteller schon früh auf „PerfectSense“-Oberflächen. Das derzeit boomende Thema „Mattlack auf Spanplatte“ wird zur Hausmesse im September mit weiteren Farben ausgebaut. Dann sind es insgesamt sieben. Weiteres Messethema zur KM Küchenmeile wird der Ausbau des Schichtstoffsortiments sein. Hinzu kommt die Erweiterung der Stilrichtung „Modernes Landhaus“. Wobei die Betonung auf modern im Sinne von reduziert liegt, wie Jens Oliver Gläsker betont. Wie es dem Stil von artego entspricht. Die Neuheiten im Landhausbereich resultieren auch aus dem immer enger werdenden Kontakt zu den Studios des Küchenfachhandels. „Immer mehr Küchenspezialisten wollen alles von uns“, sagt der Geschäftsführer. Im Landhaussegment gibt es noch Potenzial.
Vier Produktlinien, ein Handbuch
Die aktuellen Küchen von artego sind im Kern „modern, schlicht und grifflos“. Planbar sind vier Produktlinien, die mit einheitlicher Möbeltechnik (Blum, Kesseböhmer) in einem Verkaufshandbuch detailliert beschrieben werden: „Q3“ als „grifflose Designküche“ mit 780 mm Unterschrankhöhe, „Q2 XL“ als „ergonomische Stauraumküche“ mit 845 mm Unterschrankhöhe, „Q2“ als „anspruchsvolle Systemküche“ mit 780 mm Unterschrankhöhe und „Q1“ ebenfalls als „anspruchsvolle Systemküche“ mit 715 mm Unterschrankhöhe. „Q1“ wird im Halbraster geplant, alle anderen Linien im Raster 13 cm. Die Umstellung aufs Raster erfolgte 2015.
Mit den drei genannten Korpushöhen lassen sich in Kombination mit vier verschiedenen Sockelhöhen und (zugekauften) HPL-Arbeitsflächen in 25 oder 40 mm (plus Pultplatten in 96 mm) Arbeitshöhen zwischen 81 cm und 108,5 cm realisieren. Hängeschränke gibt es für alle Produktlinien einheitlich in Höhen zwischen 390 und 1040 mm.
Und noch weitere interessante Zahlen: Rund 35 Prozent der artego-Küchen werden grifflos mit ausgefrästen Edelstahlgriffmulden (in neun Farben) und mit auf- oder eingesetzten Griffleisten produziert. 65 Prozent aller Unterschränke verlassen die Fertigung in den stauraumoptimierten Komforthöhen 780 mm oder 845 mm. Und dies immer häufiger in der „Außen-wie-innen-Dekorvariante“ Graphit mit anthrazitfarbener Möbeltechnik. Grundsätzlich ist der artego-Korpus in elf Außenfarben erhältlich.
Wachstum speist sich aus dem Holz
Pro Arbeitstag produziert artego derzeit etwa 140 freigeplante Küchen. Dabei konzentriert sich das Unternehmen in erster Linie auf seine Rolle als Möbelhersteller. Zwar sind auf Wunsch auch Geräte von Vestel, Amica, Ignis oder Bauknecht direkt über den Hersteller erhältlich, doch ein Schwerpunkt ist das E-Geräte-Geschäft nicht. „Das Umsatzplus der letzten Jahre kommt aus dem Holzbereich“, sagt Jens Oliver Gläsker.
Gut aufgestellt sieht sich das Unternehmen auch im Export mit einem Anteil von 40 Prozent. Hauptexportmärkte sind die Niederlande, Belgien, Österreich, die Schweiz und Frankreich. Mittelfristig soll der Exportanteil auf 50 Prozent gesteigert werden.
Digital und automatisch
Die aktuelle Marktsituation sorgt in Bad Oeynhausen für große Wachsamkeit, aber nicht für besondere Sorge. „Natürlich spüren auch wir die Beruhigung“, so die beiden Geschäftsführer, „aber es geht eher wieder in Richtung Normalität.“ Mit Lieferzeiten von vier statt zwischenzeitlich 16 Wochen und einer „gut ausgelasteten“ Produktion. Um die Position zu halten und weiter auszubauen, investiert das Unternehmen. Zum einen in die technische Aufwertung des Produkts, wie 2022 etwa in eine Schwerlastaufhängung für die komplett schwebende artego-Küche, zum anderen in Digitalisierung und Automatisierung. Ziel sei es, die gesamte Fertigungssteuerung digital abzubilden. Damit sei man schon sehr weit, aber weitere Investitionen werden folgen. So ist für 2024 unter anderem der Austausch einer kompletten Produktionslinie geplant. Das Investitionsvolumen dafür liegt bei rund 1,5 Millionen Euro. Damit werden die Kapazitäten (und damit die Mengenleistung) und die Flexibilität bei Sonderanfertigungen erhöht. Für artego Küchen sind diese Punkte angesichts der namhaften Konkurrenz im direkten Marktumfeld von besonderer Bedeutung.
Dirk Biermann
Persönliche Betreuung
Was macht artego Küchen besonders? Auf diese Frage haben die Geschäftsführer eine schnelle und klare Antwort: „Unter anderem die persönliche Betreuung“. So hat jeder Kunde seinen festen Ansprechpartner im Innendienst. Und wer will, kann auch die Geschäftsführer persönlich erreichen. Im Außendienst sind fünf feste Mitarbeiter unterwegs, ergänzt durch zwei Handelsvertreter.