23.02.2024

Haarscharf am Monopol vorbeigeschrammt

Die Arbeit des Daten Competence Centers (DCC) erschließt sich eher scheibchenweise. Doch irgendwann wird klar: Ohne dieses Engagement wäre die Küchenbranche nicht das, was sie heute ist. Im November feierte der Verein sein 25-jähriges Bestehen. Ein Gespräch mit DCC-Geschäftsführer Dr. Olaf Plümer.

Dr. Olaf Plümer, Geschäftsführer Daten Competence Center e. V.: „Der Nutzen ist enorm.“ Foto: Biermann

Anika Degenhard leitet im DCC das Thema Standardisierung. Foto: Biermann

Seit 21. November 2023 im Amt: Der aktuelle DCC-Vorstand mit (Foto von links) Uwe Bojarra (Beisitzer), Stephan Wörwag (Kassierer), Dr. Lutz Holtmann (Beisitzer), Peter Jürgens (Vorsitzender des Vorstands) und Dirk Fitzke (Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands). Einen ausführlichen Bericht über die Jubiläums-Mitgliederversammlung lesen Sie auf www.kuechenplaner-magazin.de/suche/news-detail/news/fantastische-branchenloesungen/. Foto: DCC

Herr Plümer, was ist für Sie der Nutzen des DCC für die Küchenbranche?
Ich halte das DCC für systemrelevant. Ohne unser Datenformat und die von uns zur Verfügung gestellte Infrastruktur könnte kein Küchenhersteller am Markt agieren. Auch wenn man natürlich bemerken muss, dass jeder und alles ersetzbar ist. Das gilt auch für das DCC. Aber bei aller Selbstreflexion können wir auch selbstbewusst auf unsere Tätigkeiten blicken. Die große Stärke des DCC ist sicher, dass wir bereit sind, uns immer wieder neu zu definieren. Die Rückmeldung aus unserer Mitgliedschaft zeigt, dass der Nutzen unserer Arbeit, beispielsweise durch eine rückfragenfreie beziehungsweise rückfragenarme Bestellabwicklung sowie durch eine Reduzierung der dateninduzierten Fehlplanungen, enorm ist.

Wo stünde die Branche heute, wenn es das DCC nicht geben würde?
Ohne das DCC würde heute ein einzelnes Software-Haus den Markt monopolartig beherrschen. Das war damals, Ende der 1990er-Jahre, das mögliche Szenario. Und das war zu dieser Zeit auch der Plan einiger Hersteller. Hintergrund war, dass jener Anbieter sowohl Systeme bei der Industrie als auch im Handel installiert hatte. Die gewünschte Monopolisierung war m. E. eine große Fehleinschätzung und hat sich glücklicherweise für die Branche und den freien Markt nicht durchgesetzt.

Die Datenhoheit war also schon immer ein brisantes Thema?
Vor unserer Gründung haben die Software-Häuser das Datenmanagement selbst organisiert. Quasi an der „langen Leine“ der AMK (Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V., Anm. d. Red.). Der VdDK (Verband der Deutschen Küchenmöbelindustrie, Anm. d. Red.) war unzufrieden mit dieser Struktur, da die Software-Häuser die Richtung faktisch vorgaben. Man wollte wieder die Datenhoheit haben. Dies hat übrigens kurzzeitig zu Verwerfungen zwischen VdDK und AMK geführt. Aber die beiden Geschäftsführer Hajo Adler von der AMK und Dr. Lucas Heumann vom VdDK haben dies schnell bereinigt. Die Frage ist also nicht, ob ohne das DCC die Arbeit gemacht worden wäre, sondern von wem in welcher Qualität.

Dann blicken wir doch etwas genauer zurück. Wann wurde das DCC gegründet?
Unser Verband wurde am 8. Dezember 1998 in Herford gegründet. Der Vereinsname lautete „Daten Distribution Zentrum Küche“. Oder kurz DDZK. Die Umbenennung in Daten Competence Center erfolgte im Jahr 2000.

Wer hat die Gründung initiiert und vorangetrieben?
Schon seit 1997 wurde innerhalb des VdDK an der Erstellung eines einheitlichen Datenformats für die elektronischen Küchenkataloge gearbeitet. Grundlage war das damalige AMK-Format 90. Im VdDK gab es bereits einen Fachbeirat IT, aus dem der heutige DCC-Fachbeirat Küche/Bad hervorging. Treibende Kräfte für die Gründung eines eigenständigen Vereins waren VdDK-Geschäftsführer Dr. Lucas Heumann und Siegbert Strecker als damaliger Vorsitzender des VdDK. Hintergrund war neben einem eigenen Etat auch eine andere Mitgliederstruktur als im Bundesfachverband.
Übrigens war ich persönlich schon seit März 1997 als wissenschaftlicher Berater seitens der Uni Paderborn involviert. Dr. Heumann hat mich dann im Jahr 2000 angesprochen, ob ich die Geschäftsführung des DCC übernehmen möchte.

Wer waren die ersten Mitglieder?
Zur Gründung eines Vereins braucht man in Deutschland sieben Mitglieder. Es wurden zunächst einige im Umkreis der Verbandsgeschäftsstelle ansässige Unternehmen angesprochen. Gründungsmitglieder waren die Küchenhersteller Nobilia, BauForMat, Ebke, Rational, Poggenpohl, Nieburg und Wellmann. Schon ein Jahr später kamen eine ganze Reihe weiterer Unternehmen dazu.

Wer waren die ersten Verantwortlichen des Vereins?
Der erste Vorsitzender war Siegbert Strecker aus dem Hause Wellmann. Er hat mich zum 1. Januar 2001 als Geschäftsführer eingestellt. Sprecher des Fachbeirats war Herr Hogrebe von Leicht.

Wer steht heute an der Spitze?
Am 21. November 2023 wurde auf der Jubiläums-Mitgliederversammlung der neue Vorstand gewählt. Oder besser gesagt bestätigt. Denn der neu gewählte Vorstand ist grundsätzlich der bisherige. Mit Peter Jürgens (Polipol) als Vorstandsvorsitzenden, Dirk Fitzke (Nobilia) als dessen Stellvertreter und Stephan Wörwag (DER KREIS) als Kassierer. Hinzu kommen Dr. Lutz Holtmann (Cyncly) und Uwe Bojarra (Nolte Küchen) als Beisitzer. Lediglich Michael Stiehl schied nach drei Amtsperioden auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand aus. Ebenso Dr. Martin Ahnefeld. Die Arbeit der Geschäftsstelle wird von meiner Kollegin Anika Degenhard und mir als Geschäftsführer umgesetzt. Angesichts der Vielzahl an Themen und Terminen teilen wir uns die Gremienarbeit und die Vortragstermine. Allein 2023 hatten wir 30 Gremiensitzungen.

Wie ist der Verein inzwischen organisatorisch in das Netzwerk der Möbelverbände eingebunden?
Formaljuristisch arbeitet der Verein eigenständig, ist aber selbst Mitglied im Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) sowie in der regionalen Organisation „Verbände der Holz-, Kunststoff- und Möbelindustrie Nordrhein-Westfalen“, VHK. Wir arbeiten in einer Bürogemeinschaft. Besitzer der 4. Etage im MARTa und somit unser Vermieter ist der westfälische Möbelverband.

Welche inhaltlichen Verbindungen gibt es?
Inhaltlich profitieren wir von einer engen Verzahnung unserer Ressourcen und Themen. Beispielsweise verantworten Heiner Strack und Jan Kurth im VDM das Thema Kreislaufwirtschaft bzw. Circular Economy. Den Teilaspekt des digitalen Produktpasses, des „DPP“, betreut in diesem Zusammenhang das DCC. Unter Jan Kurth wurde übrigens ein Ressort „Datenkommunikation“ im VDM gebildet, welches wiederum von mir geleitet wird. Viel enger können wir kaum zusammenarbeiten. Das erwarten unsere Mitglieder auch von uns.

Welche Haupttätigkeiten prägen heute die Arbeit des DCC?
Es gibt einige grundlegenden Arbeiten, die wir Jahr für Jahr in den Gremien machen: die Weiterentwicklung der IDM-Katalogformate, Standardisierung und Weiterentwicklung von Formaten für Prozesse wie z. B. Bestellabwicklung oder Lieferschein. Neu sind die Definitionen für Prozesse des Beanstandungsmanagements.
Ferner arbeiten wir an der Präzisierung unserer Klassifizierung für Möbel und Wohneinrichtungen. Dieses wird im Hinblick auf den digitalen Produktpass zunehmend wichtiger. Schließlich nimmt die Weiterentwicklung der 3D-Formate Zeit in Anspruch.

Welche Aktivitäten stehen künftig an? Kurz- und mittelfristig?
Nach der erfolgreichen Pilotphase mit fünf Küchenherstellern steht ganz aktuell das Rollout unseres DCC Digitalindexes an. Mit diesem Tool können die Digitalisierungspotentiale in Unternehmen detektiert werden. Der Digitalindex spiegelt eine Statuszusammenfassung sowie ein grafisch aufbereitetes Scoring wider.
Mittelfristig wird uns die Umsetzung des digitalen Produktpasses stark fordern. Das wird DAS Thema 2024 und 2025!

Wie können sich Mitglieder in die praktische Arbeit einbringen?
Derzeit arbeiten ca. 270 Mitarbeitende aus unseren Mitgliedsunternehmen in zehn Gremien mit. Darüber hinaus haben wir das App- und Web-basierte Kollaborationssystem „Just.Social“, in welchem Daten und Meinungen ausgetauscht werden können. Es gibt dort neben einer gemeinsamen Datenhaltung auch eine Chatfunktion – ähnlich WhatsApp. Jedes Gremium hat einen Gruppenchat, man kann aber auch andere Teilnehmende persönlich anschreiben.

Wer kann überhaupt Mitglied im DCC werden?
Nach der aktuell gültigen Satzung können das Lieferanten von planungsintensiven oder variantenreichen Möbeln, Zulieferteilen oder Einbaugeräten für solche Möbel, Anbieter von Software und IT-Dienstleister für planungsintensive Möbel, Handelsgesellschaften oder Einkaufsverbände des Handels oder deren Mitglieder sowie Unternehmen aus dem Bereich der Logistik. Anderen Branchenorganisationen ist ebenfalls eine Mitgliedschaft möglich.

Wer kann es nicht werden?
Es gibt grundsätzlich keinen Anspruch auf Mitgliedschaft, selbst wenn das Unternehmen unter die obige Definition fällt. Finaler Entscheider ist der Vorstand. Bisher jedoch wurde noch nie ein Beitrittsgesuch abgelehnt.
Es kommt immer mal wieder vor, dass ein Dienstleister unsere Gremien als reine Vertriebsveranstaltung ansieht. Das funktioniert natürlich nicht und wir intervenieren sofort. Meist folgt dann der baldige Austritt.

Wie hoch ist die Mitgliedsgebühr?
Wir haben eine differenzierte Beitragsstruktur, die sich u.a. nach der Unternehmensgröße richtet.

Wie viele Mitglieder aus der Küchenbranche und aus welchen weiteren Bereichen hat der DCC?
Derzeit sind 27 Küchenhersteller bei uns organisiert. Ferner Polster- und Wohnmöbellieferanten, Einkaufsverbände und Händler, Neumöbellogistiker sowie als große Gruppe die Software-Häuser und Datendienstleister. Allein aus dem Küchenumfeld sind 13 Software-Anbieter dabei. In Summe sind rund 80 Unternehmen im DCC organisiert.

Was verpasst ein Unternehmen der Küchenbranche, wenn es sich nicht im DCC organisiert?
Am Umsatz der deutschen Küchenmöbelindustrie gemessen sind 95% der Marktteilnehmer Mitglied im DCC – etwas weniger als im VdDK. Unsere Standards sind frei verfügbar. Die Gestaltung der Standards ist allerdings nur den DCC-Mitgliedern möglich. Auch die Zwischenergebnisse stehen nur dem internen Kreis zur Verfügung. Der kollegiale, bis freundschaftliche Austausch ist unser großes Plus. Als Software-Haus kann man es sich nicht leisten, den Datenstandard erst nach dessen Veröffentlichung zu kennen. Dann kommt man mit der Programmentwicklung nicht mehr hinterher. Die IT-Dienstleister sind somit auch die aktivsten Mitglieder in den Gremien.

Dirk Biermann

 


Zweck und Umfang
In der Gründungssatzung wurde es so formuliert: „Zweck des Vereins ist die Sammlung kaufmännischer, funktionaler und grafischer Daten der Küchenmöbelindustrie, deren Erfassung im Rahmen eines integrierten Datenformats, deren Weitergabe an Software-Häuser und an den Küchenmöbelhandel sowie die Zertifizierung von EDV-gestützten Planungsprogrammen für Küchenmöbel.“ Diese Definition spiegelte in den Folgejahren nicht das tatsächliche, stark erweiterte Arbeitsfeld wider. Seit 2019 lautet das formulierte Ziel: Definitionen aller kaufmännischen, funktionalen und grafischen Daten planungsintensiver Möbel im Rahmen eines integrierten Datenmodells sowie die Organisation der Anlage, der Zertifizierung und der Distribution solcher Daten. „Aber auch diese Formulierung greift bei dem heutigen Portfolio des DCC schon wieder zu kurz“, räumt Geschäftsführer Dr. Olaf Plümer ein. So könnte schon bald eine erweiterte Beschreibung folgen.


Wichtige Begriffe
Katalogdaten… sind die Daten, die ein Küchenplanungsprogramm benötigt, um eine Küche zu planen. Früher gab es sie auch analog als gedruckte Verkaufshandbücher.
Stammdaten… ist in unserer Branche ein Synonym für die Katalogdaten (Artikelstamm). In den Unternehmen gibt es aber weitere Stammdaten (z. B. Personalstamm).
Bewegungsdaten (EDI)… sind Prozessdaten, wie z. B. die gesamte Bestellabwicklung, Lieferschein oder Rechnungen. EDI ist hierbei ein Format und steht für electronic data interchange (elektronischer Datenaustausch).
IDM (Integriertes Datenmodell)… ist unser Format für die elektronischen Kataloge.
XML-Datenformat… Die Extensible Markup Language dient der Darstellung hierarchisch strukturierter Daten im Format einer Textdatei, die sowohl von Menschen als auch von Maschinen lesbar ist. Unser IDM ist so strukturiert, andere Formate ebenfalls. Früher war das IDM eine CSV-Datei (Comma-separated values).
Cat@web… steht abgekürzt für „Kataloge im Netz“ und ist der DCC-Stammdatenserver. Die Katalogdaten nahezu aller Hersteller, die über Küchenplanungsprogramme vertreiben, sind hierüber zu beziehen. Operativer Betreiber ist die Cyncly-Gruppe.
DCC Digitalindex… bietet einen Support bei Digitalisierungsprozessen. Das Tool ist bei der Orientierung eine Basis zur Maßnahmen- und Strategieentwicklung. Es gewährleistet eine Vergleichbarkeit zum Branchendurchschnitt für die Unternehmen der Möbelindustrie.
Mit diesem Tool können die Digitalisierungspotentiale in Unternehmen detektiert werden. Der Index zielt auf die Potentialoptimierung, nicht nur im Unternehmen, sondern in der gesamten Wertschöpfungskette in der Möbelbranche. Der Digitalindex spiegelt eine Statuszusammenfassung sowie ein grafisch aufbereitetes Scoring wider. Die Anonymität der Daten ist selbstverständlich. Mit diesem Tool werden wichtige Meilensteine für eine strategisch, sinnvolle Digitalisierung in der Möbelindustrie gesetzt.
Moebel Digit@l… ist eine Branchenplattform, deren Ziel es ist, den interessierten Marktteilnehmern entlang der Wertschöpfungskette Einrichten einen zentralen Zugriff auf Informationsmaterial, Qualifizierungsmöglichkeiten und Schulungsangebote zum Themenbereich der Digitalisierung in der Möbelbranche anzubieten. Hier finden sowohl erfahrene als auch unerfahrene Unternehmen praxis- und mehrwertorientierte Inhalte und sind eingeladen sich auszutauschen.
Informationen zum Digitalen Produktpass (siehe Interview-Text) gibt es auf https://www.moebeldigital.de/de/eine-herausforderung-fuer-jedes-produzierende-unternehmen/. Quelle und weiterführende Informationen: https://www.moebeldigital.de/de/wissen/#glossar