„Jeder sollte seine Schmerzgrenze kennen“
Nach zwei Monaten Corona-Ausnahmezustand stehen Küchenstudios unter den bekannten Auflagen wieder für den Kundenverkehr offen. Es wird wieder Umsatz gemacht. Auch wenn noch keiner genau weiß, welche Auswirkung die monatelange Störung der globalen Wirtschaftsströme haben wird, ist doch eins klar: Ganz ohne Einbußen wird es nicht gehen. Und Einbußen bedeuten auch, dass private Investitionen in die Wohnungsrenovierung zurückgestellt werden. Küchenstudios, die sich für die Zeit nach Corona vorbereiten wollen, tun also jetzt gut daran, ihre Marktposition zu stärken. Die Devise sollte lauten: „Was ich verkaufe, wird nicht bei jemand anderem gekauft.“
Ernsthafte Kaufabsichten
Im Einzelhandel gelten auch jetzt eine Menge Regelungen, die die Geschäftstätigkeit einschränken. Allen voran die Abstandregelung, die verhindert, dass viele Menschen sich gleichzeitig im Geschäft umsehen können. Aber auch die Beratung wird durch Mundschutz & Co. erschwert. Doch die ersten Erfahrungen im Küchenhandel zeigen auch eine durchaus positive Entwicklung: Wer jetzt ins Küchenstudio kommt, bringt eine ernsthafte Kaufabsicht mit. Diejenigen Kunden, die sich „einfach nur mal umschauen“ wollen, sind seltener geworden. Für den Küchenverkäufer bedeutet das: Er kann die Kunden, die in sein Studio kommen, mit allen Mitteln zum Käufer machen – und dabei spielt der Preis eine wesentliche Rolle.
Preisgestaltung nach Corona
Vor Corona hatte sich das aggressive Preisgebaren im Küchenhandel etwas beruhigt. Die Geiz-ist-geil-Zeit wurde abgelöst von höheren Ansprüchen an Qualität, Nachhaltigkeit und Beratung, für die dann auch gerne etwas mehr Geld in die Hand genommen wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich das jetzt, zumindest vorübergehend, wieder ändern: Je weniger Geld die Menschen zur Verfügung haben, je größer die Unsicherheiten hinsichtlich der Zukunft sind, desto stärker ist der Wunsch, das Geld zusammenzuhalten. Die Folge: Die aggressiveren Marktteilnehmer gehen in jedes Kundengespräch mit dem Gedanken: „Jeder Kunde, der den Laden betritt, geht mit einer Küche von mir wieder raus. Koste es, was es wolle.“ Neben der besten Beratung, den besten Ideen, der besten Auslieferung und Montage gehört dazu auch der beste Preis. Und zwar ein Preis, für den diese Küchenstudios auch an die Schmerzgrenze gehen.
Wo liegt die persönliche Schmerzgrenze?
Egal, wie die Strategie eines Küchenstudios aussieht und unabhängig davon, was für den Einzelnen der richtige Weg ist, sollte jeder Teilnehmer seine Schmerzgrenze kennen. Doch wie ermittelt man diese? Zunächst gilt die Faustregel: Fixkosten schreien nach Deckung. Die Fixkosten sollte jedes Küchenstudio, das im Rahmen der Corona-Maßnahmen Hilfen beantragt hat, kennen. Denn sie mussten im Soforthilfeantrag angegeben werden. Addiert man hierzu die Festgehälter, steht der Betrag fest, den man für die Mindestumsatzberechnung benötigt. Denn dies ist der Betrag, den sie mit ihrem Umsatz mindestens decken müssen, ohne in die Gefahr einer Insolvenz zu geraten.
Um im nächsten Schritt den Mindestumsatz zu ermitteln, sollte ein Blick auf den bisherigen durchschnittlichen Rohgewinn geworfen werden. Die Formel lautet: Umsatz minus Einsatz minus Skonti minus Boni zuzüglich Aufbaukosten. Das Ergebnis wird ins Verhältnis zum Nettoumsatz oder zum Wareneinsatz gesetzt – und so ist die Frage beantwortet, wie hoch der Mindestumsatz sein muss.
Vom Mindestpreis zum idealen Gewinnpunkt
Wer seinen Mindestumsatz kennt, kann die Preisgestaltung aktiv angehen. Aus der Erfahrung zeigt sich allerdings, dass Küchenstudio-Inhaber noch mindestens zwei weitere Punkte berücksichtigen sollten: einen Sicherheitszuschlag und den Mindestprivatverbrauch bzw. das eigene Mindestgehalt. Sind diese beiden Werte zum Mindestumsatz addiert, steht der Gewinnpunkt fest – denn jeder Euro, der über diese Summe hinaus eingenommen wird, verursacht den Gewinn. Wenn nun über den Gewinnpunkt hinaus Umsätze geschrieben werden können, verursachen diese zwar variable Wareneinsätze; es entstehen zunächst aber keine Mehrkosten, die in die Fixkosten einzubeziehen wären. Der Rohgewinn, der aus diesen Umsätzen generiert wird, fließt also direkt in den Gewinn ein.
Diese Überlegung ist Ausgangspunkt für den idealen Gewinnpunkt: Vor Covid-19 war es so, dass viele Küchenstudios nicht unter einen bestimmten Rohgewinn gegangen sind und dem Kunden, der nicht bereit war, diesen zu zahlen, lieber der Konkurrenz überlassen haben. Jetzt sollte man anders denken: Jeder Kunde, der keinen Verlust verursacht, sollte gewonnen werden. In normalen Zeiten sollte der Gewinn rund 6% vom Nettoumsatz betragen. Jetzt sollten Küchenstudios diese 6% vergessen – und stattdessen von Kunde zu Kunde schauen, wie weit man gehen kann. Immer im Hinterkopf dabei: Wenn ich viele Küchen bei geringerer Marge verkaufe, erreiche ich meinen Gewinnpunkt – und wenn dieser erreicht ist, ist jeder Rohgewinn aus der verkauften Küche gleich Gewinn. 20% Rohgewinn sind 20% Gewinn. Und es ist ein Kunde mehr, der nicht bei der Konkurrenz gekauft hat und das Studio eventuell weiterempfehlen wird.
Ein weiterer Vorteil der Masse: Boni kassieren
Aus dieser Strategie erwächst dann noch ein weiterer Vorteil: Küchenstudios erhalten Boni von den Herstellern. Je mehr verkauft wird, desto höher fallen die Boni aus. Und diese Boni können wiederum die straffer kalkulierten Küchenmargen zumindest teilweise ausgleichen.
Bis die Küchenbranche wieder in ruhige Fahrwasser zurückkehren und an die erfolgreichen ersten Wochen des Jahres anknüpfen kann, wird es wohl noch etwas dauern. Hoffentlich nicht zu lange, denn es macht sicherlich mehr Spaß, hochwertige Küchen mit hohen Margen zu verkaufen. Glücklicherweise sind die Fachmärkte gegenüber der Großfläche begünstigt und wenn jetzt, wie es die Großfläche sicherlich auch tun würde, preisaggressiv gearbeitet wird – dann bestehen ganz gute Chancen, dass 2020 doch noch ein gutes Jahr wird
Volker Schmidt und die SEB Steuerberatung
Volker Schmidt ist nicht nur Steuerberater und Vereidigter Buchprüfer – er ist ebenfalls Fachberater für Unternehmensnachfolge und für die Umstrukturierung von Unternehmen sowie Datenschutzbeauftragter insbesondere für den Küchenhandel. Die SEB Steuerberatung beschäftigt 50 Mitarbeiter und ist seit 1990 auf den Kücheneinzelhandel spezialisiert. Derzeit betreut die Beratungsgesellschaft rund 80 Kücheneinzelhandelsunternehmen unterschiedlicher Größen mit diversen Verbandszugehörigkeiten. Die persönliche Betreuung hinsichtlich betriebswirtschaftlicher, steuerrechtlicher, buchhalterischer und datenschutzrechtlicher Fragen steht dabei im Vordergrund. (Volker Schmidt)