10.04.2012

Wer den Elektrohandel kennt, weiß, warum die Weiße Ware so heißt. Akkurat reihen sich Waschmaschinen, Trockner, Herde, Geschirrspüler und Kühl-Gefriergeräte aneinander, dass es nur so blitzt. Die bunten Vögel der Zunft und der Adel in Edelstahl separieren sich lieber in eigenen Zonen. Man bleibt auch bei Geräten halt gern unter sich.

Wer den Elektrohandel kennt, weiß ebenso um die Nöte vieler Kunden, die durch die Gänge irren und sich fragen: „Wie kriege ich die denn bloß auseinander gehalten, die sehen ja alle gleich aus – alles Weiß?!“ Waschmaschinendesigner mögen an dieser Stelle gequält aufstöhnen, doch lassen wir diese Nöte für einen Moment außen vor. In den Kolonnen der Weißen Ware ähneln sich tatsächlich viele Geräte. Vielleicht nicht wie ein Ei dem anderen aber fast.
In der größten Not hat der Gesetzgeber das Energielabel erfunden, und das war ein großer Wurf. Seitdem können die Maschinen noch so treu mit Bullauge und LCD-Display klimpern – das standardisierte Etikett offenbart schonungslos, wie es bestellt ist um die Leistungen beim Waschen, Trocknen, Kühlen, Spülen, Backen und Gefrieren. Damit niemand schummelt und die Transparenz der inneren Werte auf den ersten Blick deutlich wird, wurden die Händler verpflichtet, diese Basis-Informationen gut sichtbar von außen an das Gerät anzubringen.
Man möchte an dieser Stelle applaudieren ob des Ideenreichtums der Bürokratie – und selbst vereinzelte Jubelrufe wären angebracht. Endlich eine EU-Bestimmung mit praktischem Wert. Und weil nur eine eingehaltene Regel eine gute Regel ist, patrouillieren Verbraucherschützer durch die Läden der Republik und melden Verstöße. Allerdings petzen die Wächter nicht einfach bei der Behörde, sondern schicken kostenpflichtige Abmahnungen – was niemand fröhlich stimmt, wenn er nicht gerade Rechtsanwalt ist.
Klarheit beim Gerätekauf ist grundsätzlich begrüßenswert. Eine dramatische Wende erhält die Geschichte, weil Elektrogeräte auch als Einbaugeräte angeboten werden. „Wohin nur mit dem Energielabel?“, mag mancher Händler bei der Einführung überlegt und die Dokumente kurzerhand in den Geräten deponiert haben. „Man guckt ja eh hinein“, so die Überzeugung. Zudem sei die Außenkennzeichnung schwierig bei einer verbauten Kühl-Gefrierkombination oder einem vollintegrierten Geschirrspüler.
Alltagsnöte wie diese sind Vereinen, die aufpassen, dass alles wie vorgeschrieben gemacht wird, völlig egal. „Was Recht ist, muss Recht bleiben“, geben sich diese Organisationen dogmatisch und schicken munter Abmahnungen, wenn sie fehlende Energielabel aufspüren – und das kann richtig teuer werden für die überführten Händler. Für Wiederholungstäter sollen gar Strafen von 5000 bis zu 10.000 Euro möglich sein.
Der hier geschilderte Sachverhalt ist keineswegs neu – und doch aktuell. Und brisant dazu: Denn viele Küchen- und Einrichtungsfachhändler ignorieren die Rechtslage. Manche aus Bequemlichkeit, manche aus Unkenntnis. Andere weigern sich bewusst, ihre mit viel Liebe fürs Detail hergerichteten Ausstellungen zu verschandeln, indem sie bunte Aufkleber aufs Möbel kleben. Das sieht schließlich blöd aus und kann je nach Lichtintensität und auf Dauer die Front beschädigen. Was im Elektrofachhandel als lobenswerte Verbraucheraufklärung zu glänzen versteht, zündet im Küchen- und Einrichtungshandel nicht. Jedenfalls nicht 1:1.
Die äußere Kennzeichnung von Einbaugeräten ist unsinnig, und der Widerstand beginnt sich nun endlich branchenübergreifend zu formieren. Vor wenigen Monaten erst haben sich einige Händler aus Norddeutschland gemeinsam an die Fachpresse gewandt, um ihren Unmut auszudrücken und Konsequenzen einzufordern. Inzwischen koordiniert und organisiert der Branchendienst markt intern den Protest, um konkreten politischen Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Die namhaften Küchenverbände sind ebenfalls am Thema.
Der Amtsschimmel ist aufgefordert, in die Hufe zu kommen und die Regelung zur Kennzeichnung von Elektrogeräten mit dem Energielabel an die Handelsrealität anzupassen. Und zwar dringend, damit Abmahnvereinen endlich die Grundlage entzogen wird.
Bis es zu einer Änderung der Bestimmungen kommt, ist das Vorgehen dieser Vereine jedoch rechtlich völlig legal. Ärger hin oder her: Im Moment kommt der Küchen verkaufende Handel am Kleben des Labels nicht vorbei – der vielstimmige Protest kann die Zeit der möglichen Scherereien indes verkürzen, meint

Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de