25.04.2023

Wenn wir Vernetzung sagen, denken wir an Geräte. Doch das ist eine Vorstellung von gestern. Küchenmöbel werden zunehmend zur Basis vielfältiger smarter Funktionen rund um Bewegung, Licht und Sound. Und zur Ladestation für smarte Endgeräte. Brauchen Möbel in Zukunft einen eigenen Stecker?

 

Christian Weiland, Produktdesigner aus Nürnberg: „Mehrwert schaffen für Küchennutzer und Küchenmöbelhersteller.“ Foto: Weiland

Licht hellt auf, setzt in Szene, verbessert die Übersicht und schafft eine besondere Atmosphäre. Foto: Blum

Licht lässt sich immer punktueller einsetzen. Das demonstriert Häfele mit eigenen Produkten im neuen Showroom „Blackbox“ in Stuttgart.

Planung und Steuerung von Licht für Möbel und Raum aus einer Hand: Je nach Nutzung eines Raumes lässt sich damit stets die passende Beleuchtung und Stimmung schaffen. Foto: Häfele

Die Technologie dahinter: Vernetztes Strom- und Lichtmanagement: Auf der Sicam zeigte das Bad Oeynhausener Unternehmen Confurm das System „Conexis“. Produktdesigner Christian Weiland war an der Entwicklung beteiligt. Foto: Confurm

Diese Frage stand im Verlauf eines Gesprächs mit Christian Weiland plötzlich im Raum. Denn wie viele andere Fachleute geht auch der Nürnberger Produktdesigner davon aus, dass die gegenwärtige Integration von Licht und elektrischen Funktionen in Küchen und Möbeln erst der Anfang ist. Trotz der bereits heute vielfältig realisierbaren Beleuchtungsmöglichkeiten: von Sockeln, Griffprofilen, Arbeitsflächen, Nischenverkleidungen, Regalen, Schränken, Vitrinen und Auszügen. „Die Küche öffnet sich dem Wohnen“, sagt Weiland, „das bringt Entwicklungen auf vielen Ebenen mit sich.“ Und diese reichen zum Thema Licht und Strom bis tief in das jeweilige Möbel hinein. Denn mit dem, was die Nutzerinnen und Nutzer sehen oder wie sie es bedienen können, ist es nicht getan. „Natürlich wollen diese Schnittstellen attraktiv gestaltet werden“, bestätigt Christian Weiland, „doch die grundsätzliche Frage lautet: ‚Wie kommt der Strom überhaupt in das Möbel hinein und mit welcher Hintergrundtechnologie wird er verteilt‘?“

Mehrwert für alle
Lösungen zu diesen Fragen entwickelt er unter anderem gemeinsam mit dem Unternehmen Confurn aus Bad Oeynhausen. Weitere Lichtprojekte realisiert der Produktdesigner mit Kunden wie CHF und halemeier. Oder auch Helestra. Als „Generalist“ (O-Ton Weiland) sei er je nach Projekt an der gesamten Wertschöpfungskette beteiligt. Als Ideengeber, Prozessmoderator oder auch bei der Implementierung im Austausch mit dem Konstruktionsteam. Bei der Entwicklung der jüngsten Confurn-Technologie, die auf der Sicam im September 2022 erstmals vorgestellt wurde, ging es auch um Aspekte wie diese: „Wie schaffen wir eine Einheit von Möbel und Elektrifizierung?“ „Und wie integrieren Küchenmöbelhersteller die Kabel für die gewünschten Funktionen?“ Damit verbunden seien zwei gleichrangige Ziele, die sich in einem Satz zusammenfassen lassen: Mehrwert schaffen für Küchennutzer und eine höhere Wertschöpfung für die Küchenmöbelhersteller.

An/Aus reicht nicht mehr
Licht spielt im modernen Küchendesign eine besondere Rolle. Denn Licht hat einerseits funktionalen Charakter im Arbeitsraum Küche und erfüllt andererseits Bedürfnisse nach Behaglichkeit und Wohlempfinden im Wohnraum Küche. Diese elementar unterschiedlichen Aspekte gilt es unter einen Hut zu bringen. „Wir müssen bei Licht in Szenarien denken“, sagt Christian Weiland dazu. Das schönste Licht sei das, was wir im richtigen Moment im richtigen Maß an der passenden Stelle wahrnehmen. Sprich: Die althergebrachte Elementar-Funktion „Licht an Licht aus“ genügt nicht mehr. Der nächste, bereits realisierte Evolutionsschritt sei die variable und stufenlose Regulierung von Intensität und Lichtfarbe (Lichttemperatur), nun folge der zielgerichtete Einsatz mit individuell steuerbaren Abstrahlrichtung. Was bedeutet: „Licht wird ganzheitlich betrachtet, leuchtet aber nur dort, wo es gerade gebraucht wird.“ Und dies zunehmend aus unsichtbaren oder kaum wahrnehmbaren Lichtquellen, gesteuert auch über Sprache oder Gesten. Dabei gilt stets, dass eine zeitgemäße Leuchte beides bieten muss: helles Arbeitslicht und emotionale Qualität.

Eine Frage des Steckers
Umsetzungen sind bereits am Markt erhältlich. Zum Beispiel Licht in Auszügen und Schubladen bzw. illuminierte Auszugzargen. Die Funktion und der technische Anspruch dieser Lösungen reicht weit über die klassische Scharnierleuchte für den erleuchteten Wäscheschrank hinaus. Hinzu kommen induktive Lademöglichkeiten für das Smartphone, das Tablet oder die Smartwatch. Oder weitere Strom- und USB-Abnehmer in der Schublade für Kleingeräte aller Art.
Ob Möbel für die vielfältigen Aufgaben zwischen Lichtobjekt und Ladestation künftig einen eigenen Stecker erhalten oder erhalten sollten, blieb nach dem Gespräch mit Christian Weiland offen. Praktisch wäre es schon, und die Montagefachkräfte würden es sicher begrüßen. Doch die Vielfalt an Schränken und Beschlägen unterschiedlicher Hersteller ist derart groß, dass eine einheitliche Lösung der kabelgebundenen Infrastruktur gar nicht so einfach umzusetzen ist. Und überhaupt: Wird ein Schrank durch den Elektroanschluss vielleicht sogar formal zum Elektrogerät, das wiederum seine eigenen Pflichten und Prüfnormen zu erfüllen hat? Die Zertifizierungshöhe dafür erscheint dann doch zu hoch.

Dirk Biermann


weiland productdesign
Seit 2004 ist Christian Weiland mit seinem Designstudio weiland productdesign in Nürnberg selbstständig. Als komplementärer Entwicklungspartner initiiert und betreut er Kundenprojekte in unterschiedlichen Branchen von der Produktentwicklung über die Produktpflege bis zur Begleitung der Konstruktion. Nutzenanalysen sowie Markt- und Markenbetrachtungen zählen ebenso zum Leistungsprofil. Ein Schwerpunkt ist die Möbelzulieferindustrie und das Küchenumfeld mit Tätigkeiten für Unternehmen wie Villeroy & Boch, Hecht International und Schwinn, darunter zahlreiche Licht- und Elektrifizierungsprojekte für Confurn, CHF, halemeier Helestra und andere. Seine Wurzeln hat der Designer im Ruhrgebiet, dort erlangte er auch sein Diplom mit Auszeichnung im Studiengang „Industrial Design“ an der Folkwang Universität der Künste in Essen.

www.weilandproductdesign.de