Macht und Grenzen von Social Media
Als Spezialist für Onlinemarketing weiß Tim Bossert um die Kraft von Social Media und ist von deren Möglichkeiten überzeugt. Gleichzeitig ist er Realist genug, um die Grenzen der digitalen Werbung zu erkennen. Denn nicht jeder Kanal passt zu jedem Kunden und nicht jede Unternehmensform ist auf Social Media gut aufgehoben. Ein klassisches Einzelunternehmen, in dem der Chef oder die Chefin Mädchen für alles ist, allenfalls stundenweise unterstützt von einer Aushilfe im Backoffice, braucht keine eng getaktete Social-Media-Kampagne, weil schlicht die Kapazitäten fehlen, um die zusätzlich generierten Beratungsanfragen zu bewältigen. Vor der Entwicklung einer individuellen Social-Media-Strategie steht daher immer eine Potenzialanalyse.
KÜCHENPLANER: Was ist eine Potenzialanalyse?
Tim Bossert: Das ist unsere kostenlose Vorleistung, wie eine Dienstleistung vor der Dienstleistung. Dabei prüfen wir, ob ein Küchenstudio überhaupt von bezahlter Social-Media-Werbung profitieren könnte. In Bezug auf die Größe des Studios und die Möglichkeiten im Vertrieb. Oder ob die Offenheit für Social Media vorhanden ist.
Wie sieht Ihr Angebot nach der Analyse aus?
Wir unterstützen Küchenstudios dabei, durch Social Media Werbung mehr Beratungsanfragen zu erhalten und sich als attraktiver Arbeitgeber für Fachkräfte zu präsentieren. Der Fokus liegt derzeit aber auf der Neukundengewinnung.
Welche Kanäle haben Sie dabei im Blick?
Im Prinzip alle, die funktionieren. Im Moment vor allem Facebook und Instagram, weil wir dort die größten Erfolge haben. TikTok haben wir getestet, aber es ist noch kein geeignetes Umfeld für die Werbung unserer Kunden. Vielleicht in Zukunft, aber noch nicht. Auch bei Pinterest ist die Qualität der Kontakte noch nicht ausreichend. Grundsätzlich sind wir mit keinem Kanal verheiratet und offen für alles. Es muss einfach funktionieren.
Wie gehen Sie dann vor?
Die Macht der sozialen Medien ist groß. Man sollte sich aber bewusst sein, dass es kein Allheilmittel ist, frei nach dem Motto: Hauptsache, man sieht uns, der Rest kommt schon. Mit einem guten Auftritt kann man schnell eine lokale Omnipräsenz aufbauen. Eine schlechte Präsentation schadet dem Image. Das ist allerdings schwer zu erkennen, denn die Kunden, die nicht kommen, sagen einem nicht, warum sie nicht kommen. Es reicht nicht, den gedruckten Flyer zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Miese Grafiken, schlechte Fotos und Amateurvideos können eher abschrecken und sind Anti-Marketing. Werbung auf Social Media braucht eine fundierte Strategie und individuelle, authentisch-professionelle Umsetzungen, die auf Anhieb Aufmerksamkeit erregen.
Weil die Konzentrationsfähigkeit der Nutzer so gering ist?
Im Grunde haben wir ein bis drei Sekunden Zeit, um mit einem Post neugierig zu machen. Die kurze Textansprache muss auf den Punkt sein und einen Mehrwert versprechen, damit die Grafik oder das Video angeklickt wird. Deshalb distanzieren wir uns auch von Inhalten von der Stange ohne Mehrwert.
Wer macht denn sowas?
Ein gängiges Beispiel sind die typischen „Küchentester gesucht“-Anzeigen. Oft verwenden zwei oder drei Studios im gleichen Einzugsgebiet identische Bilder, die von der gleichen Marketingagentur geliefert werden. Solche leicht durchschaubaren Aktionen lassen die Zielgruppe an der Seriosität der Studios zweifeln und hinterlassen einen faden Beigeschmack.
Gibt es noch andere Missverständnisse über Social Media?
Viele Küchenstudios glauben, dass bezahlte Werbung auf Social Media wie ein Wasserhahn funktioniert, der aufgedreht wird und sofort Anfragen generiert. Doch auch bezahlte Werbung ist ein Prozess, der auf einer Strategie basiert und Zeit braucht, um Früchte zu tragen. Dennoch kann Social Media Küchenstudios ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Digitale Werbung ist messbar und optimierbar, was bei Printwerbung bekanntlich nicht der Fall ist.
Was raten Sie?
Bei begrenztem Budget empfiehlt es sich, den Großteil für Online-Werbung auf definierten Kanälen oder einem definierten Kanal einzusetzen. Steigt das Budget, können weitere Kanäle hinzukommen.
Spielen Print oder Radio in Ihren Überlegungen überhaupt keine Rolle mehr?
Doch. Man sollte nie alles auf eine Karte setzen. Je nach Studio, Kundenstruktur, Angebot und Standort kann natürlich die klassische Prospektwerbung sinnvoll sein. Oder ein Spot im Lokalradio. Aber zur Erinnerung: Der unschlagbare Vorteil von Werbung in Social Media ist die Messbarkeit und die gezielte Ansprache der gewünschten Zielgruppen.
Was man aber auch nicht umsonst bekommt. Wie hoch sollte ein Budget für Social-Media-Werbung sein?
Das hängt wieder vom jeweiligen Studio ab. Der Standort München erfordert ein höheres Budget als eine ländliche Region in der Provinz. Und Premiumkunden wollen anders angesprochen werden als Menschen die maximal 8.000 bis 10.000 Euro für eine Küche ausgeben wollen oder können. Ein weiteres Kriterium ist die Umsatzgröße des jeweiligen Studios. Mit einem Budget von 500 bis 1.000 Euro im Monat lässt sich schon viel erreichen.
Was genau?
Wie bereits erwähnt, arbeiten wir mit unseren Kunden nach einer detaillierten Strategie. Im ersten Schritt analysieren wir den Standort, die Wettbewerbssituation, die Kundenstruktur und die Marktpositionierung. Auf Basis des bestehenden Unternehmensauftritts (CI, CD) entwickeln wir individuelle Kampagnen mit Fotos, Grafiken, Videos und Texten. Jedes Mailing ist mit einer klaren Handlungsaufforderung verbunden und führt auf ein Kontaktformular. Dort werden wichtige Basisinformationen abgefragt. Zum Beispiel, ob sich der Kunde noch in der Inspirationsphase oder schon mitten in der Planung befindet. Wie hoch das Budget ist und wann die Montage erfolgen soll. Zwei Sekunden nachdem der User das Formular abgeschickt hat, erscheinen diese Informationen zusammen mit Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse auf dem Bildschirm im Küchenstudio.
Eine Weisheit im Online-Marketing sagt: Eine Adresse ist noch kein Kunde.
Deshalb nehmen wir unsere Kunden bis zum Beratungsgespräch sinnbildlich an die Hand. In Schulungen der B&O Consulting Academy vermitteln wir Know-how zur Kommunikation am Telefon, wie man systematisch nachfasst und vieles weitere mehr.
Das Gespräch führte Dirk Biermann