Möbelindustrie hält sich wacker
„Es ist schwierig und es bleibt schwierig“, rückte VDM-Geschäftsführer Jan Kurth die grundsätzliche Zuversicht in ein angemessenes Licht. Dennoch stünden die Chancen gut, dass die Möbelindustrie mit einem „blauen Auge“ die Corona-Krise überstehen wird. Zwar rechnet der Verband für das Gesamtjahr 2020 mit einem Umsatzrückgang von bis zu 10%, doch diese Einbußen sieht Kurth angesichts von Kosteneinsparungen auf der anderen Bilanzseite als beherrschbar. Zudem seien die Umsatzrückgänge deutlich geringer als zu Beginn der Krise befürchtet. Im April rechneten die Branchenunternehmen laut VDM noch Einbußen von „deutlich über 20%“.
Aktuelle Studie zeigt Details
Gestützt werden diese Kernaussagen durch eine aktuelle Studie, die der VDM gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V. (AMK) in Auftrag gegeben hat und die jetzt im Rahmen einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde. Demnach ist die Nachfrage seit der Wiederöffnung des Möbelhandels „in erfreulichem Maße“ wieder angesprungen. „Viele Menschen haben während des Lockdowns ihr Zuhause renoviert und in der Folge den Wunsch nach einer neuen Möblierung entwickelt“, sagt Kurth. „Sie kommen gut informiert in den Laden und kaufen gezielt und entschlossen.“
Durchgeführt wurde die Studie als „aktuelle Momentaufnahme“ von der Cologne Strategy Group und Conneum Concepts. Sie basiert auf Interviews mit Branchenexperten, einer Verbraucherbefragung sowie der Auswertung von Konjunkturdaten und VDM/AMK-Datenmaterial. Eine der Hauptaussagen lautet: „Auf die Corona-Krise hat die deutsche Möbel- und Küchenindustrie schnell und flexibel reagiert.“ So konnten Störungen in den Lieferketten häufig durch eine höhere eigene Wertschöpfung oder mit Hilfe neuer Lieferanten behoben werden. Für die Mitarbeiter wurden Home-Office-Lösungen gefunden oder versetzte Schichtpläne aufgestellt, die Produktionsabläufe wurden entsprechend angepasst. Viele Hersteller führten zudem Kurzarbeit ein.
Küchenplanungen liefen weiter
Im Möbelhandel gelang es unterdessen einer Reihe von Anbietern, auch während der erzwungenen Schließung ihrer Geschäfte den Kontakt zu den Kunden zu halten und angebahnte Verkäufe zu realisieren. Das gilt besonders für die Küchenbranche, die sich von Natur aus mit einem auch zeitlich komplexen Prozess beschäftigt und keine Einzelprodukte verkauft. So führten etwa Küchenhändler die vorher begonnenen Planungen fort, beispielsweise per Videokonferenzen mit den zu Hause weilenden Verbrauchern. In dieser Zeit konnten auch Aufmaße bei den Kunden genommen und Küchen installiert werden – denn handwerkliche Tätigkeiten waren weiterhin möglich. „Die meisten Küchenhersteller hatten daher zu Beginn des Lockdowns noch einen relativ guten Auftragseingang“, berichtet AMK-Geschäftsführer Volker Irle. Natürlich sei auch die Küchenbranche von Corona betroffen, so Irle weiter, doch die negativen Folgen der Geschäftsschließungen machten sich erst später bemerkbar. Und dies gesamt betrachtet wohl auch nicht besonders tiefgreifend. „2020 wird sicher kein Rekordjahr“, räumte der AMK-Geschäftsführer ein, doch dramatisch schlecht werde es wohl auch nicht.
Besondere Herausforderungen hatten in den vergangenen Wochen hingegen die Hersteller von Elektrogeräten zu bewältigen. Die sind in der Regel von internationalen Lieferketten abhängig, zumeist mit Zentren im asiatischen Raum. „Waren bestellte Geräte in der Corona-Krise nicht lieferbar, wurden zum gleichen Preis höherwertige Produkte eingebaut“, schilderte Volker Irle die betriebswirtschaftlich unbefriedigende Situation.
Öfter regionale Lieferanten
„Die Branche hat den Lockdown genutzt, um sich für die Zeit nach der Krise und die Erholung der Konjunktur in eine starke Ausgangslage zu bringen“, stellt AMK-Geschäftsführer Volker Irle weiter fest. Zu den „errungenen Wettbewerbsvorteilen“ zählt er flexiblere Arbeitsabläufe, überarbeitete Produktionsanlagen sowie Produktinnovationen, z.B. Hygienestationen oder spezielle Oberflächen für besondere hygienische Anforderungen. Positiv werden sich seiner Ansicht nach zudem die breitere Aufstellung der Lieferkette und die verstärkte Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten auswirken und zwar in Form kurzer Lieferzeiten und einer hohen Liefersicherheit.
Die Bedeutung der Einrichtung erkannt
Chancen erhofft sich die Branche auch von dem im Zuge der Pandemie veränderten Konsumverhalten. „Durch die viele Zeit zu Hause haben die Verbraucher die Bedeutung einer guten Einrichtung erkannt“, sagt Kurth. „Die Kaufabsichten für Möbel und Küche befinden sich trotz der Krise derzeit auf einem sehr hohen Niveau.“ Private Haushalte schichten ihre Budgets teils zu Gunsten von Möbeln um, wenngleich in Teilen der Bevölkerung auch Verunsicherung wegen der Angst vor einem Arbeitsplatzverlust herrscht.
Im Möbelhandel hat die Corona-Krise die Verschiebung hin zu Onlinekäufen beschleunigt. Ein Drittel der neuen Onlinekunden will diesen Kanal auch künftig nutzen, wie die Studie ermittelt hat. Bei Küchen war die Verschiebung hin zu reinen Online-Bestellungen aufgrund der hohen Beratungsintensität geringer. Insgesamt sei damit zu rechnen, dass sich hybride Handelsformate vermehrt etablieren werden.