01.03.2022

Pomp, Pracht, Reichtum und verschwenderische Fülle bis hin zum maßlosen Überfluss. Das sind Beschreibungen für Luxus, wie wir ihn gewöhnlich verstehen. Doch dessen Bedeutung beginnt sich zu wandeln.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER

„Das muss man sich auch leisten können.“ Sätze wie diese wirken wie ein Vorschlaghammer. Gern genutzt wird eine solche Entgegnung, wenn die eigenen Argumente an Kraft einbüßen. Besonders beim Austausch zu persönlichen Gewohnheiten, die mit Aspekten wie Umwelt, Ernährung oder Mobilität zu tun haben. Einkaufen im Bio-Markt statt im Discounter? „Das muss man sich auch leisten können.“ Strom aus Öko-Quellen statt vom Billiger-geht-immer-Portal? „Das muss man sich auch leisten können.“ Die Reise mit der Bahn statt allein im Auto? „Das muss man sich auch leisten können.“ Und das Schnitzel von einem Schwein, das seine Tage nicht in qualvoller Enge in Ställen ohne Tageslicht fristet und mehrere Hundert Kilometer im Doppelstock-Lkw zur Schlachtfabrik gekarrt wird? Sie ahnen es. „Auch das muss man sich leisten können.“

Wobei es korrekter lauten müsste: „Das muss man sich auch leisten wollen.“ Konsumentscheidungen treffen wir schließlich in jeder Budgetklasse. Und die meisten Menschen in Deutschland verfügen dabei selbstverständlich über Spielraum. Der pauschalierende Satz „Das muss man sich auch leisten können“ bringt uns kollektiv an die Armutsgrenze. Das ist aber keine durchgängige Realität in unserem Land, wenngleich sich die soziale Schere auch hierzulande immer weiter spreizt und teils unwürdige Situationen schafft. Menschen, die vom Ersten bis zum Letzten des Monats spitz rechnen müssen und trotzdem kaum über die Runden kommen, sind von diesen Gedanken ­ausgenommen.

Und was müsste man sich überhaupt leisten können? Was steht im Wettbewerb wozu? Die Küche zum Sofa, zum Urlaub, zum neuen Auto? Das ist eine in unserer Branche bekannte Ausgangslage von zeitloser Relevanz. Der Blick über den Tellerrand offenbart weitere Entscheidungsnöte, die uns täglich begleiten. Wie steht es um unsere Standpunkte im Spannungsfeld von Ethik und Schnäppchenjagd? Dass die Lage verantwortungsbewusstes Handeln fordert, dürfte inzwischen klar sein. Letztlich steht unsere „Immer-mehr-Mentalität“ infrage. Und unsere Ansprüche an „viel für wenig“.

Aktuell meldet sich in Teilen eine Generation zu Wort, die Wohlstand und Wohlbefinden anders definiert als ihre Eltern. Die angesichts real existierender Gefährdungen der persönlichen, sozialen und ökologischen Lebensbedingungen mehr vom Dasein erwartet als Boosterbusiness bis in den Burn-out, Pauschaltourismus in der Bettenburg und gedankenlosen Überfluss auf Basis von Status und Besitzdenken. Luxus ist in diesem Verständnis nicht Protz und Prunk, sondern ein Mehr an Qualität. Bezüglich Zeit, Beziehungen, Kommunikation, Arbeitsatmosphäre – und auch des Wohnens und der Einrichtung. Das erhöht die Chancen, dass die hochwertige Küchenplanung weiter an Stellenwert gewinnt. Sofern die Küche als Lebensraum verstanden wird und nicht als wahllose Ansammlung von Möbeln und Geräte fragwürdiger Herkunft.

Luxus war schon immer das gewisse Etwas mehr. Schwelgen wir in ihm. Zelebrieren wir unsere Ansprüche an Qualität, Partnerschaft, Verantwortung und Nachhaltigkeit. Seien wir damit radikal. Einseitiges Profitstreben und egozentrischen Billigkonsum können wir uns nicht länger leisten.

Dirk Biermann
Chefredakteur KÜCHENPLANER online/offline