12.08.2015

Von Dirk Biermann.


Umluft oder Abluft? An der Mutter aller „Haubenfragen“ kommt keine seriöse Küchenplanung vorbei. Doch im Schatten dieses Klassikers gedeihen weitere interessante Themen. Die Steuerung des Dunstabzugs über das Kochfeld zum Beispiel. Aber auch Muldenlüftungen. Oder die Entwicklung bei Plasma-Filtern. Das zum 1. Januar 2015 eingeführte Energielabel kann hingegen noch nicht so sehr als Beratungsjoker punkten.

Ausschnitt der Modulküche „Cookpit“: Die hier eingesetzte Mulden-Lüftung stammt von homeier. Foto: www.kaiserkueche.de

Das Funktionsprinzip von Con@ctivity 2.0 von Miele basiert auf Funk. Foto: Miele

Zur Frage „Umluft oder Abluft?“ ist die Fachwelt stabil uneins. Es gibt eine starke Fraktion, für die Kochwrasen erst dann akzeptabel sind, wenn sie sich außerhalb der Gebäudehülle in der Atmosphäre verflüchtigen. Wegen der Feuchtigkeit, die sich sonst in Ritzen und Ecken setzt und dort den Schimmel blühen lässt. Das verbscheuen die Anhänger der reinen Niedrigenergiehauslehre zwar auch, der Gedanke, ein Loch in die sorgsam gedämmte Hauswand zu bohren, bringt sie aber um den Schlaf. Für diese Planer geht nichts über einen vernünftigen Umluftfilter. Bei paralleler Be- und Entlüftung.
Argumente gibt es für beide Sichtweisen. Zum Glück, denn eine theoretische Lösung für alle Einsatzgebiete verbietet sich beim Blick auf die Realität. Zu vielfältig sind die konkreten Planungsgegebenheiten, zu unterschiedlich die Bedingungen bei Neu- und Altbauten, zu individuell die Wünsche der Küchennutzer. „Miete oder Eigentum?“ ist ein weiterer Aspekt, der bei den Diskussionen berücksichtigt werden sollte. Und neue Entwicklungen. Wie sich eine Abluftlösung energieeffizient auch in Niedrighäusern bzw. Gebäuden im Passivhausstandard umsetzen lassen könnte, will zum Beispiel aktuell Naber beweisen: Mit der jüngst präsentierten Mauerkasten-Generation „Thermobox“ (s. Bericht auf S. 27).
Fakt bleibt generell: Unerwünschte Gerüche zu eliminieren ist die Kernkompetenz eines Dunstabzugs, egal, ob der Motor die Wrasen nach oben, nach unten oder zur Seite anzieht. Doch stets ist auf den Abtransport der Feuchtigkeit zu achten. Automatisch per Motorkraft oder manuell durch konsequentes Stoßlüften. Dafür sollte der Küchennutzer schon im Planungsgespräch sensibilisiert werden. Am besten mehrmals. Denn der Mensch ist und bleibt bei allen theoretischen Fachdiskursen der größte Unsicherheitsfaktor.

Label-Story: Viel Lärm um nichts?
Seit dem 1. Januar 2015 gilt das Ener­gielabel auch für Dunstabzugshauben. Der Handel setzt die Kennzeichnungspflicht zwar überwiegend tapfer um, doch ein hervorstechendes Beratungsinstrument scheint es noch nicht zu sein. Das lassen zumindest einige nicht-repräsentative Gespräche in den vergangenen Wochen vermuten. Zur Erinnerung: Damit der Verbraucher den Energieverbrauch einfach einschätzen und vergleichen kann, wird jedes Geräte-Modell, das seit dem 1. Januar 2015 in den Handel gebracht wird, in eine von sieben Energieeffizienzklassen (EEK) eingestuft und entsprechend gekennzeichnet. Geräte, die zum Stichtag bereits im Handel waren, dürfen ohne Etikett weiter verkauft werden. Die Label-Skala reicht vom vorbildlichen A
(=niedriger Verbrauch) bis zum bedenklichen G (=hoher Verbrauch). Neben dem Energieverbrauch (jährlicher Energieverbrauch in kWh) werden weitere wichtige Vergleichsaspekte wie Luftführung (fluiddynamische Effizienz von A bis G), Beleuchtung (Beleuchtungseffizienz von A bis G) und Fettabscheidegrad (ebenfalls von A bis G) dokumentiert. Hinzu kommt die Ge­räuschentwicklung in Dezibel.

Praktische Hemmnisse
Es kann nur spekuliert werden, warum dieses vorzügliche Vergleichsinstrument im Haubensegment meist noch ein Schattendasein im Beratungsalltag fristet. Hier zwei praktische Überlegungen: 1. Die Haube steht gewöhnlich im hinteren Drittel der Nahrungskette einer Küchenplanung, und der Kunde ist nach dem Dekor- und Geräte-Marathon oft mit Informationen derart überfrachtet, dass die Feinheiten der fluiddynamischen Effizienz nicht mehr interessieren. Einer forschen „Die Haube ist gut“-Empfehlung des planenden Verkäufers wird er meist willig folgen – vorausgesetzt, das Modell entspricht seinen gestalterischen Vorstellungen. 2. Für die allermeisten Kunden muss eine Haube „einfach nur“ schön aussehen, funktionieren und leicht zu reinigen sein. Wie die Technik das umsetzt? Relativ egal! Technikaffine Küchenkäufer bestätigen wie stets die allgemeine Regel.

Komfort-Story: Kochfeld an Haube
Eine eher mäßige Lust, sich mit der Haube en Detail zu beschäftigen – beim Kauf und vor allem aber beim späteren Gebrauch –, hat auch Hausgerätehersteller Miele festgestellt und sein automatisches Con@ctivity-System nutzenorientiert auf die Version 2.0 getrimmt. Der Küchennutzer muss sich dabei prinzipiell um nichts mehr kümmern. Die Haube startet automatisch, wenn das Kochfeld aktiviert wird, passt sich selbstständig dem Geschehen auf dem Kochfeld an (indem es die voraussichtliche Wrasenbildung antizipiert) und lüftet nach der Kocherei noch fünf bis fünfzehn Minuten weiter, bis die Raumluft wieder tip-top ist. Bei Con@ctivity 2.0 kommunizieren Haube und Kochfeld über eine Funkübertragung miteinander. Die Verbindung erfolgt einfach über einen Funkstick per Plug & Play. Eine manuelle Einflussnahme über die Druckknöpfe bzw. die Touchfläche der Haube ist zwar weiterhin möglich, aber wenn der Kunde nicht mag, kann er während des gesamten Kochvorgangs die Fettfinger vom Gerät lassen. Anschließende Reinigung der Edelstahl- und Glasflächen? Überflüssig! Und dieses Verkaufs­argument soll oft mehr ziehen als die ganze ausgeklügelte Technik, ist aus dem Hausgerätekonzern zu hören. Eine Fernbedienung täte es natürlich auch.
Überhaupt ist die Steuerung des Dunstabzugs über das Kochfeld eins der aufstrebenden Themen im Haubensegment. Bei Muldenlüftungen erschließt sich der Sinn von allein, aber auch die klassische Wand- oder Inselhaube wird inzwischen im Bundle mit dem kommunikationsfähigen Kochfeldpartner angeboten. Deckenhauben und Lüftermodule ebenfalls. Etliche Fachunternehmen wie beispielsweise Bora, Gutmann („Cooking Area“) und Novy haben dies schon vor etlichen Jahren umgesetzt, der italienische Hersteller Airforce baut seine Integra-Serie derzeit ebenfalls aus. Genutzt wird dabei im Einzelfall auch die Steuerungstechnik vom Qualitätsanbieter E.G.O. aus Oberderdingen, einem der Innovationsführer auf diesem Gebiet. Lesen Sie dazu auch den Bericht zu E.G.O. auf Seite 32/33 in dieser Ausgabe. Zur Vollständigkeit: Miele entwickelt und produziert die Technik von Con@ctivity 2.0 im eigenen Elektronikwerk in Gütersloh.

Plasma-Story: Preise, Patente und Produkte
Womit wir beim Thema Plasma-Hauben sind. Denn die Frage, „Von wem kommt die Technik?“, ist bei dieser effektiven und zugleich anspruchsvollen Technologie von besonderem Wert. Bei einer Hochspannung von rund 1500 Volt im Betrieb und durch die prozessbegleitende Erzeugung von Ozon im Plasma-Modul, möchte man sich einfach nichts in die Küche hängen, was auf einem zwielichtigen Hinterhof zusammengeschustert wurde. Aktuell prägen drei Hersteller den deutschen Markt: cip international GmbH mit der Marke „plasmaNorm“ sowie aus Holland die beiden Unternehmen aXiair (Marke „Domoplasma“) und PlasmaMade. Hinzu kommt die Sagemüller&Rohrer-Tochter Air Design. Alle Hersteller betonen die besondere Effektivität der Plasma-Filter bei der Geruchsbeseitigung sowie den kostengünstigen Betrieb, weil der nachgeschaltete Aktivkohlefilter so gut wie wartungsfrei sei. Soweit man das heute beurteilen kann. (Zum Funktionsprinzip der Plasma-Technik siehe auch nebenstehenden Kastentext.)

Gerangel ums Patent
In letzter Zeit ist ordentlich Bewegung in den Markt für Plasma-Hauben gekommen. Das liegt a) an der Preisentwicklung, b) am Gerangel ums Patent und c) an innovativen Produktentwicklungen.
So hat zum Beispiel die Firma refsta, Lizenznehmer der „plasmaNorm“-Technik, das Angebot aus der reinen Hochwertecke geholt und Plasma-Hauben für eine breitere Käuferschicht bezahlbarer gemacht. Die Verkaufspreise für Plasma-Hauben im aktuellen refsta-Katalog beginnen bei 1.500 Euro. Noch vor einigen Jahren war bei anderen Anbietern unter 3000 Euro wenig zu machen. Zudem weist Malte Stark, Geschäftsführer des Haubenspezialisten aus dem westfälischen Spenge, darauf hin, dass es weiterhin Ziel sei, den „VK“ unter die magische Schwelle von 1000 Euro zu bringen. Aktuell sei er mit der Entwicklung „sehr zufrieden“, sagt er im Gespräch mit dem ­KÜCHENPLANER. Geschätzt werde die Plasma-Technik – neben den immer wieder zitierten Niedrig­energiehäusern und Gebäuden mit Passivhausstandard – auch in Mietwohnungen. Denn dort lässt sich in der Regel nicht mal eben ein Loch durch die Hauswand bohren. Besonders stolz ist man bei refsta auf die Verleihung des Umweltzeichens „Blauer Engel“ für die Plasma-Haube „Ostra“.

Patent widerrufen
Dynamik gewinnt das Thema zudem durch die Entscheidung des Europäischen Patentamts, das grundlegende Patent für die Nutzung der Plasma-Technik bei Haushaltsanwendungen zu widerrufen. Die Basistechnologie dafür wurde maßgeblich von Manfred Langner mit dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald entwickelt. Das Institut gilt als weltweit führend für Niedertemperatur-Plasmaphysik. Anfangs wurde die Plasmatechnologie speziell in der Gastronomie und der Industrie eingesetzt. Dann wurde sie von Manfred Langner für Haushaltsanwendungen modifiziert. Langner beschäftigt sich eigenen Angaben zufolge bereits seit 1992 mit dieser Technologie. Ehemals unter dem Dach seiner Airtec Competence GmbH, heute mit dem am 7. Januar 2013 gegründeten Unternehmen cip international GmbH, Gesellschaft für Copyrights and intellectual property Marketing & R & D mbH, (Marke: „plasmaNorm“), deren Geschäftsführerin Anna Langner ist.

„Veraltete Technik“
Pünktlich zum Ablauf der Widerspruchsfrist haben fünf Firmen Einspruch gegen Langners Patent angemeldet. Das sind Blanco Professionell, BÄRO, aXiair, MCT Transformatoren und E.G.O. Elektro-Gerätebau. Am 19. Januar 2015 hat das Patentamt die Mitteilung für den Widerruf des Patents abgesendet. (Quelle: Auszug aus dem europäischen Patentregister vom 25.3.2015). Womit für weitere Unternehmen der Weg frei ist, sich mit dieser Technik für Gastronomie, Industrie und Haushaltsanwendungen intensiv zu beschäftigen und eigene Lösungen auf den Markt zu bringen. Was Manfred Langner, nach eigenen Angaben „geistiger Vater“ der Plasmatechnologie, nicht weiter aufregt. „Das ist eine veraltete Technik, auf die sich dieses Patent bezieht“, erläutert er und berichtet von einer kontinuierlichen Entwicklung in der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel der Ruhr-Uni in Bochum. „Auf das alte Patent bin ich nicht mehr angewiesen“, sagt er selbstbewusst und verweist auf zahlreiche neue Ideen. Wofür wiederum Patentanmeldungen laufen. Neuester Coup sei die Entwicklung einer Elektrode, die Fett rückstandslos beseitige. Nach einem Langzeittest unter Laborbedingungen wurde diese Elektrode nun in einer Gastro-Küche praktisch getestet. Langner: „Als wir nach mehreren Monaten in die Haube geschaut haben, konnten wir feststellen: Die Haube ist sauber.“ Wie das genau funktioniert, können die Fachleute noch nicht exakt sagen, so Langner. „Aber es funktioniert.“ Für die Gastro-Küche wäre die vollständige Fett-Oxidation ein wahrer Segen, reduzierte sich doch die Brandgefahr, hervorgerufen durch die allgegenwärtigen Fett-Ablagerungen in der Haube und den Kanälen der Gastronomieküchen, erheblich. Ob diese Technik auch in Haushaltsküchen zum Einsatz kommt, entscheide sich noch. „Vielleicht Anfang kommenden Jahres“, sagt Langner, er klingt dabei aber etwas vage.
„Gestolpert“ sei er beim aktuellen Pa­tentwiderruf übrigens über die Gedanken eines japanischen Forschers, die dieser „irgendwann in den 1990er-Jahren“ in einer japanischen Fachzeitschrift zum Thema „Elektrostatik“ veröffentlicht habe, berichtet Manfred Langner. Diese Zeitschrift habe er niemals gelesen, sagt er.

Vertriebsstart mit „Planar“
Ob die neu entwickelte Elektrode auch dem Fett in der Haushaltsküche den Garaus machen wird, steht also noch nicht abschließend fest. Konkrete Realität ist indes der Vertriebsstart des besonders schlanken Plasma-Moduls „Planar“. Vorgestellt hatte „plasmaNorm“ diese Lösung erstmals auf der area30 2014 in Löhne. Besonderer Vorteil: Aufgrund der deutlich reduzierten Maße können jetzt auch im Oberschrank eingebaute Flach- oder Einbaulüfter damit ausgerüstet werden.
Und noch eine Neuigkeit gibt es aus dem Unternehmen cip international: Haubenhersteller müssen nicht mehr zwingend eine Lizenz erwerben, sondern können auch das fertige Produkt kaufen. Fertigen lässt Manfred Langner sie bei einem Zulieferer im ostwestfälischen Espelkamp.

PlasmaMade bei Weigert
Wettbewerber „PlasmaMade“ aus Holland hat zusätzlich zum Vertrieb über den deutschen Großhandel (r Küchentechnik) die Industrievertretung Weigert mit dem Vertrieb seiner Module beauftragt. Und zwar „exklusiv“ für die Märkte Deutschland, Österreich und Schweiz, wie es heißt. Auf der Internetseite des holländischen Unternehmens werden übrigens weitere Vertriebspartner gesucht. Dort heißt es auf der Unterseite „Kontakt“: „Aufgrund des Erfolgs unseres Produktes in den Niederlanden sind wir nun auf der Suche nach neuen Vertriebspartnern in anderen Ländern.“ Die veröffentlichte Länderliste umfasst alle wesentlichen europäische Märkte – inklusive Deutschland.


www.kuechenplaner-magazin.de


So funktioniert die Plasmatechnik
Grundsätzlich funktioniert die Luftreinigung per Plasmatechnologie in mehreren Wirkstufen. Und zwar so: 1. Entfetten und Entfeuchten im herkömmlichen Edelstahlmetallsteckfilter, 2. Zersetzung und Oxidation der Geruchsmoleküle im elektrischen Hochspannungsfeld (1500 Volt), 3. Reinigung der Abluft im Aktivkohlefilter zur Reaktion und Zurückhaltung aller Stoffe, die nicht in Stufe 2 erfasst wurden. Aktivkohle verlängert durch seine große Fläche die Reaktionszeit des Plasmas. Das Herzstück des Systems ist die zweite Stufe: Das Plasma-Modul. Die Aufspaltung der Geruchsmoleküle vollzieht sich in drei parallel geschalteten Hochvoltplasma-Kammern. Und zwar in sogenannte „reaktionsfreudige Molekülbausteine“. Am Ende dieses Prozesses stehen die Ausgangsstoffe Wasser, Sauerstoff oder Kohlendioxid. Zusätzlich würden Keime, Viren, Sporen und Bakterien zersetzt. Das im Plasma-Modul erzeugte Ozon wird bei der abschließenden Durchleitung durch den Aktivkohlefilter neutralisiert. Mit Sauerstoff als Ergebnis. Denn: Wenn Ozon und Kohlenstoff im Aktivkohlefilter zusammen kommen, sei dies ein physikalisch zwingender Prozess, so ein Anbieter. Während die Fettfilter aus Metall in Stufe 1 wie gewohnt etwa alle vier Wochen gereinigt werden sollten, regeneriere sich die Aktivkohle in Stufe 3 durch die chemischen Reaktionen selbst und sei praktisch wartungsfrei. Eine Inspektion spätestens nach fünf Jahren wird dennoch empfohlen. Die Plasmatechnologie kann bei Abluft- und Umlufthauben eingesetzt werden, Haupteinsatzgebiet in Privatküchen ist jedoch der Umluftbetrieb. (dib)