24.04.2025

Rekorde über Rekorde – und es schien kein Ende zu nehmen. Mehr als zehn Jahre lang war die Küchenbranche das unangefochtene Aushängeschild der Möbelfamilie. Diese Rolle ist ihr entglitten wie ein nasses Stück Seife. Doch die AMK sieht wieder gute Gründe für Zuversicht.

 

Berichtete von den Aktivitäten der AMK im vergangenen Jahr und den anstehenden Projekten: Geschäftsführer Volker Irle. Foto: Biermann

„Eine Studie zeigt, dass wir in Deutschland bis 2030 jedes Jahr 320.000 Wohnungen brauchen, tatsächlich sind es aber nur 200.000.“ Jan Kurth, Hauptgeschäftsführer VDM/VdDK. Foto: Biermann

Dr. Carolin Mehnert: „Rund 50 Prozent des Fachkräftemangels könnten abgefedert werden, wenn alle Menschen im Wirtschaftsleben willkommen sind und sich dort sicher und akzeptiert fühlen.“ Foto: Biermann


Dieser Bericht von der AMK-Mitgliederversammlung in Heidelberg ist im KÜCHENPLANER 3/4 2025 erschienen. Das gedruckte Heft ging heute in die Post, das E-Paper ist Bestandteil unseres kostenlosen wöchentlichen Newsletters.


Das muss man der AMK* lassen: Redegewandte Vorstandssprecher findet der Branchenverband immer wieder. Ob Roland Hagenbucher, Oliver Streit oder Markus Sander - wenn einer dieser Herren auf der Mitgliederversammlung in die Bütt stieg, um den weiten Bogen von Weltwirtschaft bis Branchenbefindlichkeit zu spannen, gingen fundierte Information und gute Unterhaltung mit Witz und feiner Ironie meist Hand in Hand. Auch die aktuellen Sprecher, Bernd Weisser und Michael Mehnert, verstehen sich darauf. Wobei man ehrlicherweise sagen muss: Ihre Vorgänger hatten es deutlich leichter, eloquent durch das Zahlengewirr von Inflationsrate, Bruttoinlandsprodukt, Einkommenserwartung und Investitionsneigung zu spazieren. Denn die hohen Werte bei den Baugenehmigungen schienen in Stein gemeißelt. Deren dramatischer Rückgang liegt der Branche aber seit gut zwei Jahren bekanntlich schwer im Magen. Zum temporären Glück der Gegenwart gibt es jedoch die Bauüberhänge. Ein abstrakter Begriff mit praktischer Wirkung, der auf der Mitgliederversammlung wie aus dem Nichts auftauchte und plötzlich in aller Munde war: Rund 830.000 Wohnungen, so AMK-Vorstandssprecher Michael Mehnert, sind derzeit in Deutschland genehmigt, aber noch nicht gebaut. Da die langjährige Statistik zeigt, dass 97 Prozent der genehmigten Projekte auch realisiert werden, schlummert hier ein Potenzial, das der Küchenindustrie in die Karten spielt. Die Rechnung ist bekannt: neue Wohnung = neue Küche = weitere Umzüge = weitere Küchen. Angeblich soll jede neu bezogene Wohnung oder jedes neu bezogene Haus etwa drei Küchenverkäufe nach sich ziehen. Ob diese Zahl stimmt, weiß niemand so genau, aber sie wird gerne zitiert und die Richtung dürfte passen.

Kein Ruhekissen
Die Zahl der beabsichtigten Wohnungsbauprojekte kann gut zwei Jahre als Polster dienen, so die AMK, als Ruhekissen taugt dieser Überhang aber nicht. „Wir brauchen dringend neue Impulse“, sprach Michael Mehnert aus, was vermutlich alle im Saal dachten und was die Möbelverbände seit geraumer Zeit gebetsmühlenartig von der Politik fordern: die Förderung von Bauvorhaben durch Steuererleichterungen und Investitionsanreize sowie langfristige Investitionen in Infrastruktur und Innovationen. „Konkrete Schritte könnten eine Halbierung der Grunderwerbsteuer, die Bündelung der zersplitterten Förderprogramme sowie Nachrangdarlehen für Selbstnutzer sein“, sagt Jan Kurth. Der Hauptgeschäftsführer von VDM und VdDK war neben Matthias Pollmann (Koelnmesse) und Markus Meyer (BVDM) als Gastredner eingeladen. Dass diese Impulse dringend nötig sind, belegen diese Zahlen: Die aktuellen Baugenehmigungen sind laut AMK in den letzten zwei Jahren um 44 Prozent zurückgegangen.

Im Geradeauslauf
In Summe geht der Branchenverband davon aus, dass es ein stabiles Küchenjahr 2025 geben wird. „Kein Knallerjahr, eher ein Geradeauslauf“, so Michael Mehnert. Genährt wird diese Erwartung durch positive inländische Eckdaten wie die wieder eingefangene Inflation und eine positive Konjunkturerwartung. International sieht es sogar etwas besser aus, auch wenn die Politik aus den USA derzeit verwirrende Signale sendet. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass die erfreulichen Rahmendaten im Inland noch nicht in der Stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher angekommen sind. Einkommenserwartung und Investitionsbereitschaft bleiben im Minus, die Sparquote ist nach wie vor hoch. Wegen der Verunsicherung durch die vielen internationalen Krisen. Und weil das Leben so viel teurer geworden ist, nicht nur gefühlt. Daran haben auch die Küchen ihren Anteil. Schätzungen zufolge sind die Preise für Küchenmöbel, Geräte und funktionale Ausstattung in den letzten gut vier Jahren um 20 bis 30 Prozent gestiegen. Das bringt viel durcheinander, weil die Budgets der Verbraucher nur bedingt flexibel sind. So erlebten die unteren Preissegmenten zuletzt regen Zulauf, die gehobene Mitte des Küchenmarktes brach aber ein. Erst im wirklichen Luxussegment soll es wieder entspannter zugehen, hört man aus dem Markt.

Beratung ist existenziell
In die Rubrik Zuversicht gehört auch das im März geschnürte Finanzpaket der Bundespolitik mit den zu erwartenden Investitionen in Bau und Infrastruktur. Für AMK-Sprecher Bernd Weisser sind darin viele positive Signale für den Küchenmarkt enthalten. Marktbeobachter sehen aber auch Risiken, weil die Bauzinsen in der Erwartung einer regelrechten Anleiheflut am Kapitalmarkt zuletzt wieder leicht zulegten.
Im Rückblick auf das vergangene Jahr 2024 berichtete Bernd Weisser zwar von signifikanten Umsatzeinbußen („jetzt im zweiten Jahr“), betonte aber auch, dass die Umsätze der Küchenmöbelindustrie immer noch über dem Corona-Niveau lägen und der Anteil der Küchen am gesamten Möbelmarkt sogar weiter gestiegen sei. Was an den Planungsnotwendigkeit einer Küche liegen dürfte. Die Einbauküche ist ein beratungsintensives Produkt, das sich der einfachen Preisvergleichbarkeit entzieht und nicht mal eben vom Sofa aus über einen Online-Shop bestellt werden kann. Frei nach dem Motto: Der beste Preis gewinnt. Reine Online-Anbieter hätten sich im Küchenbereich zumindest bisher nicht etablieren können, so Weisser. Sein Fazit: „Die persönliche Beratung ist für unsere Branche existenziell“.

Rund um den eigenen Schornstein
Auf die Industrie bezogen gibt es zum Aufbau stabiler Exportstrukturen keine Alternative. Insbesondere in den Märkten „rund um den eigenen Schornstein“. Auch der Blick auf den Exportmarkt USA wird derzeit intensiviert. Die AMK forciert solche Aktivitäten mit Nachdruck. Zum Beispiel gemeinsam mit dem VDM (Verband der Deutschen Möbelindustrie) auf der Küchen- und Badmesse NKBA und mit messebegleitenden Delegationsreisen. Dies ermöglicht den Unternehmen der deutschen Küchenindustrie ein erstes Kennenlernen der Strukturen vor Ort inklusive der unverzichtbaren Netzwerkbildung. Auch für 2026 sind wieder Ausstellungsflächen auf der Kitchen & Bath Industry Show (KBIS) reserviert und eine Delegationsreise geplant. Interessenten sollten sich umgehend bei der AMK melden.

Ein Blumenstrauß an Themen
Die Förderung der Exportaktivitäten in die USA wird von der AMK engagiert vorangetrieben und nimmt viel Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung ein, beansprucht aber nur einen vergleichsweise kleinen Teil der umfangreichen Themenliste des Branchenverbandes. Über die vielfältigen Aktivitäten in den vier Arbeitskreisen berichteten in Heidelberg erstmals nicht die jeweiligen Sprecherinnen und Sprecher der Arbeitskreise, sondern AMK-Geschäftsführer Volker Irle in Personalunion. Seine über alle Bereiche fachkundigen Ausführungen boten lebendige Einblicke in den AMK-Alltag. Gleichzeitig forderten sie Konzentration der (angemeldeten) 212 Tagungsgäste. Allein schon wegen der erstaunlichen Themenvielfalt. Ein AMK-Jahr ist schon in der Basisarbeit inhaltsreich und wird scheinbar mit immer weiteren Projekten gefüllt. Zentral sind sicherlich die Aktivitäten der Arbeitskreise Marketing und Öffentlichkeitsarbeit (Pressearbeit, Tag der Küche, Herausgabe von Ratgebern gedruckt und online als Beratungshilfe für den Handel) sowie Technik und Normung (Merkblätter, Entscheidungshilfen für die Küchenplanung). Hinzu kommen die Gruppen Internationalisierung (inkl. Untergruppe China) und Funktionale Ausstattung (vormals Spülen und Zubehör). Neu gegründet wurde das Projektteam „AMK gegen Fachkräftemangel“, und online gegangen ist jüngst die „AMK Academy“, die in kurzen Lehrvideos in deutscher, englischer und chinesischer Sprache Grundlagen der Küchenplanung vermittelt.

Kluge Themenauswahl
Eine AMK-Mitgliederversammlung ist inhaltlich intensiv und wird von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchweg geschätzt und gelobt. Ebenso das parallele Networking in den Tagungspausen und beim abendlichen Branchenabend, der diesmal stimmungsvoll über den Dächern Heidelbergs im 15. Stock des Hotel Atlantic stattfand. Das belegen auch die zahlreichen positiven Einträge im Online-Netzwerk LinkedIn. Doch bei Branchenthemen allein wollte es der Verband auch in diesem Jahr nicht belassen. Stattdessen gab es ergänzend ein Thema „Out of the Box“, wie AMK-Geschäftsführer Volker Irle ankündigte. Eingeladen war Dr. Carolin Mehnert (nicht verwandt mit AMK-Sprecher Michael Mehnert), die über die Führung (Leadership) der Zukunft sprach. Damit hatten Volker Irle und sein Team eine kluge Themenwahl getroffen, denn die Ausführungen über die Chancen der „gleichberechtigten Teilhabe“ am Berufsleben boten Gelegenheit, mit den Grenzen der eigenen Meinungen und Einstellungen in Kontakt zu kommen. Also „Out of the Box“ im grundlegendsten Sinne.
Die Ausführungen zum Thema Diversität (Diversity) stießen in der Zuhörerschaft auf ein differenziertes Echo. Dabei hatte Dr. Mehnert von Anfang an betont, dass es in ihrem Vortrag um wissenschaftliche Erkenntnisse und die wirtschaftlichen Effekte der gleichberechtigten Teilhabe geht. Unter anderem führte sie sinngemäß aus: Rund 50 Prozent des Fachkräftemangels könnten abgefedert werden, wenn alle Menschen im Wirtschaftsleben willkommen sind und sich dort sicher und akzeptiert fühlen. Die Situation in deutschen Unternehmen zeichnet jedoch ein anderes Bild. Studien zufolge fühlen sich 40 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weder mit ihrer Arbeit noch mit dem Unternehmen verbunden. „Wir müssen uns dringend mit dem Thema Zugehörigkeit beschäftigen, mit Vorbildern, Wertschätzung und Selbstwirksamkeit“, appellierte die Referentin in ihrem engagierten Vortrag. „Es geht nicht um Nettigkeit, aber wir können es uns nicht leisten, die Menschlichkeit aus dem Business zu entfernen.“ Und sie sagte auch: „Wir müssen uns darum kümmern, denn das Thema werden wir nicht wieder los“.

Das Herz der AMK
Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung, der den Mitgliedern vorbehalten ist, stand die Neuwahl des Vorstandes auf der Tagesordnung. Die bisherigen Vorstandsmitglieder wurden ohne Gegenstimme bestätigt. Neu im Vorstand ist Ralph Leimbach. Gewählt bzw. bestätigt wurden Michael Mehnert (BSH), Bernd Weisser (nobilia), André Dorner (Blum), Ralph Leimbach (DER KREIS), Volker Klodwig (MHK), Michael Lehmkuhl (Hettich), Christian Gerwens (Miele) und Matthias Berens (Baumann Group).
Damit bleiben Vorstand und Geschäftsführung auch in den nächsten vier Jahren in männlicher Hand. Das Herz der AMK schlägt jedoch rein weiblich. Denn ohne die Mitarbeiterinnen in der Mannheimer Geschäftsstelle wäre die Arbeit des Branchenverbandes nicht möglich. Das betonten sowohl Geschäftsführer Volker Irle als auch die Vorstandssprecher Michael Mehnert und Bernd Weisser ausdrücklich. Als Zeichen der Wertschätzung gab es Präsente für Richarda Burré (Leiterin Marketing & Öffentlichkeitsarbeit), Christine Bitz (Assistentin der Geschäftsführung), Irina Darian (Leiterin Technik) und Laura Sánchez (Managerin Internationalisierung). Und ganz viel herzlichen Applaus von den Tagungsgästen.

www.amk.de


Jetzt 171 Mitglieder
Im Gegensatz zu den Umsätzen der Branche, scheint der Mitgliederstand keine Grenzen zu kennen. So berichtete der Branchenverband von einem erneuten Allzeithoch mit jetzt 171 Mitgliedsunternehmen. Neu dazugekommen sind

  • Betzler Group B.V.
  • Culinoma GmbH
  • ELCO GmbH (das Unternehmen wird jedoch im Sommer 2025 den Betrieb einstellen)
  • Gebrüder Dorfner GmbH & Co.
  • Integrated Worlds GmbH
  • Karolin und Kristallquarzsandwerke
  • L&S Deutschland GmbH
  • Marmor Center GmbH
  • Midea
  • Titus GmbH
  • Tradeplace B.V.
  • Wagner & Schönherr GmbH

Jubiläum im nächsten Jahr
Der Termin für die nächste Mitgliederversammlung mit Branchenabend steht bereits fest: Am 18. Juni 2026 wird die AMK ihr 70-jähriges Bestehen mit einem großen Fest in Mannheim feiern.


* Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche (AMK)