Wer nicht plant, wird verplant
Es dürfte weitgehend Konsens sein, dass die Gegenwart als unsichere Zeit beschrieben werden darf. Das hat Folgen für alle Lebensbereiche – auch für den Küchenhandel, der vor Herausforderungen wie Inflation, Kaufzurückhaltung und Fachkräftemangel steht. Umso wichtiger ist es jetzt, die Zukunft zu gestalten und sich aktiv an die Planung der nächsten Jahre zu machen. Warum? Aus mehrerlei Gründen. Der erste ist naheliegend: Planung erzeugt Sicherheit und bildet die Grundlage für Entscheidungen. Der zweite ist etwas komplexer: Wer nicht selbst plant, läuft Gefahr verplant zu werden – mit eventuell schwerwiegenden Folgen. Aber dazu später.
Ungewissen Erlöse
Die größte Hürde bei der Durchführung einer Planung ist die Einschätzung des zukünftigen Umsatzes. Im Gegensatz dazu lassen sich die Ausgaben recht leicht errechnen. Bei diesen kann man sich auf die wesentlichen Ausgaben konzentrieren. Also die Kosten für Materialeinsatz, Personal oder Miete. Da diese Größen in der Regel feststehen, kann hier eine Zukunftsplanung aus der Ist-Situation abgeleitet werden. Schwieriger wird es bei den Umsätzen: Wer sagt einem, welcher Kunde in der Zukunft wann welche Küche kaufen wird? Im ersten Moment könnte man denken, dass sich eine solche Annahme nur mithilfe einer Glaskugel treffen lässt – und Glaskugeln, Kaffeesatz und ähnlicher Hokuspokus waren noch nie gute Berater. Stattdessen können bestimmte Prämissen gesetzt werden, mit denen sich der Umsatz gut planen lässt. Im ersten Schritt startet man mit einer vergangenheitsbezogenen Annahme. Hierfür ist der Umsatz des letzten Jahres oder alternativ der durchschnittliche Umsatz mehrerer Jahre für die Planung heranzuziehen. Diese erste Planzahl gilt es dann zu präzisieren, indem Einflussfaktoren berücksichtigt werden, die den Umsatz entweder noch begünstigen oder vielleicht auch negativ beeinflussen können. Typische Indikatoren für die Begünstigung können der Auftragseingang, die Steigerung des Bekanntheitsgrades (zum Beispiel durch Werbung), Wohnungsbau-Aktivitäten in der Region oder der Wegfall eines Wettbewerbers sein. Negativ hingegen wirken Themen wie Inflation, Fachkräftemangel, Baustellen am Standort oder auch hohe Zinsen. Da man die Auswirkungen der Einflussfaktoren auf den Umsatz nur schätzen kann, empfiehlt sich eine diversifizierte Planrechnung, der unterschiedliche Szenarien zugrunde gelegt werden (positive, negative bzw. neutrale Entwicklung).
Ergebnisse für die Liquiditätsplanung nutzen
Nach Berücksichtigung der zukünftigen Ausgaben ist die Planrechnung (gegebenenfalls mit Szenarien) eine gute Grundlage für die Bewertung des zukünftigen Erfolgs des Unternehmens – und damit auch eine Voraussetzung für unternehmerische Entscheidungen. Soll zum Beispiel in neue Ausstellungsräume investiert werden, kommen schnell Kosten zusammen, die gedeckt werden müssen. Wenn die Prognosen eher auf Umsatzrückgänge schließen lassen, sollte der Umbau vielleicht verschoben und stattdessen in Werbung investiert werden. Gleiches gilt für die Personalplanung und ähnliche betriebswirtschaftliche Entscheidungen. Die errechneten Kennzahlen helfen aber nicht nur dabei, die richtigen Wege zu wählen, aus ihnen lässt sich auch ableiten, wie der Liquiditätsverlauf sein wird – und das ist gerade in unsicheren Zeiten von größter Bedeutung.
Fremdeinschätzung vermeiden
Liquidität erreicht ein Küchenstudio typischerweise auf zwei Wegen: über eigene Finanzreserven und/oder über Kreditlinien bei der Bank. Liegt der Fokus auf der Absicherung über Kreditinstitute, kann es passieren, dass sich Unternehmer heute im Bankgespräch mit einem neuen Thema konfrontiert sehen, das in direkter Verbindung zur Planberechnung steht. Banken werden von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kontrolliert und diese gibt auch die Rahmenbedingen für das Betreiben des Kreditgeschäfts vor. Dazu gehören auch die „Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Banken“ (MaRisk). In letzter Zeit hört man nun von einer sog. MaRisk Novelle, die unter anderem folgenden Passus enthält:
„Die Institute sollten die Tragfähigkeit der Finanzlage des Kreditnehmers sowie die Machbarkeit der künftigen Rückzahlungsfähigkeit unter potenziell ungünstigen Bedingungen bewerten, die sich während der Laufzeit des Darlehensvertrags ergeben können. Zu diesem Zweck sollten die Institute eine von einem oder vielen Faktoren abhängige Sensitivitätsanalyse durchführen und dabei Marktereignisse und kreditbezogene Ereignisse oder eine beliebige Kombination daraus berücksichtigen.“
Aus diesen Worten können sich vielerlei Auswirkungen auf Kreditnehmer ergeben. Wahrscheinlich ist, dass Banken die „ungünstigen Bedingungen“ so definieren, wie sie für den einen oder anderen Kreditnehmer gar nicht zutreffend sind und dann zu einer völlig falschen Bewertung der zukünftigen Entwicklung eines Unternehmens kommen. Dies wiederum kann das Kreditvergabeverhalten der Bank beeinflussen und somit negative Folgen für den Kreditnehmer haben (Stichwort: Liquidität). Wird die MaRisk-Novelle eng ausgelegt, können viele ungünstige Bedingungen definiert und beliebig in der bankinternen Planrechnung zum Kreditnehmer kombiniert werden.
Selbst aktiv werden
Das Problem ist, dass Banken in der Regel nicht einschätzen können, welche Einflussfaktoren für den Küchenhandel von Bedeutung sind. Und nach dem oben zitierten Passus werden sie wahrscheinlich restriktiv vorgehen, um ihre Pflichten nicht zu verletzen. Für den Kreditnehmer eröffnet das aber auch Möglichkeiten: Er kann selbst planen, seine relevanten Einflussfaktoren (also auch die „ungünstigen Bedingungen“) definieren und diese Szenarien, wie oben skizziert, in seine Planung einfließen lassen. Die Bank wird diese Initiative eher zu schätzen wissen: Zum einen ist die Planrechnung vom Fachmann näher an der Realität und zum anderen erspart es der Bank Arbeit. Und für das Küchenstudio lohnt sich die Arbeit ebenfalls: Es wird mit einer besseren Bonität und größeren Liquiditätsspielräumen belohnt.
Zum Autor
Ingo Anneken ist seit 2009 Geschäftsführer der SEB Steuerberatung. Gemeinsam mit seinen Kollegen unterstützt er die Kunden über die klassische Steuerberatung hinaus hinsichtlich einer Vielzahl an betriebswirtschaftlichen Fragen – von der Rechtsformoptimierung bis hin zur Existenzgründung. Zudem ist er Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.). Die SEB Steuerberatung beschäftigt 50 Mitarbeiter und ist seit 1990 auf den Kücheneinzelhandel spezialisiert. Derzeit betreut die Beratungsgesellschaft rund 80 Kücheneinzelhandelsunternehmen unterschiedlicher Größen mit diversen Verbandszugehörigkeiten. Die persönliche Betreuung hinsichtlich betriebswirtschaftlicher, steuerrechtlicher, buchhalterischer und datenschutzrechtlicher Fragen steht dabei im Vordergrund.