09.08.2013

Es braucht gute Geschichten, damit sich der Preis beim Küchenkauf nicht vor der Zeit nach vorn krakeelt. Dunstabzugshauben beispielsweise bieten sich für verkaufsfördernde Kitchenstories geradezu an. Zugegeben: Nicht jedes Marktsegment verträgt Ideen, die ohne mit der Wimper zu zucken mit forschen vierstelligen Kostennoten kokettieren. Doch Potenzial für die Haube ist vorhanden im Trend zur höherwertigen Küche.

Für Sie als Küchenplaner und Küchenverkäufer haben wir in diesem Heft auf 30 Seiten aktuellen Input zum Thema Dunstabzug zusammengetragen. Zu erzählen gibt es einiges. Wir beleuchten ausgewählte „Mythen rund um die Haube“ und haben uns bis über die Ellbogen durch die aktuelle Technik gewühlt. Die Ergebnisse lesen Sie in unserem Haubenlexikon – es bietet reichlich Futter für das Verkaufsgespräch mit den Daniel Düsentriebs dieser Welt.
Spannend wird es in der alphabetischen Reihenfolge bei „P“. Die Plasmatechnik bringt derzeit die Gemüter in Wallung wie kaum ein zweites Produktthema. Hinter den Kulissen, versteht sich. Plasma glänzt bei der Neutralisierung von Gerüchen mit Bestnoten und versteht sich im Umgang mit Keimen, Bakterien und Allergenen. Das wird in der Industrie und vor allem in der Gastronomie seit Jahren geschätzt. In der Privatküche avanciert diese Technologie gleichfalls zu einer der hochgelobten Alternativen in Zeiten von Null- und Niedrigenergiebauten. Wenn auch in kleinen Schritten und zurückhaltender als erwartet. Was unter anderem den bis dato sportlichen Preisen geschuldet sein mag. Zudem ist die Plasma-Technik beratungsintensiv, und die Anbieter haben sich mit ernst zu nehmenden Vorurteilen auseinanderzusetzen. Dem unbedarften Küchenkäufer dürfte es geradezu unheimlich anmuten, sich ein Gerät installieren zu lassen, das mit 1500 Volt Hochspannung arbeitet. Dass beim Lüftungsprozess Ozon im Gerät entsteht, macht die Sache nicht freundlicher. Ozon, das „weiß man schließlich“, ist schlecht. Überdosiert reizt es die Atemwege und lässt Augen brennen. Ozonwarnungen im sommerlichen Wetterbericht prägen das miserable Image des Gases ebenso wie das seit den 1980er-Jahren populäre Ozonloch. Dass die Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ozonaustritts beim geprüften und zertifizierten Einsatz in der Dunsthaube bei Null liegt, tritt je nach argumentativer Motivation gern in den Hintergrund. Boulevard-Medien opfern diese Tatsache der Lust am Horrorszenario. Innerhalb der Branche wird die Ozon-Gefahr gar hin und wieder mit Kalkül dramatisiert. Fakt ist: Die Luftreinhaltung per Plasma ist technisch anspruchsvoll, scheint aber außerordentlich effizient zu sein. Allein steht sie mit diesem Talent indes nicht. Ein ganzer Industriezweig forscht mit Eifer und nachweislich erfolgreich nach neuen Möglichkeiten, wie Kochdünste im internen Umluftprozess effektiv gereinigt werden können. Unser Haubenlexikon verrät Details.
Die Entwicklung sowie die Anwendung der Plasmatechnologie in Hausgeräten ist eng mit dem Namen Manfred Langner verbunden. Bereits seit 1992 beschäftigt sich Langner eigenen Angaben zufolge mit diesem Thema. Lange Jahre unter dem organisatorischen Dach seines Unternehmens Airtec Competence. Gesundheitliche und finanzielle Probleme führten Anfang 2013 zur Insolvenz von Airtec – aber nicht zur Aufgabe eines Lebenswerks. Jetzt ist Langner gesundheitlich wieder auf den Beinen und mit dem Unternehmen plasmaNorm am Markt. Und das auf Basis eines europäischen Patents, in dessen Besitz er ist. Allerdings endet die reguläre gesetzliche Einspruchsfrist für dieses Patent erst im Oktober 2013. Wie aus dem Markt zu hören ist, wird dem Europäischen Patentamt bis dahin Post ins Haus flattern, die das Patent beanstandet. Beziehungsweise ist bereits geflattert. Sollte die besondere Schutzwürdigkeit der plasmaNorm-Technik an dieser Hürde straucheln, hätten weitere Marktteilnehmer einen barrierefreien Zugang zu diesem lukrativen Zukunftsmarkt. An der grundsätzlichen Funktion der plasmaNorm-Technik ändert die Patententscheidung natürlich nichts.
Eine Vorreiterrolle beim Vertrieb der von Manfred Langner und Partnern von der Hochschule Greifswald entwickelten Plasma-Technik im Hausgerätebereich hatte seit 2006 Haubenbauer O+F aus Menden. Diese exklusive Partnerschaft ist Geschichte und die Stimmung gilt als unterkühlt. Weitere Anbieter sind auf den Plan getreten: Axair aus Holland, ein ehemaliger Lizenznehmer von Langner. Vor wenigen Monaten hat Haubenimporteur refsta aus Spenge eine plasmaNorm-Lizenz erworben – übrigens die derzeit einzige offizielle Lizenz – und beginnt in diesen Tagen mit der Auslieferung. Weitere Lizenznehmer sollen folgen. Damit verbunden: deutlich sinkende Preise. „Um die 1000 Euro“ für Haube samt Plasmamodul sollen das Ziel sein, um das Produkt massentauglicher zu machen.
Ein interessanter Nebenstrang der Geschehnisse rund ums Plasma: refsta bezieht einen (großen) Teil seiner Hauben von Tecnowind aus dem italienischen Fabriano. Der italienische Haubenbauer tauchte in der Vergangenheit regelmäßig mit Berichten über angebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten in den Schlagzeilen auf. Erst Anfang Juli soll die lokale Presse in Fabriano ausführlich über das endgültigen Aus gemutmaßt haben und dass der Inhaber „händeringend und zu jedem Preis“ einen Kaufinteressenten suche. Da Tecnowind im Flurfunk der Küchenbranche auch als Produzent der Plasma-Lizenzmodule für refsta gehandelt wird, stellt sich natürlich die Frage, was aus den ambitionierten Plasma-Plänen von refsta wird, wenn der Lieferant den kompletten Betrieb einstellt. Ein Anruf in Spenge verschafft Klarheit: Laut refsta-Juniorchef Malte Stark gibt es seit Mitte Juli tatsächlich einen neuen Eigentümer bei Tecnowind. Davon seien die Kunden schriftlich informiert worden. Neu am Ruder sei eine fünfköpfige Eigentümergruppe. Die offizielle Bestätigung aus Italien steht aber noch aus. Allerdings: refsta lässt seine plasmaNorm-Module laut Malte Stark gar nicht bei Tecnowind produzieren, sondern bei einem nicht näher bezeichneten Hersteller im „Großraum Ancona“. Was den Blick weiterhin nach Fabriano lenkt. Dort, rund 100 Kilometer von Ancona entfernt, agieren etliche Haubenbauer unterschiedlicher Größe und Ambitionen, unter anderem Marktgrößen wie ­Elica, best und Faber (Franke-Gruppe). Und soviel scheint klar: Plasma-Module schustert man nicht im Hinterhof zusammen.
refstas Bekenntnis zur Lieferfähigkeit der per Lizenz produzierten plasmaNorm-Module wird man übrigens auch in Sauerlach gern hören: bei der Air Design GmbH, eine Schwesterfirma des Zubehörgroßhändlers Sagemüller & Rohrer. Air Design plant laut Geschäftsführer Manfred Staubach für das eigene bestehende Angebot an Hauben mit Plasma-Umluftfiltern aktuell einen Lieferantenwechsel. Von Holland nach Italien.
Am 31. Oktober endet die patentrechtliche Einspruchsfrist für das plasmaNorm-System. Auch wir sind gespannt, wie die Einschätzung des Patentamtes ausfallen wird und welche Akteure ihren Hut noch in den Ring werfen. Wir erzählen die Geschichte weiter, verspricht 

 

Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de