Wohin mit Opa?
Manchmal beschleicht mich das Gefühl, die ganze Welt dreht sich nur noch um Facebook. Ach, was sage ich: als sei die Welt Facebook. Beziehungsweise eine der vielen anderen Möglichkeiten zu Kontaktaufnahme oder Beziehungspflege unter Anwendung strombetriebener Hilfsmittel. Diskussionsplattformen und Bewertungsforen wohin der Mauszeiger huscht. Wo soll man sich nicht überall beteiligen und seine Meinung kundtun – Lieferanten bewerten, Literatur empfehlen, Sperrgut zum Kauf anbieten, Schuhe erwerben, Engagement als aufgeklärter Fernsehbürger zeigen. Kürzlich geisterte eine witzige Idee durchs Netz. „Wie Sie mit Facebook Geld verdienen können?“, stand mit weißen Lettern auf blauem Grund geschrieben. Die Antwort aus der Erinnerung notiert: „Von Facebook abmelden, Computer ausschalten und sich seinen Geschäften zuwenden.“
Erfunden wurde der Hype ums virtuelle Mitmachen, Diskutieren und Bewerten wahrscheinlich von Menschen, die tage- und nächtelang in abgedunkelten Räumen hocken und mit rundem Rücken die Zeigefinger auf die Tastatur hauen, dass die Funken nur so sprühen: Softwareprogrammierer und andere Computertechniker. Irgendwer muss ja die Infrastruktur schaffen, damit das Marketing spielen kann. Beiden Gruppen gehen die Ideen einfach nicht aus. Das macht mir manchmal Sorgen. Denn kaum habe ich mich mit meinen zäh erarbeiteten Anwenderkenntnissen zurechtgefunden, rollt die nächste Aktualisierungswelle heran. Ständig muss man irgendetwas erneuern, synchronisieren, updaten oder sonst wie anders machen als gewohnt. Betriebssysteme sind heute revolutionär, morgen von gestern. Von Mini-Computern mit Telefonierfunktion und Tablet-PCs fast gar nicht zu reden. Retro ist ja mal wieder In, doch mit dem iPad 1 muss man schon wieder ins Museum. Die Frage „Wohin mit Opa?“ erhält in diesen Tagen eine völlig neue Dimension. Dieser Zwang zur technischen Flexibilität beugt der Demenz vor sagen die einen, das ist doch alles völlig blöd, mache ich gar nicht erst mit, die anderen.
Schwarz-Weiß versprüht in der Küche einen Charme der Zeitlosigkeit – doch bei der Frage, wie weit man mitmachen soll bei diesem ganzen Netzwerken und der umfassenden Digitalisierung des Lebens, versagt entsprechendes Denken. Eine gewisse Wachsamkeit und Kritikfähigkeit hilft. Denn was einschlägige Anbieter als Must-Have anpreisen, erinnert ein wenig an die Geschichte vom Kaiser und seinen neuen Kleidern. Nichts hatte der Monarch an bis auf die Unterwäsche, aber niemand traute sich, ihm das zu sagen. Ähnlich scheint es um den Wert mancher technischer Errungenschaft bestellt zu sein, die Abläufe schneller und das Leben als Ganzes komfortabler machen soll.
Gute Sprüche gibt es nicht nur im Internet. Schon Einstein soll vor etwa 100 Jahren gesagt haben: Man muss diese Welt nicht verstehen, man müsse lernen, sich in ihr zurechtzufinden. Ob er da schon was von Facebook wusste? Zuzutrauen wäre es ihm. Wer auf die Relativitätstheorie kommt, dem ist alles zuzutrauen.
Dieses Internet mit all seinen Möglichkeiten und Anforderungen wird nicht wieder weggehen. Wir müssen uns also zurechtfinden und die inflationär vorhandenen Möglichkeiten wohlwollend betrachten, kritisch prüfen und mit eigenen Ideen füllen. Mit anderen Worten: Nehmen, was passt und Freude macht, den Rest liegen lassen. Oder wie es unser Gesprächspartner Volker Geyer ausdrückt. „Worauf habe ich wirklich Lust und mache es aus Überzeugung? Das Internet bietet tolle Möglichkeiten – für alle, die Geschichten haben und diese erzählen wollen. Wer keine Geschichten hat, sollte die Finger davon lassen.“ Das komplette Interview lesen Sie ab S. 56 in dieser Ausgabe.
Viel Vergnügen beim Sieben und Ausprobieren, digital wie „in echt“, wünscht
Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de
PS: Weil der Redaktion Social Media Spaß macht, haben auch wir auf Facebook eine Seite. Folgen Sie uns und den Nachrichten links und rechts des Weges rund um den schönsten Raum des Hauses. Einfach Küchenplaner in die Suchmaske eingeben.