16.12.2015

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Dekore und Farben satt – und am Schluss ist die Küche doch wieder Weiß. Wie viele Küchengestalter dies schon in die berufsbedingte Lethargie getrieben hat? Man mag es sich gar nicht vorstellen. Aber Fakt ist: Auch im Kollektionsjahr 2016 führt an hellen Küchenmöbeln nichts vorbei. Außer Grau.

Diese Farben sind für gut 80% des Küchenmarkts gut. Präsentiert von nobilia zur Hausausstellung. Foto: Biermann

Arcticweiß, Achatweiß, Seidenweiß, Weiß Softmatt, Kristallweiß, Schneeweiß, Grauweiß, Colorweiß, Polarweiß, Weiß Hochglanz, Alpinweiß, Pure White und Porzellanweiß... Luft holen... und weiteratmen... Perlgrau, Opalgrau, Quarzgrau, Dunkelgrau, Hellgrau, Schiefergrau, Seidengrau, Delphingrau, Austerngrau, Betongrau, Kristallgrau, Schiefer, Carbongrau, Lichtgrau, Mangangrau  ... oder schlicht Anthrazit. Das sind die Grundvokabeln für die optischen Küchenmöbeltrends 2016. Denn 60% der Küchen werden hierzulande in Weiß und 20% in Grau bestellt. Aktuell verändern sich die Nuancen allerdings. Das allzu gelbstichige Warmweiß ist out, das fast schon bläulich wirkende Kaltweiß auch. „Neutralweiß“ liegt in der Gunst ganz vorn. Aber – wen wundert’s - gern mit etwas Grau abgemischt.

Es wird gern kombiniert
Grundsätzlich regiert weiterhin die Kombinationsfreude. Helle Fronten müssen nicht in der reinen Lehre geplant werden, sondern lassen sich stilvoll mit den hoch gehandelten Grautönen arrangieren. Dazu zählt auch Beton. Oberflächen in dieser Optik zählen zu den markantesten Neuheiten in den Programmen vieler Küchenmöbelhersteller. Und das entweder hauchdünn gespachtelt in echt oder als täuschend echt wirkende Nachbildung für das angepasste Budget. Hinzu kommen Steinoptiken und als farblicher Partner das dunkle Nachtblau.
Für markante Kontraste bieten sich aber auch Holzflächen an. Neben dem Dauerbrenner Eiche verbauen die Küchenbauer derzeit gern Pinie und auch wieder Buche im hellen Skandinavien-Look. Wobei gilt: Bei diesen Dekorfronten reden wir fast ausschließlich über Holznachbildungen aus Kunststoff. Zu 99% werden die Hölzer in dieser preisgünstigen Oberflächenvariante angeboten, der Anteil an hochwertigen Furnierfronten liegt laut nobilia-Produktentwickler Andras Bielefeld derzeit bei nicht mal ein Prozent. Beim „Streicheltest“ sind immer mehr dieser Nachbildungen kaum noch vom Original zu unterscheiden. Optisch ohnehin nicht.

Landhausprogramme entstaubt
Die Küche in Holz-Vollausstattung, echt oder wie echt, ist dabei aber eher die Ausnahme. Das gilt auch für den reaktivierten Landhausstil, der jetzt häufig „Country Style“ heißt und frisch und lebendig daherkommt. Viele Küchenmöbelhersteller haben ihr Landhausprogramm entstaubt und neue, abgespeckte Versionen gestaltet. Das Schöne dabei: Hat man sich für eine Front und ein Dekor entschieden, lässt sich der gewünschte Landhaus-Charme in unterschiedlicher Intensität umsetzen. Mit eher geradlinigen Möbeln, oder stilecht mit Pilastern, Kranzleisten und Haubenumbau als „Landhaus extrem“. Der individuell eingerichteten Küche steht damit nichts im Wege.

Übergänge wohnlich gestalten
Man mag die Dominanz von Weiß und Grau beklagen – ihr entkommen wird man nicht. Küchenkäufer lieben halt helle Möbel. Frei nach dem Betonwerbeslogan „Kommt drauf an, was man draus macht“ definiert sich das Gesamtprodukt natürlich nicht allein über die Fronten. Immer mehr Gewicht erhält zum Beispiel die Umfeldplanung mit funktionalen Nischenlösungen. Regale schaffen in separaten Küchenräumen ein wohnliches Ambiente und in offenen Grundrissplanungen elegante Übergänge ins Ess- und Wohnzimmer. Ganz wunderbar gestalten lässt sich mit Licht. Vor allem seit immer mehr der sparsamen LED-Leuchten dimmbar und in der Lichtfarbe individuell einstellbar sind – für die Küchenarbeit ein munteres Kaltweiß und ein gemütliches Warmweiß für den Feierabend.

Auszüge flexibel ausstatten
Bei der Möbelausstattung setzen sich die optischen Ansprüche der Oberfläche längst auch hinter der Front fort. Mit abgestimmten Farben (Grau, was sonst!), flexiblen Inneneinteilungen und eleganten Schubkästen, die sich sanft bewegen und fast lautlos schließen lassen. Der typische Apothekerschrank lässt sich heute ebenfalls optisch aufwerten mit viel Glas, Holz und gedeckten Farben. Praktisch ist er sowieso - im Hochschrank und seit neuestem auch für die Unterzeile. Als Alternative zu diesem Ausstattungsklassiker versprechen Innenauszüge hinter der Möbelfront ebenfalls ein sattes Stauraum-Plus. Dass es hinter den Fronten immer eleganter zugeht, ist in erster Linie den Schrankausstattern zu verdanken. Die bewährten doppelwandigen Auszugsysteme zum Beispiel präsentieren sich designorientiert mit schlanken Zargen; im hochwertigeren Segment individuell bestückt mit Glas, Holz, Edelstahl oder farbigen Elementen.

Drei Farben sind genug
Kommen wir abschließend auf die Optik zurück. Konkret: Zur farblichen Gestaltung von Küchenmöbeln. Zwar betont fast jeder Küchenmöbelhersteller seine besondere Kompetenz auf diesem Gebiet, doch in der Realität dürfte diese kaum zum Zuge kommen. Das liegt an der erwähnten Weiß-Gau-Dominanz. Natürlich. Aber nicht nur. Bei den markanten Unis kommt in der Küche nach Rot erst mal lange nichts. Dann folgen aktuell Nachtblau und andere Töne dieser Farbfamilie sowie die sanften Naturtöne.
Das Thema „Küche und Farbe“ ist natürlich stets eine Sache der Gesamtbetrachtung. Sprich: Möbel, Geräte, Arbeitsfläche, Nische und Umfeld können niemals isoliert gestaltet werden. Der Ausstattungsgeschmack der Küchennutzer mit diversen Accessoires rund ums Vorbereiten, Kochen und Aufbewahren kommt ja auch noch dazu. So versteht es sich von selbst, dass das Spiel mit üppigen Farben Grenzen haben sollte. „Denn ein Zuviel an Farbigkeit kann erdrückend wirken“, meldeten kürzlich auch die Trendscouts der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche (AMK). „Alle guten Dinge sind drei“. Diese Faustformel sollte bei der Farbgestaltung von Räumen unbedingt beachtet werden, insbesondere im Zusammenhang mit großen Möbelfronten. Merke: „Ein Zuviel an Farben führt zur Überreizung der Sinne und erschlägt den Nutzer.“ Diese Gefahr besteht in der Küche garantiert nicht. Weiß sei dank.

Dirk Biermann

www.kuechenplaner-magazin.de