Feuer und Flamme
Wenn es um die Wurst geht, das Wortspiel sei an dieser Stelle verziehen, verstehen die meisten Deutschen keinen Spaß. Übers Grillen lässt sich herrlich fachsimpeln, was wiederum nicht nur das betrifft, was auf dem Rost landet: Auch das BBQ-Gerät selbst bietet mittlerweile Anlass genug, um über Röstaromen, Restwärme und raffinierte Zubehörteile zu philosophieren. Out ist in, jedenfalls, wenn es nach den zahlreichen Anbietern von Outdoorküchen und Grillmodulen geht, die den Markt – und damit eine ganze Grillnation – seit Jahren zu erobern versuchen.
Auffällig ist dabei nicht nur, dass sich der Fokus zunehmend aufs Luxussegment verlagert, weil sich mehr PS unter der Grillhaube, ähnlich wie in der Automobilbranche, deutlich besser verkaufen als das klassische Familienmodell. Zugleich wandert explizites Know-how aus dem Gerätebereich der „Indoor-Küche“ nach draußen auf den Grill, mit dem es sich dieser Tage auch backen und schmoren lässt. So präsentierte der italienische Hersteller Smeg im vergangenen Herbst auf Gut Böckel einen Elektro-Grill, der auch drinnen zum Einsatz kommen darf. Damit wird die Gerätewand in der Küche neben Dampfgarer, Wärmeschublade und Vakuumierer um einen weiteren, multifunktionalen Player ergänzt.
Elektrogrill für drinnen und draußen
Der Neuzugang bei Smeg ist ein Einbaugerät in 60, 90 oder 120 Zentimetern Breite, das aus einem Grillrost in Aluminium-Druckguss sowie einem integrierten Heizelement besteht. Eine Edelstahlhaube erinnert an den klassischen Gartengrill und sorgt, laut Hersteller, für eine besonders hohe Wärmeeffizienz und einen kurzen Aufheizprozess. Es ließe sich zwar argumentieren, dass jener Grillvorgang längst auch von herkömmlichen Backöfen und Kochfeldern ermöglicht wird, zumal Smeg für seine Produktneuheit auch eine Teppanyaki-Fläche anbietet. Dem italienischen Produzenten dürfte es aber, ebenso wie vielen anderen Herstellern, um mehr gehen. Nämlich ums Gefühl.
Indoor-BBQ als Kocherlebnis
Der Einzug des „Indoor-BBQs“ in die privaten vier Wände scheint die logische Konsequenz einer Entwicklung zu sein, die Konsumentinnen und Konsumenten gleichermaßen drinnen wie draußen alle Optionen der Lebensmittelzubereitung offenbaren will. Wo früher gekocht, gebacken und geschmort wurde, lassen sich Speisen heute niedertemperaturgaren, pochieren, dörren, kultivieren, gratinieren oder grillen. Die französische Edelmarke La Cornue geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie verbaut im Backofen entlang der Küchenzeile einen maßgefertigten Rôtisserie-Stab, an dem sich Fisch, Geflügel und Gemüse rund um die eigene Achse drehen. „La Flamberge“, so die Bezeichnung für den rotierenden Grillspieß, ist ein Einbaugrill mit optimiertem Wärmefluss, der laut Hersteller ein „einzigartiges Kocherlebnis“ ermöglicht.
Genau das dürfte Motivation genug sein, um, pardon, Feuer und Flamme für zukünftige Geräte-Visionen im Indoor- und Outdoorsegment zu sein. Wo Fachsimpelei und Freizeitfaktor eine Rolle spielen, wird viel Geld von der entsprechenden Zielgruppe in die Hand genommen. Wann immer möglich, werden also Konzepte von drinnen nach draußen und wieder zurück verlagert. So wandert die Expertise vom gehobenen Restaurant ins private Zuhause – und darüber hinaus auch noch möglichst in den eigenen Vorgarten.
Kuchen backen auf dem Outdoorgrill
Auf den Geschmack kommen Grillfans im Übrigen nicht nur durch originelle Funktionen, sondern auch durch geschickt platziertes Storytelling. So entstammt das neue Liebhaberstück fürs Lagerfeuer der Nation, der digital steuerbare Gasgrill „Koqoon“, aus der Ideenschmiede einer Fabrik für Verzinkung und Druckgießerei. Die „Power-Cast Gruppe“ aus Kirchheim/Teck ist ein Hidden Champion der Branche. Als Lieferant von Druckgussteilen verfügt das familiengeführte Unternehmen seit vielen Jahrzehnten über eine ausgeprägte Materialkompetenz, die nun auch in Form von Edelstahl in den Outdoorbereich einfließt.
Die wetterfeste Hülle des Modells „Koqoon GQ4“ dürfte bei der Namensgebung des Premium-Grills denn auch Pate gestanden haben: Wie ein Kokon ummantelt sie die empfindliche Technik, die mit vier Edelstahl-Gussbrennern, einem Touch-Bedienfeld, Grillthermometer und eigener App für sich wirbt. Die „intuitive Bedienung“ – längst ein geflügeltes Wort im Touchscreen-Zeitalter – speist sich dabei aus der starken Ähnlichkeit des Grills zu (Indoor-)Herd und Induktionskochfeld. Vier Grillzonen können unabhängig voneinander angesteuert werden, wobei die hochpräzise Temperatur-Automatik jede Zahl zwischen 70° und 400° Grad Celsius konstant hält. Zusätzlich lassen sich dank des „Ofen“-Modus, mit dem indirekte Wärmezufuhr und Unterhitze kombiniert werden, sogar Brot und Kuchen zubereiten – direkt auf dem Outdoorgrill. Durch ein Panoramafenster kann der Vorgang auch bei geschlossener Haube beobachtet werden: Wieder einmal wird Grillen damit zum Erlebnis stilisiert.
Kopf-an-Kopf-Rennen
Eine App unterstützt den Grillvorgang beim „GQ4“ ganz bequem vom Gartenstuhl aus. Koqoon nennt es das „Guided Grilling“, das den Blick vom Grillwürstchen hin zu Gourmet-Rezepten lenken soll: Neben Gemüse, Fisch und Fleisch schlägt die App auch Anweisungen für Apfelkuchen, Crème Brûlée oder Risotto vom Grill vor. Vordefinierte Einstellungen werden vom Gasgrill selbstständig übernommen. Für die kulinarische Bandbreite zeichnet die bekannte Köchin Cornelia Poletto verantwortlich, die Koqoon nach außen nicht nur als Markenbotschafterin, sondern auch als „kreative Partnerin“ präsentiert. Das ist insofern interessant, da Poletto auch Mitglied der „Miele Culinary Experts“ ist. Der Gütersloher Konzern wiederum hatte erst im Oktober 2023 bekanntgegeben, das Start-Up „Otto Wilde Grillers“ vollständig zu übernehmen.
Das Kopf-an-Kopf-Rennen im gehobenen Grillspektrum setzt sich also fort. Viele etablierte Marktbegleiter besetzen die Nische ohnehin schon seit Jahren: Dazu zählen Grill-Hersteller wie Napoleon, Flammkraft und Burnhard ebenso wie Outdoorküchenanbieter jeder Preisklasse. Im Premiumsegment dürfte eine gute Geschichte daher von Wert sein, um nicht nur kulinarische, sondern auch emotionale Anreize zu schaffen. La Cornue macht vor: „La Flamberge“ heißt übersetzt so viel wie „Flammenschwert“.
Susanne Maerzke