Was ein Jahr!
Im Monat Dezember ist gern von Besinnung die Rede. Wie auf Knopfdruck sollen wir die Rasanz des Jahres hinter uns lassen und uns dem Innehalten widmen. Mit den besten Wünschen für die tollen Tage unterm Tannenbaum und einen guten Rutsch. Das gilt natürlich auch in diesem Jahr, und vielleicht haben wir es gerade jetzt nötiger denn je. Mal rauszukommen aus der mentalen Zwangsjacke des ewig kreisenden Mangeldenkens und der überbordenden Bedrohungsszenarien, hinein in eine Art unbeschwerte Zeit. Und sei sie noch so speziell. Einfach mal durchatmen. Und dabei stets lang und absichtsvoll ausatmen. So wie im Yoga-Kurs bei der VHS.
2020 geht als Jahr der Pandemie in die Geschichtsbücher ein. Nach 100 Jahren war es wieder soweit. Schnell wurden Parallelen zur sogenannten Spanischen Grippe gezogen, die von 1918 bis 1920 der Welt den Atem nahm. Doch dieser Vergleich hinkt doppelbeinig. Der Grippeerreger von einst stieß auf einfache hygienische Bedingungen und einen gemächlichen Informationsfluss. Das förderte die Verbreitung.
Und doch brachte Covid-19 die Welt 2020 zum Stillstand. Trotz all der medizinischen Errungenschaften und Kommunikationsströme in Echtzeit. Nicht überall und nicht sofort, doch in der Gesamtschau konsequent. Mobilität, Messen, Menschenverstand – viele Bereiche waren betroffen. Ganz besonders die Kultur. Und natürlich das Gesundheitswesen. Die Gastronomie, Hotellerie, Tourismus und die Eventbranche allgemein. Im Frühjahr standen wir alle wie unter Schock und niemand wusste wohin die Reise geht. Lockdown, Shutdown – Begriffe wie aus einer anderen Welt. Auch in der Küchenbranche war die Unsicherheit groß. Natürlich. Wer konnte, floh nach vorn. Digitalisierung wurde zum Hoffnungsschimmer. Und zum Gebot der Stunde. Auf allen Kanälen, in allen Zusammenhängen. Obwohl viele von uns Zoom kaum buchstabieren konnten. Hauptsache es ließ sich was tun. Und sei es über miserables WLAN zu schimpfen.
Und dann setzte eine Entwicklung ein, die selbst professionelle Bedenkenträger überraschte. Die Menschen sollten zu Hause bleiben, und viele taten das. Und sie machten es sich schön. Cocooning XXL. Wer konnte, renovierte, erneuerte und tauschte aus. Die Unterhaltungselektronik, das Zubehör fürs Homeoffice, die Sitzgarnitur – und ganz besonders die Küche. Wo gerade noch der Pleitegeier zu nisten drohte, fuhr jetzt der Möbelwagen vor. Auf null gefahrene Produktionen wurden mancherorts schnell bereut, denn die Konsumenten öffneten die Sparbüchsen und strapazierten mit ihren Wünschen die Planungsprogramme im Handel. Wer in der Industrie auf Lagerhaltung setzte, war fein raus und konnte liefern. Die Just-in-time-Puristen bekamen ungewollt eine Lektion in Krisenkommunikation. Was nicht überall gut funktionierte.
Die Situation ist kompliziert. Sie ist herausfordernd und zugleich interessant. In der Summe haben die Reaktionen auf die Corona-Pandemie die Geschäfte der Küchenindustrie bis dato eher beflügelt. Doch trotz erfreulich hoher Verkaufszahlen war 2020 auch in der Branche kein leichtes Jahr. Die Beziehungen zwischen Industrie und Handel wurden auf die Probe gestellt. Davon betroffen ist besonders alles mit Stecker. Einige Geräte waren gar nicht lieferbar, andere verspätet – oder es wurden Termine angekündigt und doch wieder verschoben. Teils mehrfach. Das ist für den Handel doppelt und dreifach ärgerlich. Wer eine 20.000-Euro-Küche montiert und das DIN-Loch für Ofen oder Geschirrspüler verwaist lassen muss, darf nicht auf glänzende Kundenaugen hoffen. Eine zweite oder gar dritte Montagetour setzt der Stimmung weiter zu. Das alles macht kein gutes Karma im Empfehlungsmarketing.
2020 hat uns viel gelehrt. Zum Beispiel den praktischen Wert von Offenheit und Flexibilität. Und dass der Kopf rund ist, damit das Denken ab und an die Richtung ändern kann, – statt sich einmalig querzustellen und in eine Sackgasse zu geraten. Das könnte auch 2021 helfen.
Ein besonderes Jahr neigt sich seinem kalendarischen Ende. Verlag und Redaktion wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, alles Gute. Viel Vergnügen beim Innehalten und bleiben Sie wohlauf!
Auf bald, Dirk Biermann
Chefredakteur KÜCHENPLANER online/offline